Gesundheitspolitik

Europäischer Kampf gegen Diabetes

Die Deutsche Diabetes Gesellschaft ruft alle Diabetes-Experten in Europa auf, ein gemeinsames Positionspapier zu formulieren, damit die Politik angesichts des menschlichen Leids und der enormen Folgekosten durch Diabetes mit konkreten Maßnahmen reagiert.

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BERLIN. Jeder zehnte Europäer leidet an Diabetes, schätzungsweise 60 Millionen Menschen sind insgesamt betroffen: Tendenz weiter steigend. Um Prävention und Versorgung zu verbessern, wollen Wissenschaftler, Ärzte und Betroffene künftig länderübergreifende Anstrengungen unternehmen.

Zu diesem Zweck wurde das "European Diabetes Forum" (EUDF) ins Leben gerufen. Die Gründung fand zu Monatsbeginn im Rahmen des 54. Jahrestreffens der European Association for the Study of Diabetes (EASD) statt, bei dem die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) zu einer "Night of Nations" eingeladen hatte.

"Wir rufen alle Diabetes-Experten in Europa auf, ein gemeinsames Positionspapier für Brüssel zu formulieren", sagte Professor Dirk Müller-Wieland, Präsident der DDG. Die Politik müsse angesichts des menschlichen Leids und der enormen sozio-ökonomischen Folgekosten, die durch Diabetes entstehen, mit konkreten Maßnahmen reagieren.

Gesundheitssysteme überfordert

Zu den 60 Millionen diabeteskranken Europäern kommen schon heute schätzungsweise weitere 22 Millionen Betroffene hinzu, deren Diabetes noch nicht diagnostiziert ist.

Im Jahr 2045 wird die Anzahl der Erkrankten in Europa voraussichtlich auf 81 Millionen anwachsen. "Die Gesundheitssysteme sind gegenwärtig schlecht aufgestellt, um dieser wachsenden Pandemie effektiv zu begegnen", stellt das EUDF in seinem Grundsatzpapier "A Call to Action" fest.

Derzeit werden für die Diabetesbehandlung zwölf Prozent der Gesundheitsausgaben aufgewandt. Alle sechs Sekunden stirbt ein Patient an den Folgen seiner Erkrankung, vor allem an Herzinfarkt und Schlaganfall. "Die Diabetesversorgung muss kontinuierlich verbessert und modernisiert werden, angestoßen durch politische Maßnahmen", fordern die Vertreter des neu gegründeten EUDF.

Neue klinische Empfehlungen

Versorgung und translationale Forschung ließen sich beispielsweise durch eine bessere Nutzung von Forschungsergebnissen und digitaler Daten weiterentwickeln, betonte Müller-Wieland bei der "Night of Nations". Schon heute ließen sich daraus zielgerichtetere Erkenntnisse für Diagnostik und Therapie der Patienten ableiten.

So hätten EASD und die American Diabetes Association (ADA) jüngst aufgrund verschiedener Studienergebnisse in einem Konsenspapier neue klinische Empfehlungen zur Behandlung des Diabetes Typ-2 verabschiedet. "Künftig sollen kardiovaskuläre Risiken stärker berücksichtigt werden", berichtet Müller-Wieland.

Zwar bliebe Metformin zur Behandlung des Diabetes Typ-2 erstes Mittel der Wahl. Reichten die Tabletten nicht mehr aus, seien jedoch unter bestimmten Voraussetzungen injizierbare GLP-1-Agonisten oder SGLT2-Hemmer dem Insulin vorzuziehen.

"Für einige dieser Medikamente ist belegt, dass sie die kardiovaskuläre Sterblichkeit deutlich reduzieren", sagte Müller-Wieland. Zudem müsse Big Data verstärkt genutzt werden.

Das wurde bei einer Diskussion der DDG zum Umgang mit innovativen Technologien in der Diabetologie deutlich, an der auch Vertreter des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte teilnahmen.

Bündeln und intelligent vernetzen

Nur wenn alle verfügbaren Patientendaten aus Forschung, Versorgung und Präventionsprogrammen gebündelt, intelligent vernetzt und ausgewertet würden, könne sich die Qualität der Patientenversorgung weiter stark verbessern.

Klinische Verläufe, neue Krankheitszusammenhänge und Risikopatienten würden sich dank Digitalisierung besser erkennen lassen. "Für Patienten bedeutet das, dass Krankheiten frühzeitig entdeckt, zielgerichteter behandelt oder gar vermieden werden könnten", betonte der DDG-Präsident.

"Darüber hinaus muss durch bevölkerungsweite Präventionsmaßnahmen verhindert werden, dass immer mehr Menschen an Diabetes Typ-2 erkranken", forderte Barbara Bitzer, Geschäftsführerin der DDG. Hierzu halte die Fachgesellschaft eine erhöhte Steuer auf hochkalorische Produkte bei gleichzeitiger Steuerentlastung gesunder Lebensmittel für die effektivste Maßnahme.

Zudem sollten ein Verbot von an Kinder gerichteter Lebensmittelwerbung, verbindliche Standards für die Verpflegung in Kitas und Schulen sowie eine tägliche verpflichtende Stunde Schulsport etabliert werden. (eb)

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