EHEC-Therapie - leicht gemacht?

Mehr als 800 Menschen sind schwer krank und liegen in den Kliniken - das war die Situation vor einem Jahr während der EHEC-Epidemie. Doch was war die richtige Therapie? Jetzt gibt es neue Daten - und Fragezeichen.

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Apherese: Sie kam bei der HUS-Epidemie oft zum Einsatz.

Apherese: Sie kam bei der HUS-Epidemie oft zum Einsatz.

© dpa

NEU-ISENBURG (nös). Ein hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS) ist keine Allerweltskrankheit, entsprechend schwierig ist die Therapie. Evidenzbasierte Leitlinien gibt es nicht, lediglich Erfahrungen und Erkenntnisse aus kleineren Studien.

Einfacher ist es schon mit der Diagnostik: Wässrige oder blutige Diarrhö ohne Fieber sollte abgeklärt werden.

Der indirekte Erreger-Nachweis ergibt sich aus einem labordiagnostischen Befund entweder über das Shiga Toxin (ELISA) oder das Shiga-Toxin-Gen (PCR). Spezifischer ist die genetische Subtypisierung, auch das Konsiliarlabor dankt es.

Ein HUS ist primär gekennzeichnet durch eine thrombotische Mikroangiopathie, nachgewiesen durch eine Hämolyse anhand von Fragmentozyten, einer Thrombopenie und einem akuten Nierenversagen.

Im fortgeschrittenen Stadium können neurologische Symptome wie Aphasie und Apraxie hinzukommen, da Shiga Toxin bevorzugt an Nieren- und Nervenzellen bindet.

Die Langzeitprognose bei HUS ist nur schwer abzuschätzen. Aber gerade bei schweren und dialsyepflichtigen Verläufen gehen die Nephrologen davon aus, dass etwa jeder zweite Patient über kurz oder lang eine chronische Niereninsuffizienz entwickeln wird.

Forscher um den Innsbrucker HUS-Experten Professor Reinhard Würzner kamen jüngst zu ähnlichen Ergebnissen (Clin Infect Dis 2012; 54(10): 1413-1421). Fünf Jahre lang hatten sie 274 Kinder nachbeobachtet, die an einem HUS erkrankt waren.

Nach fünf Jahren litten immerhin noch 30 Prozent der Kinder an Folgeerkrankungen. Häufigste Folgen waren eine persistierende Proteinurie (18 Prozent), Bluthochdruck (9 Prozent) und eine erniedrigte glomeruläre Filtrationsrate (7 Prozent).

Die Autoren konnten außerdem einen Zusammenhang zwischen dem Einsatz der Plasmapherese und der Entwicklung von Folgeerkrankungen ermitteln. Sie geben allerdings zu Bedenken, dass gerade die schweren Fälle überwiegend mit der Apherese behandelt wurden.

Doch welche Therapie ist nun die richtige? Auch aus der Epidemie im vergangenen Jahr gibt es keine eindeutigen Empfehlungen.

Zwar haben die Nephrologen ein Register mit insgesamt über 600 Patienten aufgelegt, aber "unklar bleibt, welche Therapie wem hilft", wie es Professor Jan Kielstein von der Medizinischen Hochschule Hannover jüngst beim Amtsärztekongress des BVÖGD in Erfurt ausdrückte.

Widersprüchliche Studien zur Antibiose

In der Therapie sind supportive Maßnahmen und die Hämodialyse zunächst Mittel der Wahl. Die Nephrologen setzen zudem auf die Plasmapherese, laut Kielstein die "Saftpresse der Nephrologen".

In fast 90 Prozent aller Fälle kam sie zum Einsatz. Doch trotz Therapie verschlechterte sich der Zustand etlicher Patienten bis hin zu neurologischen Störungen.

In knapp 40 Prozent aller Register-Patienten griffen die Ärzte dann zu Eculizumab (inklusive Meningokokkenprophylaxe mit Azithromycin). Der Antikörper stoppt die terminale Komplementkaskade am Protein C5.

Die Vermutung dahinter: Der alternative Komplementweg könnte durch Shiga Toxin überaktiviert werden. Doch der Einsatz des Antikörpers ist bei den Nephrologen umstritten.

Eine Studie des Nephrologen Professor Rolf Stahl vom Uniklinikum Hamburg Eppendorf zeigt nach seiner Überzeugung einen Nutzen für den Antikörper. Allerdings wird die Studie mit rund 140 Patienten von dem Hersteller des Wirkstoffs unterstützt und beinhaltet keine Kontrollgruppe.

Auch die ersten Ergebnisse des HUS-Registers zeigen, dass sich die Entlasssymptomatik zwischen den Gruppen (Best supportive Care, TPE, TPE + Eculizumab) nicht signifikant unterschieden hat.

Die Nephrologen fordern daher weitere Studien. Kielstein plädierte in Erfurt denn auch für eine rationale Interpretation der bisherigen Ergebnisse: "Es gibt keinen Grund, Eculizumab jetzt ins Trinkwasser zu geben."

Ähnlich ist es mit Antibiotika. Auch hier sind die jüngsten Studienergebnisse ähnlich widersprüchlich wie die hinlänglich bekannten Daten.

Im März kam ein Team um Professor Johannes Knobloch vom Unikinikum Schleswig-Holstein in Lübeck zu dem Befund, dass das Makrolid-Antibiotikum Azithromycin die Dauer der EHEC-Ausscheidung reduzieren kann (JAMA 2012; 307(10): 1046-1052).

Untersucht wurden 65 Patienten, die in Lübeck während der Epidemie behandelt wurden. Davon waren 43 Patienten Teil der Kontrollgruppe und 22 Teil der Verumgruppe.

Sie hatten Azithromycin allesamt allerdings als Meningokokkenprophylaxe für Eculizumab erhalten. Damit bleibt offen, ob die geringere Ausschüttung auf das Makrolid oder den Antikörper zurückgeht.

Auch die Hypothese der erhöhten Ausschüttung von Shiga Toxin durch Antibiotika könnte womöglich widerlegt werden. Gegen den oft vermuteten Zusammenhang sprechen zumindest kürzlich publizierte Daten eines Münsteraner Teams um den EHEC-Experten Professor Helge Karch (Antimicrob Agents Chemother 2012; 56(6): 3277-3282).

Die Forscher hatten in vitro verschiedene Antibiotika gegen den Ausbruchsstamm getestet und die Induktion des Shiga-Toxin-Phagen sowie die Toxin-Produktion gemessen.

Azithromycin, Rifaximin, Meropenem und Tigecyclin bestanden den Test - sie erhöhten weder die Phagenaktivität noch die Toxinausschüttung. Lediglich für Ciprofloxacin konnten die Wissenschaftler eine signifikant erhöhte Toxinproduktion feststellen.

Für das Risiko, ein HUS zu entwickeln, widersprechen diesen Daten jedoch Befunde aus den USA (Clin Infect Dis 2012; online 19. März).

In einer prospektiven Kohortenstudie hat der HUS-Experte Professor Phillip Tarr von der Washington University mit seinem Team Daten von Kindern mit einem HUS und antibiotischer Behandlung ausgewertet.

In die Analyse flossen Fälle aus über neun Jahren von 259 Kindern ein. Am häufigsten entwickelten die Kinder ein HUS, wenn sie eine Antibiose während der akuten Erkrankungsphase erhielten (36 vs. 12 Prozent).

Die höchste HUS-Rate gab es bei Metronidazol (67 Prozent, 2 von 3 Fälle) und Cotrimoxazol (44 Prozent, 4 von 9 Fälle).

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