Interview

Hautkrebs: Die Mittagssonne meiden ist die halbe Miete

Heute beginnt die Euromelanoma-Woche und es gibt eine gute Nachricht: Bei der Vorsorge hat sich in Deutschland einiges bewegt. Der Leiter der Europäischen Hautkrebsstiftung, Professor Eggert Stockfleth, zieht im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung" eine positive Zwischenbilanz.

Veröffentlicht:
Sonne ja, aber in Maßen und mit ausreichend Sonnenschutz.

Sonne ja, aber in Maßen und mit ausreichend Sonnenschutz.

© dpa

Ärzte Zeitung: Sehen Sie schon Erfolge der gestiegenen Bemühungen um die Hautkrebsfrüherkennung?

Professor Eggert Stockfleth: Die sehe ich definitiv. Das Wissen um den Hautkrebs und speziell um die Risiken der ungeschützten Sonnenexposition nimmt zu, gerade auch bei Eltern. Mit der Gesetzgebung zu den Solarien hat sich die Politik des Themas zumindest teilweise angenommen. Und beim Hautkrebsscreening haben wir, wie ich finde, ganz ordentliche Teilnahmeraten. Wir kommen also voran.

Professor Eggert Stockfleth

Aktuelle Positionen: Leiter des Hauttumorcentrums Charité in Berlin, Leiter der Europäischen Hautkrebsstiftung in Berlin sowie Stellvertretender Direktor der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der Charité in Berlin.

Ärzte Zeitung: Was sind die aktuellen Zahlen zur Inzidenz des "schwarzen" und des "weißen Hautkrebses"?

Stockfleth: Wir haben im Moment insgesamt 24.000 Neumanifestationen von malignen Melanomen und ungefähr 200.000 Patienten mit neu diagnostiziertem hellem Hautkrebs pro Jahr. Die Zahlen steigen derzeit um etwa fünf Prozent pro Jahr.

Hautkrebs entwickelt sich über Jahre und Jahrzehnte. Die Menschen, die nach dem Wirtschaftswunder anfingen, regelmäßig in den Süden zu fahren, entwickeln jetzt Hautkrebs.

Weil wir über so lange Zeiträume sprechen, wird es eine Weile dauern, bis sich die Erfolge der Hautkrebsvorsorge auch in den Zahlen widerspiegeln.

Ärzte Zeitung: Sie haben die Solarien angesprochen. Wird das gesetzliche Verbot der Nutzung von Solarien für Kinder unter 18 Jahren in der Praxis auch umgesetzt?

Stockfleth: Ich habe schon den Eindruck. Die anonymen Münzsolarien sind weitgehend verschwunden. Dazu kommt, dass das Personal jetzt mit Blick auf Dosierungspläne und maximale Bestrahlungsstärken sehr viel besser ausgebildet wird. Dieser Prozess ist noch im Gang. Es hat sich also etwas bewegt.

Wir sollten aber trotzdem immer wieder daran erinnern: Wer sich zehn Minuten lang in ein nicht-zertifiziertes Solarium legt, bekommt doppelt so viel UV-Licht ab wie in der gleichen Zeit am Äquator. Jeder Mensch baut im Laufe des Lebens sein persönliches UV-Konto auf. Was da einmal drauf ist, bleibt drauf. Daher ist es so wichtig, sich zu schützen, gerade in jungen Jahren.

Ärzte Zeitung: Seit einigen Jahren wird in Deutschland das Hautkrebsscreening über die gesetzliche Krankenversicherung angeboten. Wie ist die bisherige Bilanz?

Stockfleth: Wir haben Teilnahmeraten von etwa 35 Prozent der berechtigten Personen. Ich persönlich finde das relativ viel, aber da gibt es natürlich auch andere Meinungen. In jedem Fall ist das deutsche Hautkrebsscreening weltweit einzigartig in seiner Breite. Da können wir schon stolz drauf sein.

Ärzte Zeitung: Welche Bedeutung haben innovative Methoden wie die (Video-)Dermatoskopie?

Stockfleth: Das Entscheidende beim Screening ist die Inspektion mit bloßem Auge. Darüber hinaus gehende Methoden können bei hohem Risiko hilfreich sein, etwa bei einer positiven Familienanamnese für das maligne Melanom oder bei mehr als fünfzig auffälligen Pigmentflecken. Ein regulärer Bestandteil des Screenings sind die dermatoskopischen Methoden aber nicht.

Ärzte Zeitung: Der Sommer kommt. Welchen Sonnenschutz empfehlen Sie für Kinder und für Erwachsene?

Stockfleth: Bei der Sonnencreme sollte ein Lichtschutzfaktor von mindestens 25 gewählt werden. Günstig sind Produkte mit Dosierspender, denn viele Menschen tragen nur ein Viertel dessen auf, was sie eigentlich auftragen sollten. Was die Art der Mittel angeht, empfehlen wir für Erwachsene die liposomalen Mittel, weil sie eine Zeitlang in der Haut verbleiben und damit einen längeren Schutz bieten.

Bei Kindern sollten speziell für Kinder zugelassene Sonnencremes verwendet werden, die weniger mit chemischen Filtern als mit dem "Weißeleffekt" arbeiten. Sonnenschutz hat aber auch noch andere Facetten. Ganz wichtig ist, dass gerade Kinder möglichst zwischen 11 und 15 Uhr nicht in der prallen Sonne spielen.

Allein diese Maßnahme reduziert die Sonnenexposition um 75 Prozent. Diese Empfehlung ist auch ein wichtiger Bestandteil bei unserem Kindergartenprojekt, bei dem wir mittlerweile über 100 Kindergärten gezielt in Sachen Sonnenschutz beraten haben.

Ärzte Zeitung: Wie hilfreich ist es, beim Baden das T-Shirt anzulassen?

Stockfleth: Ein weißes T-Shirt, das nass ist, lässt die UV-Strahlung nahezu ungehindert durch. Das bringt also nichts. Was dagegen sehr hilfreich ist, sind spezielle, vor UV-Licht schützende Badesachen. Die trocknen innerhalb von Minuten und bieten einen guten Schutz für die bedeckten Areale. Das würde ich auf jeden Fall empfehlen.

Das Gespräch führte Philipp Grätzel von Grätz

Lesen Sie dazu auch: Hautkrebs? Bitte genau hingucken!

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Maternale und neonatale Komplikationen

Frühe Melanome bilden wohl kein erhöhtes Risiko für Schwangere

Randomisierter Vergleich

Bei inoperabler Lentigo maligna: Imiquimod oder Strahlentherapie?

Das könnte Sie auch interessieren
Alarmierender Anstieg: Hautpilz aus dem Barbershop

© David Pereiras | iStock (Symboldbild mit Fotomodell)

Dermatomykosen

Alarmierender Anstieg: Hautpilz aus dem Barbershop

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Effektive Therapie von Nagelpilz: Canesten® EXTRA Nagelset

© Irina Tiumentseva | iStock

Onychomykosen

Effektive Therapie von Nagelpilz: Canesten® EXTRA Nagelset

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Symptome, Ursachen und Therapie

© Evgeniya Markina | iStock (Symbolbild mit Fotomodell)

Trockene Augen

Symptome, Ursachen und Therapie

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Arzneimittelbasierte Wundsalben

© AndreyPopov | iStock

Optimale Wundheilung

Arzneimittelbasierte Wundsalben

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Erhöhtes Risiko für immunvermittelte Hautkrankheiten

© supawat bursuk | iStock

Übergewicht bei Kindern

Erhöhtes Risiko für immunvermittelte Hautkrankheiten

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Abb. 1: Risikoreduktion durch Bempedoinsäure gegenüber Placebo in der CLEAR-Outcomes-Studie für den primären 4-Komponenten-Endpunkt (A) und den sekundären 3-Komponenten-Endpunkt (B) stratifiziert nach Diabetes-Status

© Springer Medizin Verlag

Diabetes mellitus

Bempedoinsäure: Benefit für Hochrisiko-Kollektive

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Daiichi Sankyo Deutschland GmbH, München
Abb. 1: Studie DECLARE-TIMI 58: primärer Endpunkt „kardiovaskulärer Tod oder Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz“ in der Gesamtkohorte

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [4]

Diabetes mellitus Typ 2

Diabetes mellitus Typ 2 Präventiv statt reaktiv: Bei Typ-2-Diabetes mit Risikokonstellation Folgeerkrankungen verhindern

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg
Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

© Springer Medizin Verlag

Unternehmen im Fokus

Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Advanz Pharma GmbH, München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Risikofaktoren identifiziert

Für wen könnten Harnwegsinfekte gefährlich werden?

Systematisches Review und Metaanalyse

Antidepressiva absetzen: Welche Strategie ist am wirksamsten?

Metaanalyse

Subjektive Krankheitsbelastung bei Krebs prognostisch relevant

Lesetipps
Übersichtsarbeit: Wie wirken Hochdosis-, rekombinante und mRNA-Vakzinen verglichen mit dem Standardimpfstoff?

© Sasa Visual / stock.adobe.com

Übersichtsarbeit zu Grippeimpfstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Serotoninkristalle, die ein Muster ergeben.

© Michael W. Davidson / Science Photo Library

Für wen passt was?

Therapie mit Antidepressiva: Auf die Nebenwirkungen kommt es an