Welt-Aids-Tag

Diskussion um den besten Start der HIV-Therapie

Wo liegt der Schwellenwert für die CD4-Zellzahl, ab dem bei HIV-Infizierten mit einer antiretroviralen Therapie begonnen werden sollte? In aktuellen Leitlinien wird ein Therapiestart im Bereich von 350 bis 500 CD4-Zellen pro Mikroliter Blut favorisiert.

Veröffentlicht:

WIEN (awa). Durch die antiretrovirale Therapie hat die Lebenserwartung HIV-Infizierter deutlich zugenommen, die Lebensqualität hat sich gebessert. Nach wie vor wird aber diskutiert, wann mit der HIV-Therapie begonnen werden soll. So belegen randomisierte Studien, dass Mortalität und Morbidität bei einem Therapiestart bei 350 bis 200 CD4-Zellen pro µl Blut deutlich geringer sind als wenn die Behandlung bei weniger als 200 CD4-Zellen / µl Blut beginnt.

Deshalb empfehlen nationale und internationale Leitlinien und inzwischen auch die Weltgesundheitsorganisation eine HIV-Therapie generell zu beginnen, wenn eine CD4-Zellzahl von 350 / µl Blut unterschritten wird oder Symptome auftreten.

Eine kontrollierte Studie zum Therapiestart (START) bei mehr als 350 CD4-Zellen / µl Blut ist inzwischen angelaufen. Denn Beobachtungsstudien haben ergeben, dass ein Therapiestart bei 350 bis 500 Helferzellen auch Nicht-Aids-assoziierte Erkrankungen verhindern kann.

Den deutsch-österreichischen Leitlinien zufolge ist deshalb ein Therapiebeginn im Bereich von 350 bis 500 CD4-Zellen / µl Blut ratsam und bei mehr als 500 CD4-Zellen / µl Blut vertretbar, wenn Zusatzkriterien wie hohes Alter, Hepatitis-Koinfektion, Schwangerschaft und eine große Virusmenge vorliegen.

Die aktualisierten Leitlinien der US-Sektion der Internationalen Aidsgesellschaft gehen noch einen Schritt weiter und empfehlen, asymptomatische HIV-Infizierte bei einem Schwellenwert von 500 CD4-Zellen / µl Blut generell und sogar bei einer noch höheren Helferzellzahl bei Zusatzkriterien zu behandeln.

Allerdings: Auf der diesjährigen Welt-Aids-Konferenz in Wien wurde eine Auswertung der Daten von fast 9500 HIV-Infizierten vorgestellt, die zwar einen klaren Nutzen von einem Therapiebeginn bei unter 500 CD4-Zellen / µl Blut belegte, jedoch keinen Nutzen für einen Beginn bei mehr als 500 CD4-Zellen / µl Blut.

Die Auswahl an antiretroviralen Präparaten ist inzwischen groß: Mehr als 20 verschiedene Arzneien und fixe Kombinationen aus fünf Substanzklassen sind für die HIV-Therapie verfügbar. Nach wie vor besteht die initiale Standardtherapie aus einer Dreifachkombi:

Ein geboosterter Proteasehemmer (PI / r; Proteasehemmer plus niedrig dosiertes Ritonavir), ein nicht-nukleosidischer Reverse-Transkriptasehemmer (NNRTI) oder ein Integrase-Hemmer (INI) werden jeweils mit zwei nukleosidischen Reverse-Transkriptasehemmern (NRTI) kombiniert.

Bei der Auswahl für die Ersttherapie sind außer der Wirksamkeit vor allem die Kurz- und Langzeitverträglichkeit, aber auch individuelle Faktoren wie die zu erwartende Therapietreue, Begleitmedikamente und Begleiterkrankungen zu berücksichtigen.

Ob unbedingt zwei NRTI in die HIV-Therapie gehören, wurde zum Beispiel wegen deren Langzeitwirkung auf die Fettverteilung und den Knochenstoffwechsel immer wieder hinterfragt, und es wurden "NRTI-sparende"-Therapieregime geprüft. In Wien wurden mehrere Studien vorgestellt, in denen eine NRTI-freie Therapie genauso wirksam war wie eine Standardtherapie inklusive dieser Substanzgruppe.

So erreichten mit der Kombination aus dem PI / r Lopinavir / r und dem Integrase-Hemmer Raltegravir nach 48 Wochen ähnlich viele Patienten eine Virusmenge unter der Nachweisgrenze von 50 HIV-RNA-Kopien pro Milliliter Blut wie Patienten, die Lopinavir / r und die beiden NRTI Tenofovir / Emtricitabin erhielten (83 versus 85 Prozent).

Auch bei zuvor bereits behandelten HIV-Patienten scheint diese Zweierkombination wirksam zu sein, wie die Ergebnisse einer Pilotstudie mit 30 HIV-Infizierten nach 24 Wochen ergaben.

Lesen Sie dazu auch: Trendwende im weltweiten Kampf gegen Aids Diskussion um den besten Start der HIV-Therapie Engagement für HIV-Infizierte mit Tuberkulose Neue Präparate gegen Aids-Erreger in der Pipeline Kampagnen zu Welt-Aids-Tag im Zeichen der Solidarität Welt-Aids-Tag: "Tina, wat kosten denn die Kondome?"

Mehr zum Thema

Zweiter Berliner Patient

HIV-Remission mit nicht-resistenten Stammzellen erreicht

Das könnte Sie auch interessieren
Alarmierender Anstieg: Hautpilz aus dem Barbershop

© David Pereiras | iStock (Symboldbild mit Fotomodell)

Dermatomykosen

Alarmierender Anstieg: Hautpilz aus dem Barbershop

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Effektive Therapie von Nagelpilz: Canesten® EXTRA Nagelset

© Irina Tiumentseva | iStock

Onychomykosen

Effektive Therapie von Nagelpilz: Canesten® EXTRA Nagelset

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Maximale Vitamin-C-Blutspiegel nach oraler (blau) und parenteraler (orange) Tagesdosis-Gabe.

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Infusion

Parenterale Gabe erzielt hohe Plasmakonzentrationen an Vitamin C

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Abb. 1: FIB-4 1,3: numerische 26%ige Risikoreduktion der 3-Punkt-MACE durch Semaglutid 2,4mg

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [17]

Kardiovaskuläre, renale und hepatische Komorbiditäten

Therapie der Adipositas – mehr als Gewichtsabnahme

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Novo Nordisk Pharma GmbH, Mainz
SCD-PROTECT-Studie-- Frühe Phase nach Diagnose einer Herzinsuffizienz – deutlich höheres Risiko für den plötzlichen Herztod als in der chronischen Phase.

© Zoll CMS

SCD-Schutz in früher HF-Phase

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: ZOLL CMS GmbH, Köln
Abb. 2: Schneller Wirkeintritt von Naldemedin im Vergleich zu Placebo in den Studien COMPOSE-1 und COMPOSE-2

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [15]

Opioidinduzierte Obstipation

Selektive Hemmung von Darm-Opioidrezeptoren mit PAMORA

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Viatris-Gruppe Deutschland (Mylan Germany GmbH), Bad Homburg v. d. Höhe
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Krebs in Deutschland

Bei zwei Krebsarten nahm die Sterblichkeit am stärksten ab

Geldanlage

Vermögen auf Rezept: Wie sich eine langfristige Finanzplanung auszahlt

Lesetipps
Die Luftbelastung in Innenräumen mit Reinigungsprodukten betrifft jede Person. Sie beeinflusst unsere Lungenfunktion, und das lebenslang. Diese Gefahr wird unterschätzt. So die Meinung einer Pneumologin aus Italien.

© natali_mis / stock.adobe.com

Verschmutzte Luft

Was Reinigungsmittel in der Lunge anrichten können