Typ-2-Diabetes

Der Wohnort macht den Unterschied

Wer nah an viel befahrenen Straßen wohnt, lebt in vielerlei Hinsicht gefährlich. Denn es hängt offenbar nicht nur von schlechter Ernährung oder den eigenen Genen ab, ob ein Typ-2-Diabetes ausbricht.

Veröffentlicht:
Verkehrsabgase haben Einfluss darauf, ob und wann ein Typ-2-Diabetes ausbricht.

Verkehrsabgase haben Einfluss darauf, ob und wann ein Typ-2-Diabetes ausbricht.

© Kara / fotolia.com

MÜNCHEN. Ist der eigene Wohnort durch Luftverschmutzung belastet, steigt auch das Risiko, eine Insulinresistenz als Vorstufe von Typ-2-Diabetes zu entwickeln. Das berichteten jüngst Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München in der Fachzeitschrift ‚Diabetes‘ (online August 2016) gemeinsam mit Kollegen des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD).

"Ob und wann die Krankheit ausbricht, hängt nicht nur vom Lebenswandel oder den Genen ab, sondern kann auch Verkehrsabgase als Ursache haben", erläuterte Professor Annette Peters, Direktorin des Instituts für Epidemiologie II am Helmholtz Zentrum München und Leiterin des Forschungsbereichs Epidemiologie des DZD.

Nüchtern-Blutprobe abgenommen

Sie und ihre Kollegen haben in Kooperation mit dem Deutschen Diabetes-Zentrum, Leibniz-Zentrum für Diabetes-Forschung an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und dem Deutschen Herzzentrum München für die aktuelle Studie die Daten von knapp 3000 Teilnehmern der in Augsburg durchgeführten KORA-Studie ausgewertet.

Alle Probanden wurden befragt und körperlich untersucht, heißt es in einer Mitteilung des Helmholtz Zentrums München. Außerdem nahmen die Forscher jeweils eine Nüchtern-Blutprobe ab, in der sie sowohl verschiedene Marker für die Insulinresistenz und Entzündungen als auch weitere aus dem Fettgewebe stammende Botenstoffe bestimmten.

Nicht-Diabetiker unterzogen sich zudem einem oralen Glukosetoleranztest zum Nachweis eines gestörten Glukosestoffwechsels.

Prädiabetiker besonders anfällig für Luftverschmutzung

Diese Daten glichen die Forschenden mit den Luftschadstoffkonzentrationen am Wohnort der Probanden ab, die sie mittels Vorhersagemodellen basierend auf wiederholten Messungen an 20 (Partikelmessungen) beziehungsweise 40 (Stickoxidmessungen) Standorten in der Stadt und im ländlichen Raum geschätzt hatten.

"Dabei zeigte sich, dass Menschen, die bereits einen gestörten Glukosestoffwechsel aufweisen, so genannte Prädiabetiker, besonders anfällig für die Einflüsse der Luftverschmutzung sind", wird die Erstautorin der Studie, Dr. Kathrin Wolf in der Mitteilung zitiert. "Die Marker in ihrem Blut waren in Assoziation mit den Schadstoffen in der Luft besonders signifikant verändert! Luftverschmutzung ist daher gerade für Menschen mit gestörtem Glukosestoffwechsel langfristig ein Risikofaktor für Typ-2-Diabetes."

Schmutziger als die WHO erlaubt

Was die Autoren zudem beschäftigt, ist die Tatsache, dass die Luftschadstoffkonzentrationen zwar unterhalb der EU-Grenzwerte lagen, aber über den von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vorgeschlagenen Richtlinien.

Hier fordern sie nun Konsequenzen aus der Politik: "Eine Senkung der Luftschadstoffgrenzen wäre der richtige Schritt", so die ebenfalls an der Studie beteiligte Dr. Alexandra Schneider. "Denn wir alle sind der Luftverschmutzung ausgesetzt. Eine individuelle Minderung durch Wegzug aus hoch belasteten Regionen ist selten eine Option."

Zudem sei der Zusammenhang zwischen erhöhter Luftschadstoffbelastung und Erkrankungen der Atemwege sowie des Herzkreislaufsystems mittlerweile klar erwiesen.

Künftig wollen die Wissenschaftler auch den Einfluss besonders kleiner Partikel untersuchen – den Ultrafeinstaub. "Auch in diesem Zusammenhang wird das Thema Diabetes unsere Forschung weiter prägen. Nur wenn wir die Risikofaktoren genau kennen, ist es möglich, der wachsenden Zahl betroffener Menschen mit Diabetes entgegen zu wirken", so Studienleiterin Peters mit Blick auf die Zukunft.

Insulinresistenz bei Kindern erhöht

Eine frühere Studie des Helmholtz Zentrums München aus dem Jahr 2013 konnte belegen, dass Feinstaubbelastung das Risiko für Insulinresistenz im Kindesalter erhöht (Diabetologia 2013; 56(8): 1696–1704).

Im Rahmen eine Metanalyse aus dem Jahr 2015 kamen dieselben Autoren zu dem Schluss, dass eine Langzeit- Exposition gegenüber Luftschadstoffen und die Entwicklung von Typ-2-Diabetes mit einander assoziiert sind. (eb)

Ihr Newsletter zum Thema
Lesen sie auch
Mehr zum Thema

Perioperative Komplikationen

Allgemeinchirurgie: HbA1c präoperativ bestimmen!

Das könnte Sie auch interessieren
Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

© Aleksandr | colourbox.de

Fatal verkannt

Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

© polkadot - stock.adobe.com

Vitamin-B12-Mangel

Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
B12-Mangel durch PPI & Metformin

© Pixel-Shot - stock.adobe.com

Achtung Vitamin-Falle

B12-Mangel durch PPI & Metformin

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Kommentare
Franz-Josef Wittstamm 20.09.201607:53 Uhr

Assoziation ist keine Pathogenese

"Die Marker in ihrem Blut waren in Assoziation mit den Schadstoffen in der Luft besonders signifikant verändert!", meinen die Studienautoren.
In den besseren Vierteln mit Einfamilienhäusern ist wohl weniger Autoverkehr, aber in der Regel auch ein gesünderer Lebensstil anzutreffen. Die Gründe dafür sind vielfältig: aber in Gelsenkirchen gibt es mehr Diabetiker als in Bonn oder Münster.

Sonderberichte zum Thema
Porträts: [M] Feldkamp; Luster | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

© Portraits: [M] Feldkamp; Luster | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

„ÄrzteTag extra“-Podcast

Die Schilddrüse tickt in jedem Lebensalter anders

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, Frankfurt am Main
Abb. 1: Studie DECLARE-TIMI 58: primärer Endpunkt „kardiovaskulärer Tod oder Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz“ in der Gesamtkohorte

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [4]

Diabetes mellitus Typ 2

Diabetes mellitus Typ 2 Präventiv statt reaktiv: Bei Typ-2-Diabetes mit Risikokonstellation Folgeerkrankungen verhindern

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg
Porträt: Dr. Jörg Sandmann | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

© Porträt: Dr. Jörg Sandmann | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

„ÄrzteTag extra“-Podcast

Der hypogonadale Patient in der Hausarztpraxis

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Besins Healthcare Germany GmbH, Berlin
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Lungensurfactant

Warum Seufzen der Atmung gut tut

Lesetipps
Der Rücken eines Mannes mit Gürtelrose zeigt Vesikel.

© Chinamon / stock.adobe.com

Alter für Indikationsimpfung herabgesetzt

STIKO ändert Empfehlung zur Herpes zoster-Impfung

Mammografie-Screening bei einer Patientin

© pixelfit / Getty Images / iStock

Prävention

Mammografie-Screening: Das sind Hindernisse und Motivatoren