Verfeinerte Blickdiagnose

Dicker Hals = dickes Risiko fürs Herz

Nicht nur ein dicker Bauch spricht Bände – der Halsumfang eignet sich ebenfalls, um das kardiovaskuläre Risiko abzuschätzen. Je dicker der Hals, umso steifer sind offenbar die arteriellen Gefäße. Besonders kritisch ist die Kombination dicker Bauch plus dicker Hals.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Neben dem Taillenumfang gibt auch der Halsumfang schnell Hinweise auf das kardiovaskuläre Risiko.

Neben dem Taillenumfang gibt auch der Halsumfang schnell Hinweise auf das kardiovaskuläre Risiko.

© choja/ Getty Images / iStock

VERONA. Vielen Patienten mit hohem kardiovaskulärem Risiko sieht man dieses auf den ersten Blick an. So dürfte es schwerfallen, einen BMI von 35 oder mehr zu verbergen, bei solchen Menschen darf auch ohne Messung des Bauchumfangs davon ausgegangen werden, dass sie in einem nicht mehr gesunden Maße viszerales Fett akkumuliert haben und sich dieses bereits ungünstig auf wichtige kardiometabolische Parameter auswirkt.

Dennoch wird immer wieder diskutiert, wie sich ein offensichtlich überbordender Körperumfang am besten in Formeln und Zahlen pressen lässt, die möglichst präzise das Risiko für Herz, Hirn und Gefäße wiedergeben. Hier scheint etwa der Taillenumfang den BMI zu schlagen, ähnlich hoch im Kurs steht das Verhältnis von Taille zu Hüfte.

Etwas weniger gebräuchlich, doch noch einfacher zu messen, ist der Halsumfang. Auch dieser kann bei Übergewichtigen beträchtlich zulegen. In Studien hatten Personen mit dicken Hälsen vermehrt Bluthochdruck, Diabetes oder zumindest einen gestörten Glukosestoffwechsel, und das zu einem gewissen Teil unabhängig von Bauchumfang und BMI. Gelang es Dickhälsen in Untersuchungen, ihren Halsumfang zu reduzieren, ging auch ihr metabolisches Syndrom deutlich zurück, berichten Ärzte um Dr. Francesco Fantin von der Universität Verona.

Solche Beobachtungen nahm das Team um Fantin zum Anlass, um in einer eigenen Studie zu prüfen, wie gesund bei "Dickhälsen" das arterielle System überhaupt noch ist. Ihre Ergebnisse haben sie im European Journal of Preventive Cardiology (doi/10.1177/2047487317721655) veröffentlicht.

Großer Halsumfang, erhöhte radiale Pulswellengeschwindigkeit

Für die Untersuchung konnten die Wissenschaftler 95 Übergewichtige und Adipöse mit einem mittleren BMI von 35 und einem Durchschnittsalter von 49 Jahren gewinnen. Bei ihnen bestimmten sie die Karotis-Pulswellengeschwindigkeit (PWG) als Maß für die arterielle Steifigkeit. Die Ableitungen erfolgten außer an der Karotis sowohl an der Arteria femoralis als auch der Arteria radialis, um sowohl die periphere als auch die zentrale Karotis-PWG zu bestimmen. Zugleich ermittelten sie den Blutdruck und die üblichen kardiometabolischen Laborparameter (Blutzucker, Blutfette, Insulin, HOMA).

Dabei zeigten sich signifikante Zusammenhänge zwischen femoral abgeleiteter PWG und mittlerem arteriellem Druck (MAP), Pulsdruck, systolischem Blutdruck, Bauchumfang, Glukose- und Triglyzeridwerten, nicht aber dem Halsumfang. Die radial abgeleitete PWG korrelierte hingegen deutlich mit sämtlichen Blutdruckparametern und dem Halsumfang. Beim Halsumfang zeigte sich sogar eine hochsignifikante Korrelation (p < 0,01): Je dicker der Hals, desto höher die PWG und umso steifer die jeweiligen Gefäße.

Bauch und Hals im Blick

Zogen die Ärzte um Fantin beim Halsumfang einen Grenzwert von 43 cm (Männer) und von 41 cm (Frauen), so hatte rund ein Drittel einen erhöhten Halsumfang. Solche Personen waren im Schnitt rund ein Jahr älter, hatten einen um zwei Punkte höheren BMI, wogen im Mittel 15 kg mehr und zeigten signifikant ungünstigere Blutdruck-, HDL- und Insulinwerte als Teilnehmer mit normalem Halsumfang. Zudem war bei ihnen die femorale PWG signifikant und die radiale PWG hochsignifikant erhöht.

Als nächstes teilten die Forscher die Patienten in drei Gruppen ein: Solche ohne dicken Hals und ohne dicken Bauch (Umfang unter 102 cm bei Männern und unter 88 cm bei Frauen), solche mit dickem Bauch, aber normalem Hals und schließlich mit dickem Bauch und dickem Hals. Teilnehmer ohne übermäßiges Bauch- und Halsfett schnitten bei fast allen kardiometabolischen Parametern deutlich besser ab als die anderen beiden Gruppen, solche mit dickem Bauch, aber normalem Hals hatten immer noch deutlich günstigere MAP-, HOMA- und HDL-Werte als solche mit dickem Hals und dickem Bauch, zudem war die radiale PWG signifikant geringer.

Wenn zum dicken Bauch noch ein dicker Hals kommt, scheint die Prognose – bemessen an kardiometabolischen Parametern und der radialen PWG – folglich besonders ungünstig zu sein. Dies im Hinterkopf, können Ärzte ihre dicken Patienten rasch in unterschiedliche Risikokategorien einteilen. Ob die Kategorie "dicker Bauch plus dicker Hals" nun präziser ist als nur "sehr dicker Bauch" sei dahingestellt. Immerhin war der BMI-Sprung in der Gruppe mit dickem Bauch und normalem Hals (35,2) zu dickem Bauch und dickem Hals (36,3) nicht sehr groß. Es könnte sich bei der kardiometabolischen Blickdiagnose also durchaus lohnen, nicht nur auf den Bauch, sondern auch auf den Hals zu schauen.

Ein dicker Hals scheint dabei nicht nur ein Marker für extremes Übergewicht zu sein, es gebe Hinweise, wonach das Halsfett inflammatorisch aktiver sei als das Bauchfett und mehr freie Fettsäuren freisetze, schreiben die Ärzte um Fantin. Dies könne erklären, dass Halsfett unabhängig von anderen Fettpolstern das kardiometabolische Risiko erhöhe.

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