Epo-Doping funktioniert wohl anders als bisher gedacht

Mehr Hämoglobin - mehr Sauerstoff - mehr Leistung. So einfach funktioniert ErythropoetinDoping nicht, meinen zwei Sportmediziner.

Dr. Thomas MeißnerVon Dr. Thomas Meißner Veröffentlicht:

Die maximale Sauerstoffaufnahme korreliere bei gesunden Personen nicht oder nur schwach mit der Hämoglobin-Konzentration und dem Hämatokritwert, so die Professoren Dieter Böning aus Berlin und Norbert Maassen aus Hannover. Möglicherweise hätten die vorgeschriebenen Obergrenzen für Hb oder Hk bei Sportlern sogar einen unbeabsichtigten Effekt, nämlich dass Epo-Doper den optimalen Wert besser treffen, als wenn sie hemmungslos die hämatologischen Laborparameter in die Höhe treiben würden.

Äthiopische und kenianische Läufer und Läuferinnen gehören seit Jahren zu den schnellsten der Welt. Äthiopier leben seit Jahrtausenden in großer Höhe. Bei ihnen steigt der Hb im Hochland kaum an und sie sind trotzdem leistungsfähig. Auch bei Kenianern ändern sich die Hb-Konzentrationen kaum, egal ob sie sich in 2100 m Höhe befinden oder im Flachland. Kommt dagegen ein europäischer Sportler von seinem Höhentraining, finden sich regelmäßig abfallende Hb-Werte.

"Daher kann eine eventuelle Verbesserung ihrer Leistungsfähigkeit in Normoxie nicht mit dieser Größe zusammenhängen", argumentieren Böning und Maassen in der "Deutschen Zeitschrift für Sportmedizin" (7-8, 2008, 175). Auch Ausdauertraining mit Zunahme der maximalen Sauerstoffaufnahme führe zu einer leichten Absenkung des Hb.

Epo verbessert die Sauerstoffabgabe an das Gewebe.

Zudem nützt ein gesteigerter Sauerstoffgehalt des Blutes nichts, wenn die Durchblutung abnimmt. Genau das passiert jedoch, wenn der optimale Hämatokrit überschritten wird: Die Viskosität des Blutes nimmt zu, und das Herz kann die zunehmende Pumpleistung nicht mehr aufbringen.

Wo der optimale Hk beim Menschen liegt, ist unbekannt. Er dürfte jedoch nach Ansicht von Böning und Maassen unter 50 Prozent liegen, vor allem wegen der im Vergleich zu Tieren, die für Leistungsvergleiche herangezogen werden, größeren Erythrozyten. Es sei denkbar, dass in der Evolution des Menschen ein suboptimaler Wert selektiert wurde, weil ansonsten das Thromboserisiko und damit die Sterbewahrscheinlichkeit größer sind, meinen die Sportmediziner.

Helfen also die Anti-Doping-Vorschriften mit Bezug auf hämatologische Grenzwerte indirekt den Dopern, weil das Sauerstoffangebot an die Muskulatur bei Hk-Werten über 50 bis 60 Prozent abnimmt? Zumindest sind es wohl andere Faktoren als die genannten Laborparameter, die beim Epo-Doping wirken:

  • Epo verbessert die Sauerstoffabgabe an das Gewebe. Das könnte den bei Ausbelastung stattfindenden Abfall der arteriellen O2-Sättigung verlangsamen.
  • Der Anteil junger Erythrozyten mit guten funktionellen Eigenschaften (Verformbarkeit, Enzymaktivität, Sauerstoffbindungskurve) erhöht sich. Nach Absetzen von Epo verschlechtert sich allerdings die Erythrozytenqualität wieder, und zwar innerhalb weniger Tage.
  • Die vasokonstriktorische Wirkung von Epo oder auch die erhöhte Hb-Konzentration könnte die Kreislauffüllung bessern. Langfristig fördert Epo die Gefäßbildung.
  • Epo schützt Erythrozyten gegen Radikale und das Hirn vor Hypoxie.

Nicht vergessen werden sollten auch ein gewisser Placeboeffekt sowie eine stimmungsaufhellende Wirkung, meinen Böning und Maassen.

Von diesen Erkenntnissen erhoffen sie sich einen gewissen Anti-Doping-Effekt. Denn die Zunahme der Hb-Konzentration sei eben nicht grundsätzlich leistungsfördernd, so Böning zur "Ärzte Zeitung". Und eine hohe Dosierung von Epo sei nicht nur gesundheitsschädlich, sondern könne die Leistung sogar mindern.

Mehr zum Thema

Laterale Ellbogenschmerzen

Diese sechs Kriterien sprechen gegen einen „Tennisarm“

Automatisierte Insulindosierung

Trotz AID-Systemen häufig Hypoglykämien beim Sport

Expertenforum Kindersportkardiologie

Sport für herzkranke Kinder? Darauf gilt es zu achten

Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Maximale Vitamin-C-Blutspiegel nach oraler (blau) und parenteraler (orange) Tagesdosis-Gabe.

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Infusion

Parenterale Gabe erzielt hohe Plasmakonzentrationen an Vitamin C

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Abb. 1: FIB-4 1,3: numerische 26%ige Risikoreduktion der 3-Punkt-MACE durch Semaglutid 2,4mg

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [17]

Kardiovaskuläre, renale und hepatische Komorbiditäten

Therapie der Adipositas – mehr als Gewichtsabnahme

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Novo Nordisk Pharma GmbH, Mainz
Abb. 1: Risikoreduktion durch Bempedoinsäure gegenüber Placebo in der CLEAR-Outcomes-Studie für den primären 4-Komponenten-Endpunkt (A) und den sekundären 3-Komponenten-Endpunkt (B) stratifiziert nach Diabetes-Status

© Springer Medizin Verlag

Diabetes mellitus

Bempedoinsäure: Benefit für Hochrisiko-Kollektive

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Daiichi Sankyo Deutschland GmbH, München
Abb. 1: Studie DECLARE-TIMI 58: primärer Endpunkt „kardiovaskulärer Tod oder Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz“ in der Gesamtkohorte

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [4]

Diabetes mellitus Typ 2

Diabetes mellitus Typ 2 Präventiv statt reaktiv: Bei Typ-2-Diabetes mit Risikokonstellation Folgeerkrankungen verhindern

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Wie ein gutes Offboarding gelingt

Wenn Mitarbeiter gehen: Praxisteams sollten diese acht Punkte beachten

Lesetipps
Ein älterer Herr, der einen medizinischen Fragebogen ausfüllt.

© buritora / stock.adobe.com

Metaanalyse

Subjektive Krankheitsbelastung bei Krebs prognostisch relevant