Dick oder dünn - den Weg bahnen wohl die Gene

HAMBURG (dpa). Bei einem läßt schon ein Stück Kuchen zum Kaffee die Fettpölsterchen schwellen. Der andere kann zwei Stück Sahnetorte essen, ohne zuzunehmen. Diese Vermutung meist gut beleibter Menschen ist nicht ganz verkehrt. Gene scheinen zumindest mehr Einfluß auf das Gewicht eines Menschen zu haben als sein Umfeld und seine Erziehung.

Veröffentlicht:

Die Bedeutung der Erbanlagen hatte der US-Psychiater Albert Stunkard schon in den 1980er Jahren in einer wegweisenden Studie entdeckt, als er das Gewicht von über 500 adoptierten Kindern untersuchte. Es glich dem ihrer biologischen Eltern viel stärker als dem ihrer Erzieher.

Gene sind für viel Bewegung und Notzeiten ausgelegt

Klar ist, daß unsere Gene für Menschen ausgelegt sind, die sich viel bewegen und Notzeiten erleiden müssen. Bei einem Bürojob und allzeit griffbereiter Nahrung führt ein Fettspeicherprogramm im Körpers daher oft zu Übergewicht. Die in der Evolution gebildeten Programme haben einen beachtlichen Einfluß auf das Gewicht, erinnert der Ernährungspsychologe Professor Volker Pudel von der Universität Göttingen. "Und die kann ein Mensch - in Grenzen - selbst gestalten."

Warum aber gibt es schlanke Büromenschen, die weder Sport treiben noch Diäten benötigen? Auch dies liegt zumindest zum Teil im Erbgut. "Die Nahrung wird je nach genetischer Ausstattung unterschiedlich verwertet", sagt Professor Annette Schürmann, Pharmakologin beim Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke (DIfE).

Erste Zusammenhänge sind schon entdeckt: Einige Dicke haben eine veränderte Andockstelle für Sättigungshormone. Menschen mit diesem gestörten Melanocortin-4-Rezeptor etwa können das körpereigene Signal für Sättigung nicht oder kaum noch empfangen, essen daher mehr und werden daher dicker. Bei anderen - allerdings sehr wenigen Menschen - ist das Gen für das Sättigungshormon Leptin gestört.

Das von Fettzellen produzierte Leptin habe bei Übergewichtigen eine große Bedeutung, sagt Schürmann. Je mehr Fettzellen ein Mensch habe, desto mehr Leptin produziere er. Der Körper reagiere jedoch nicht ausreichend auf diese übermäßige Hormonausschüttung, da er gegen das Hormon resistent geworden sei. "Das Hormon bindet zum Beispiel schlechter an den Rezeptor, oder das Signal wird nur abgeschwächt weitergeleitet." So kann es den Essensdrang nicht mehr stoppen.

"Die einfachste Methode ist, früh genug das Gewicht zu kontrollieren und die Essensgewohnheiten umzustellen, bevor die Waage 20 Kilo zu viel anzeigt", meint Schürmann. Je stärker das Gleichgewicht der verschiedenen Botenstoffe aus den Fugen geraten sei, um so schwerer sei es, dieses wieder herzustellen.

Auch der Geschmack wird durch Gene beeinflußt

Doch werden nicht nur die Nahrungsverwertung und die Lust aufs Essen von den Genen beeinflußt, sondern auch der Geschmack. Menschen mit einer bestimmten Genvariante haben eine Abneigung gegen Kohl und Spinat. Sie können deren Bitterstoffe besonders gut wahrnehmen, hat Professor Wolfgang Meyerhof vom DIfE herausgefunden. Wer die Bitterstoffe nicht wahrnimmt, tendiert zu erhöhtem Fettkonsum.

In einigen Jahrzehnten sei es gut möglich, daß Ärzte spezifische Ernährungsratschläge geben, wenn das genetische Profil bekannt ist.

Jetzt abonnieren
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Blick in eine Modellpraxis

DiGA bald auch in der ePA

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Gegen unerwartete Gesprächssituationen gewappnet

Tipps für MFA: Schlagfertigkeit im Praxisalltag

Lesetipps
HSK im Fokus: Der Hauptstadtkongress 2024 findet von 26. bis 28. Juni in Berlin statt.

© Rolf Schulten

Themenseite

Hauptstadtkongress: Unsere Berichte im Überblick

Zu hohe Drehzahl: Hochtouriges Fahren überhitzt bekanntlich den Motor und beschleunigt den Reifenabrieb. Genauso kann zu viel L-Thyroxin, speziell bei Älteren, nicht nur Herz und Kreislauf überlasten, sondern auch die Knochen schwächen.

© Michaela Illian

Überbehandlung mit Folgen

Schilddrüsenhormone: Zu viel L-Thyroxin bringt Knochen in Gefahr