Aktivität im Freien toppt Arznei

So werden Demenzkranke ruhig

Viel Aktivität draußen, Berührung, Massage und Musik beruhigen agitierte und aggressive Demenzkranke wirksamer als Medikamente. Darauf deuten Resultate einer großen Netzwerkanalyse.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Älterer Mann in der Natur: Bei Demenz hilft frische Luft besonders gut, so eine Untersuchung aus Kanada. (Symbolbild mit Fotomodell)

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© Khaligo / stock.adobe.com

Toronto. Gegen Ängste und Aggressionen von Demenzpatienten scheinen Antipsychotika weniger gut zu wirken als nichtpharmakologische Ansätze. Das ist das Ergebnis einer Netzwerk-Metaanalyse von 163 Studien mit über 23 000 Demenzkranken (Ann Intern Med 2019; online 15. Oktober).

In den Studien wurden pharmakologische und nichtpharmakologische Interventionen zumeist gegen Placebo oder die übliche Betreuung verglichen. Anhand der Effektstärken zogen die Forscher um Dr. Jennifer Watt von der Universität in Toronto auch indirekte Vergleiche zwischen den einzelnen Interventionen. Als Maß für die Effektstärke wählten sie die standardisierte mittlere Differenz (SMD). Interventionen mit SMD-Werten unter 0,3 gelten als gering, über 0,7 als stark, dazwischen als moderat wirksam.

Moderate bis starke Effekte

Für die meisten Interventionen zeigten sich moderate bis starke Effekte, wenn sie gegen Placebo oder die übliche Betreuung verglichen wurden. So fanden die Forscher eine SMD von 1,2 für Antipsychotika, von 1,5 für Cannabinoide und von 1,1 für Memantine. Teilweise deutlich höhere Effektstärken wurden jedoch durch Aktivitäten im Freien (SMD 1,8), eine kombinierte Musik- und Massagetherapie (SMD 1,7) oder eine alleinige Massage- und Berührungstherapie (SMD 1,5) erzielt, jeweils bezogen auf den kombinierten Endpunkt Aggression und Agitation.

In der indirekten Analyse ergab sich für Aktivitäten im Freien ein höherer Nutzen gegen körperliche Aggression als für eine Antipsychotikatherapie. Lebensstilmodifikationen, Massage- und Berührungstherapien zeigten ebenso wie Aktivitäten im Freien bei diesem Punkt eine höhere Effektstärke als eine Betreuer-Edukation. Ähnliche Resultate fanden sich auch mit Blick auf verbale Aggressionen. Massage- und Berührungstherapien scheinen auch hier wirksamer zu sein als eine Betreuer-Edukation. Keine der nichtpharmakologischen Interventionen schien jedoch die verbale Agitation effektiv zu lindern, hier deutete sich lediglich ein Vorteil für Antikonvulsiva an.

Aktivität im Freien auf dem ersten Platz

Im Ranking der wirksamsten Interventionen schafften es Aktivitäten im Freien auf den Platz 1 beim kombinierten Endpunkt Aggression und Agitation. Das war auch bei der isoliert betrachteten körperlichen Aggression der Fall. Den Spitzenplatz bei der Wirkung auf verbale Aggression teilten sich Aktivitäten im Freien mit Massage- und Berührungstherapien, gegen körperliche Agitation scheinen körperliche Aktivität und Lebensstilmodifikationen am besten zu wirken.

Insgesamt zeigten in den meisten Subanalysen nichtpharmakologische Interventionen die beste Wirksamkeit, schlussfolgern die Autoren.

Leitlinien raten ja primär zu nichtpharmakologischen Interventionen, in der Praxis erhalten agitierte und aggressive Demenz-Patienten jedoch häufig Antipsychotika, nicht zuletzt aufgrund begrenzter personeller Ressourcen. Solche Arzneien sind jedoch mit einem erhöhten Sterbe-, Sturz- und Frakturrisiko verbunden, erinnern Watt und Kollegen.

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