Den Ernährungszustand richtig beurteilen

Was macht das Gewicht? Diese Frage sollten Sie jedem Patienten stellen, der in die Praxis oder ins Krankenhaus kommt. Denn der Gewichtsverlauf liefert erste Hinweise auf eine Mangelernährung.

Von Kirsten Grashoff Veröffentlicht:

Bei einer Mangelernährung (Malnutrition) werden nicht ausreichend Energie, Eiweiß und/oder anderen lebenswichtigen Nährstoffen wie Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente aufgenommen. Langfristig führt dies zu Funktionseinbußen.

Ein qualitativer Mangel an Nährstoffen äußert sich zunächst in unspezifischen Symptomen wie Müdigkeit. Längerfristig kommt es zu typischen Symptomen, zum Beispiel bei Vitamin-C-Mangel zu Zahnfleischbluten. Bei einer anhaltenden quantitativen Unterversorgung (Energie und Nährstoffe) ist der Gewichtsverlust erstes Anzeichen für eine drohende Malnutrition.

Als Faustregel gilt: Verliert der Patient ungewollt über zehn Prozent seines Gewichts in den letzten sechs Monaten oder über fünf Prozent im letzten Monat, deutet dies auf eine Mangelernährung hin. Geachtet werden sollte auch auf Alarmsignale eines beginnenden Nährstoffmangels wie Appetitlosigkeit, einseitige Ernährung, das Auslassen und Ablehnen von Mahlzeiten, Schluckstörungen, körperliche Schwäche, Hautveränderungen, Teilnahmslosigkeit und Depressionen. Ein einfaches Essprotokoll zur Erfassung und Dokumentation der Essmengen kann helfen, den Ernährungszustand richtig einzuschätzen.

In aller Regel wird zur Feststellung einer Mangelernährung zunächst der Body Mass Index (BMI) ermittelt. Er wird wie folgt berechnet: Körpergewicht in Kilogramm dividiert durch das Quadrat der Körpergröße in Metern. Ernährungsinterventionen werden notwendig, wenn der BMI unter 18,5 kg/m2 bzw. bei über 65-Jährigen unter 22 kg/m2 liegt. Allerdings kann auch bei einem normalen BMI eine Mangelsituation vorliegen.

Mehr Klarheit schaffen einfach anwendbare Screening-Tools. Diese beruhen meist auf einer Kombination mehrerer Parameter. Die European Society for Clinical Nutrition and Metabolism (ESPEN) empfiehlt in ihren Richtlinien zur Erhebung des Ernährungszustandes und Feststellung eines Mangelernährungsrisikos (Clin Nutr 22, 2003, 415) insbesondere drei Methoden für Erwachsene: MUST, NRS-2002 und MNA.

MUST (Malnutrition Universal Screening Tool) ist geeignet, um im ambulanten Bereich leicht den Ernährungszustand der Patienten beurteilen zu können. Die Angaben bzw. Messwerte zu BMI, Gewichtsverlust und Erkrankungszustand werden mit Punkten gewichtet. Über die ermittelte Gesamtpunktzahl lässt sich das Risiko für das Vorliegen einer Mangelernährung bestimmen. Mit dem NRS-2002 (Nutrition Risk Screening-2002) wird im stationären Bereich, mit dem MNA (Mini Nutritional Assessment) vor allem im stationär-geriatrischen Bereich auf eine Malnutrition gescreent. Beide arbeiten ebenfalls mit Summenscores.

Ein weiteres Instrument zur Einschätzung des Ernährungszustandes ist SGA (Subjective Global Assessment). Es basiert auf der Anamnese des Gewichtsverlaufs und der Nahrungszufuhr, gastrointestinaler Symptome, der Leistungsfähigkeit und des Nährstoffbedarfs sowie einer klinischen Untersuchung (Ödeme, Aszites, Muskelmasse, Fettmasse). Der Ernährungszustand wird vom geschulten Untersucher subjektiv als gut ernährt, Verdacht auf Mangelernährung und schwere Mangelernährung klassifiziert. Diese Methode eignet sich für ambulante und stationäre Patienten.

www.dgem.de/ernaehrungsteams, www.espen.org/espenguidelines.html

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