SEER-Programm

Erklären Sie Krebspatienten das „relative Überleben“!

Nicht jede Krebsdiagnose bedeutet zwangsläufig, dass der Patient statistisch gesehen ein erhöhtes Sterberisiko hat. Die statistische Größe des „relativen Überlebens“ kann helfen, Patienten Mut zu machen und, sofern angemessen, die Akzeptanz einer aktiven Überwachung zu steigern.

Von Dr. Elke Oberhofer Veröffentlicht:
Statistiken zum relativen Überleben können dazu beitragen, Ängste abzubauen. (Symbolbild mit Fotomodellen)

Statistiken zum relativen Überleben können dazu beitragen, Ängste abzubauen. (Symbolbild mit Fotomodellen)

© Peera / stock.adobe.com

New York. Wenn man mit einem Krebspatienten über dessen Überlebenschancen spricht, kann es hilfreich sein, die statistische Größe des „relativen Überlebens“ ins Spiel zu bringen, vor allem wenn es sich um einen Tumor im Frühstadium handelt, der als Zufallsbefund oder bei einer Screening-Untersuchung entdeckt wurde.

Ein Forscherteam vom Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York hat aus dem SEER-Programm, einer großen US-amerikanischen Krebsdatenbank, die Daten von 281 970 Patienten herausgegriffen, bei denen zwischen 2004 und 2015 eine von zehn Tumorarten, vom Bronchialkarzinom bis zum Melanom, im Frühstadium diagnostiziert worden war. Anhand dieser Fälle verglichen sie das relative mit dem krankheitsspezifischen Überleben (JAMA Internal Med 2019; online 9. Dezember).

  • Das relative Überleben entspricht der Überlebenswahrscheinlichkeit von Krebspatienten im Vergleich zu einer nach Alter, Geschlecht und ethnischer Zugehörigkeit angepassten, nicht an Krebs erkrankten Kohorte in einem festgelegten Zeitraum.
  • Das krankheitsspezifische Überleben ist der Anteil von Patienten, der innerhalb eines bestimmten Zeitraums nicht an der jeweiligen Erkrankung stirbt, wobei andere Todesursachen von der Berechnung ausgenommen werden.

Überraschendes Ergebnis

Was erstaunte: In Bezug auf fünf Tumorarten waren die relativen Überlebensraten über zehn Jahre nicht nur höher als die krankheitsspezifischen, sondern überstiegen sogar die 100 Prozent-Marke: Dies traf für Brustkrebs allgemein und das DCIS (duktales Carcinoma in situ) im Besonderen zu, ferner für Patienten mit Prostatakarzinom vom Gleason-Grad 1 sowie für Schilddrüsenkarzinome und für das Melanom, jeweils im Stadium I.

„Dies zeigt, dass nicht jede Krebsdiagnose statistisch gesehen den frühzeitigen Tod bedeutet“, erläutern Dr. Andrea Marcadis und Kollegen. Zuweilen sei sogar das Gegenteil der Fall: Es könne bedeuten, dass ein gesund lebender und gesundheitsbewusster Mensch, der an Screening-Untersuchungen teilnimmt, und bei dem dann eine Krebserkrankung in einem frühen Stadium festgestellt wird, unter Umständen sogar einen Überlebensvorteil gegenüber der Allgemeinbevölkerung hat. Die Krebserkrankung schlage dann für das Überleben vielleicht weniger zu Buche als der positive Effekt des bisherigen gesundheitsbewussten Lebensstils.

Umgekehrt könne es natürlich auch sein, dass ein Faktor wie Rauchen das Risiko erhöhe, an einer anderen damit assoziierten Erkrankung, etwa einem Herzinfarkt, zu sterben. Tatsächlich fielen die relativen Überlebensraten für Lungenkrebs, für das Harnblasenkarzinom sowie für die Gruppe der oropharyngealen Karzinome, die alle ebenfalls mit Rauchen in Zusammenhang stehen, in der Studie schlechter aus als die entsprechenden krankheitsspezifischen Überlebensraten. Für Patienten mit Frühformen von Pankreas- oder Hodenkrebs waren die Raten gleich.

Patienten Mut machen

Mit diesen Ergebnissen wollen die Forscher Patienten Mut machen, die mit einer (im Frühstadium gestellten) Krebsdiagnose hadern. Solche Statistiken könnten dazu beitragen, Ängste abzubauen und Depressionen abzumildern, so Marcadis und Kollegen.

Unter Umständen könne man damit auch der „aktiven Überwachung“ (active surveillance) Türen öffnen. Diese sei bei Prostatakarzinompatienten bereits als Therapieoption akzeptiert; für das Schilddrüsenkarzinom werde sie zunehmend angeboten und beim DCIS zumindest diskutiert. „Wenn es um Überlebensraten geht, knüpfen viele Patienten ihre Erwartung an die 100 Prozent und fordern, dass man unbedingt interveniert, wenn sie der Meinung sind, dass ihre Gesundheit auf dem Spiel steht“, so Marcadis und Kollegen. Das relative Überleben könne den Patienten helfen, sich mit ihren Erwartungen neu zu orientieren, indem man ihnen einen Vergleich mit nicht an Krebs erkrankten Menschen liefere.

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