HINTERGRUND

Es gibt neue Hinweise, daß Sonnencreme nur einen vermeintlichen Schutz vor Melanomen bietet

Von Angela Speth Veröffentlicht:

Sonne satt? Warum nicht, man kann sich ja durch Sonnencreme vor Hautkrebs schützen! So denken die meisten und wiegen sich in Sicherheit, zumal sie bei richtiger Anwendung von Sonnencreme keinen Sonnenbrand kriegen. Diese Sorglosigkeit wird nun durch eine Tübinger Studie erschüttert: Demnach beugt das Eincremen zwar Hautkrebsarten mit eher günstiger Prognose vor, nicht aber Leberflecken, aus denen sich häufig ein malignes Melanom entwickelt. Und dieses verläuft oft tödlich, wenn es zu spät erkannt wird.

Als "erschütternden Befund zur Sommer- und Urlaubszeit", hat der Autor der Studie, Dr. Jürgen Bauer von der Universitätshautklinik Tübingen, diese Erkenntnis bezeichnet.

Angedeutet hat sich dieses Ergebnis bereits in früheren Studien, jetzt haben Bauer und seine Kollegen es in einer weiteren Studie bestätigt. Dazu haben sie bei 1232 Kindern im Alter zwischen drei und sieben Jahren zweimal - im Abstand von drei Jahren - die Leberflecke gezählt. Außerdem wurden Fragebögen an die Eltern verteilt, mit der Bitte um Angaben zu Urlaubszielen, Dauer des Aufenthalts im Freien und Maßnahmen zum Sonnenschutz.

Vor allem Hellhäutige bekommen melanozytäre Nävi

Die Ergebnisse: Die Zahl der melanozytären Nävi nahm bei allen Kindern im Untersuchungszeitraum zu, fast linear mit dem Alter und umso rascher, je mehr sie sich in der Sonne aufhielten. Besonders häufig waren diese Nävi bei Kindern mit heller Haut, hellen Augen und hellen Haaren.

Dabei läßt nicht nur die zeitweilig hohe Sonneneinstrahlung im Urlaub die Pigmentmale sprießen, sondern auch eine langfristig niedrige Exposition, wie sie auf Kinder einwirkt, wenn sie hier viel draußen spielen oder im Freibad plantschen. Außerdem: Kinder, die viel mit Sonnencreme eingerieben wurden, hatten sogar etwas mehr Leberflecken als andere Kinder.

Leberflecken erhöhen Risiko für malignes Melanom

Aus früheren Studien ist bekannt, daß Leberflecken mit einem erhöhten Risiko für maligne Melanome verknüpft sind. Bei Kindern ist diese Erkrankung zwar selten, aber da Leberflecken dauerhaft bleiben, werden aus Kindern mit vielen Leberflecken Erwachsene mit vielen Leberflecken und somit erhöhtem Melanomrisiko.

Eincremen verleiht nur einen vermeintlichen Schutz. "Die Leute bleiben danach oft stundenlang bedenkenlos in der Sonne, denn sie kriegen ja keinen Sonnenbrand", sagte der Tübinger Dermatologe.

Durch Eincremen offenbar weniger Basalzell-Karzinome

Zwar wirkt Eincremen der Entstehung von Basalzell- und Plattenepithelkarzinomen entgegen, aber diese Geschwulste sind eigentlich gar nicht so besorgniserregend, weil sie erst spät metastasieren. Hochgradig gefährlich dagegen ist das maligne Melanom, das bereits recht früh Absiedlungen bilden kann. Warum Menschen mit vielen Leberflecken - gutartigen Ansammlungen von Pigmentzellen (Melanozyten) - gehäuft am malignen Melanom erkranken, ist noch unklar.

Als Grund für den lückenhaften Schutz von Sonnencremes vermutet Bauer deren ungleiche Ausstattung mit UVA- und UVB-Filtern. An einem Beispiel rechnet er vor: Eine Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor (LSF) 40 für UVB hat für UVA bei australischem Standard vergleichsweise bloß einen LSF von etwa 10.

Dieser Mangel wird durch eine nicht sachgerechte Anwendung noch verstärkt: Laut Definition müßte man zwei Milligramm Creme pro Quadratzentimeter Haut auftragen, also etwa 40 Gramm für den ganzen Körper, und das mehrmals, an einem Tag am Strand also fast eine ganze Flasche.

Bauer: "Der UVA-Schutz ist bei den meisten Produkten mickrig, aber das merkt niemand, weil der Sonnenbrand, der ja auch ein Warnsignal ist, ausbleibt."

Daher behalten die herkömmlichen Regeln ihren hohen Stellenwert:

  • selbst eingecremt nicht lange in der Sonne bleiben,
  • vor allem die Mittagssonne meiden,
  • Hut und langärmelige T-Shirts mit dicht gewebtem Stoff, eventuell mit eingearbeiteten UV-Filtern tragen
  • - und Sonnencremes kaufen, die einen möglichst hohen UVA-Schutz haben.
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