Hintergrund

Diabetes-Therapie mit "Spätzünder"-Effekt auf Myokardinfarkt- und Sterberate

Aufatmen bei den Diabetologen. Nachdem in drei Megastudien die Blutzuckersenkung ohne Effekt auf kardiovaskuläre Ereignisse blieb, zeigt die UKPDS-Studie nun etwas anderes: eine - wenn auch zeitlich verzögerte - Reduktion von Herzinfarkt- und Sterberate.

Peter OverbeckVon Peter Overbeck Veröffentlicht:
Kann eine antidiabetische Therapie - wie hier mit Insulin - das kardiovaskuläre Risiko senken? Nach neuen UKPDS-Daten heißt die Antwort: ja.

Kann eine antidiabetische Therapie - wie hier mit Insulin - das kardiovaskuläre Risiko senken? Nach neuen UKPDS-Daten heißt die Antwort: ja.

© Foto: dpa

UKPDS macht wieder von sich reden. Diesmal auf dem europäischen Diabeteskongress in Rom. Fast auf den Tag genau vor zehn Jahren sorgte die Präsentation der Hauptergebnisse dieser Studie auf dem Diabeteskongress in Barcelona schon einmal für reichlich Diskussionsstoff unter den Diabetologen.

Alle in die Studie gesetzten Hoffnungen waren damals nicht erfüllt worden. Zwar lieferten die Daten den definitiven Beweis dafür, dass eine intensivere Blutzuckersenkung mit Sulfonylharnstoffen und Insulin über zehn Jahre im Vergleich zu einer konventionellen Therapie (Diät, Bewegungstraining) die Rate mikrovaskulärer Diabeteskomplikationen bei Typ-2-Diabetes signifikant reduziert. Den Beweis, dass diese Therapie auch makrovaskulären Ereignissen wie Myokardinfarkt wirksam vorbeugt, blieb die Studie schuldig.

Nach Studienende Patienten noch zehn Jahre beobachtet

Erfolgreicher war in dieser Hinsicht die Therapie mit Metformin bei den übergewichtigen Studienteilnehmern. Außer mikrovaskulären Diabetesschäden reduzierte das Biguanid signifikant die Rate für Herzinfarkte (um 39 Prozent) und Gesamtmortalität (um 36 Prozent).

Nach Ende der Interventionsstudie im Jahr 1997 setzten die britischen Forscher das UKPD-Projekt fort, diesmal als reine Beobachtungsstudie ohne Beeinflussung der Therapie. Folge war, dass die zuvor aufrecht erhaltenen Unterschiede zwischen beiden Studiengruppen bezüglich Art der Therapie und Intensität der Blutzuckersenkung in relativ kurzer Zeit verschwanden. Doch trotz völliger Angleichung der Gruppen blieben Unterschiede, die aus der zurückliegenden Interventionsphase resultierten, auch in der zehnjährigen Folgeperiode weiter bestehen.

Auch in dieser Phase war in der zuvor mit Insulin und Sulfonylharnstoff behandelten Gruppe die Rate mikrovaskulärer Ereignisse konstant niedriger als in der Vergleichsgruppe.

Die eigentliche Überraschung: Am Ende der Studienverlängerung hatte die intensivere Blutzuckersenkung - anders als am Ende der vorangegangenen Interventionsphase - deutliche Spuren auch bei den makrovaskulären Ereignissen hinterlassen. Die Herzinfarktrate war in dieser Phase signifikant um relative 15 Prozent niedriger als in der konventionell behandelten Gruppe. Und auch bei der Gesamtsterberate, die um 13 Prozent niedriger war, bestand ein signifikanter Unterschied zugunsten der intensiveren Blutzuckersenkung. Angesichts dieser erst nach Jahren manifest gewordenen Wirkung auf makrovaskuläre Ereignisse sprach Studienleiter Dr. David R. Matthews in Rom bildhaft vom "Nachlass" (legacy) einer Jahre zurückliegenden Therapie.

Ein solcher "Nachlass" war in UKPDS mit Blick auf die blutdrucksenkende Therapie nicht zu beobachten. In der Studie waren 1148 Diabetiker mit Hypertonie zwei Gruppen zugeteilt worden, in denen entweder eine strenge oder weniger strenge Einstellung des Blutdrucks mit Antihypertensiva angestrebt wurde.

Sterberate sank erst nach dem Ende der Studie signifikant.

Am Ende der Interventionsphase erwies sich die intensivere Blutdrucksenkung der weniger strikten Behandlung in der Wirkung etwa auf mikrovaskuläre Ereignisse als deutlich überlegen. Die Vorteile waren allerdings nicht von Dauer: Als sich in der Folgeperiode nach Studienende die Blutdruckwerte wieder anglichen, verschwanden auch die Unterschiede bei der Rate klinischer Diabeteskomplikationen. Ein "Überhangeffekt" wie nach intensiver Blutzuckersenkung stellte sich nicht ein.

Die neuen UKPDS-Daten kontrastieren mit jüngst bekannt gewordenen Ergebnissen dreier großen Studien (ACCORD, ADVANCE, VADT) mit insgesamt mehr als 23 000 beteiligten Typ-2-Diabetikern. In keiner dieser Studien hatte eine antidiabetische Therapie, die den HbA1c-Wert annähernd auf das für Nicht-Diabetiker geltende Normalniveau zu senken versuchte, im Vergleich zur Standardtherapie eine präventive Wirkung auf makrovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkt oder Schlaganfall.

Plädoyer für möglichst frühen Beginn der Therapie

Die konträren Ergebnisse sind möglicherweise Unterschieden bei der Patientenpopulation geschuldet. Die Patienten in den drei neueren Studien hatten zu Studienbeginn eine bereits seit acht bis zehn Jahren bestehende Diabeteserkrankung.

In UKPDS sind dagegen Patienten mit neu diagnostiziertem Typ-2-Diabetes aufgenommen worden. Aus den positiven Langzeitergebnissen der Studie ziehen die UKPD-Autoren deshalb den Schluss, dass eine intensive Blutzuckersenkung zum frühestmöglichen Zeitpunkt im Krankheitsverlauf gestartet werden muss, um langfristig kardiovaskulären Ereignissen vorbeugen zu können.UKPDS - ein Meilenstein der DiabetesforschungDas Kürzel UKPDS (United Kingdom Prospective Diabetes Study) ist jedem Diabetologen ein Begriff. Es kennzeichnet eine Meilenstein-Studie der diabetologischen Forschung zur Wirksamkeit der Blutzucker- und Blutdrucksenkung bei Typ-2-Diabetikern. Gestartet wurde die Studie bereits im Jahr 1977. Verglichen wurden sowohl eine blutzucker- als auch blutdrucksenkende Therapie von jeweils unterschiedlicher Intensität. Die Hauptergebnisse sind 1998 vorgestellt und publiziert worden.

Lesen Sie dazu auch: Frühe Blutzuckersenkung senkt Infarkt- und Sterberate

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