Realitätverlust
Gestörtes Körperbild durch Selfies?
Forscher befürchten, dass die allgegenwärtigen, retuschierten Selfies körperdysmorphe Störung fördern könnten. "Die Bilder wecken die Erwartung, dass wir immer perfekt herausgeputzt aussehen müssen", so deren Einwand.
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Früh übt sich: Schon Kinder posen heute oft für selbt geschossene Fotos. Experten fürchten, dass sie ein falsches Körperbild entwickeln.
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BOSTON. Digital aufgehübschte Selfies in sozialen Netzwerken können Nutzer verunsichern und sogar zur Störung der eigenen Körperwahrnehmung führen. Davor warnen US-Mediziner von der Boston University School of Medicine (JAMA Facial Plast Surg 2018; online 2. August).
Die Vorstellung von Schönheit verändere sich weltweit, weil heutzutage jeder seine Bilder und Selfies mit Smartphone-Apps bearbeiten könne, schreiben die Forscher. Dabei wird beispielsweise die Haut schöner gemacht, die Gesichts- und Augenfarbe wird ausdrucksstärker und die Zähne weißer. Solche Bildmanipulationen waren früher hauptsächlich in der Werbung zu finden.
Gefahr: Realitätverlust?
"Bearbeitete Selfies können dazu führen, dass Menschen den Bezug zur Realität verlieren", sagt Forscherin Dr. Neelam Vashi laut einer Mitteilung ihrer Universität. "Die Bilder wecken die Erwartung, dass wir immer perfekt herausgeputzt aussehen müssen."
Die Wissenschaftler um Vashi verweisen auf eine aktuelle Befragung von plastischen Chirurgen rund um den Globus. Demnach geben 55 Prozent an, dass sie von Patienten um eine Op gebeten werden, die ihre Erscheinung in Selfies verbessern wollen. 2015 habe dieser Wert noch bei 42 Prozent gelegen.
Schönheits-Op-Patienten wollen den Medizinern zufolge nicht mehr so häufig aussehen wie Stars, sondern wie retuschierte Versionen von sich selbst, mit volleren Lippen, größeren Augen oder einer schlankeren Nase.
Körperdysmorphe Störung als Konsequenz
Vashi und Kollegen schreiben, dass die allgegenwärtigen retuschierten Bilder das Selbstwertgefühl mancher Nutzer beeinträchtigen können. Es kann sogar zu einer körperdysmorphen Störung führen.
Betroffene beschäftigen sich oft stundenlang mit einem körperlichen Makel, den man objektiv nicht als solchen erkennt oder der sehr gering ausgeprägt ist. Als Folge ziehen sich die Betroffenen sozial oder beruflich oft zurück. (dpa)