Diabetestherapie

Höherer HbA1c auch im Alter eine Gefahr

Die HbA1c-Ziele sind für ältere Typ-2-Diabetiker weniger strikt als für jüngere. Nach US-Daten geht aber auch bei ihnen ein Wert über 8 Prozent mit erhöhter Sterblichkeit einher.

Von Beate Schumacher Veröffentlicht:
Blutabnahme zur HbA1c-Messung: Der Zielwert ist individuell anzupassen.

Blutabnahme zur HbA1c-Messung: Der Zielwert ist individuell anzupassen.

© Mathias Ernert, Urologische Praxis Soder, Heidelberg

BALTIMORE. Die Ergebnisse der Studien ACCORD und VADT – erhöhte beziehungsweise unveränderte Mortalität bei aggressiver Blutzuckersenkung – haben dazu geführt, dass die HbA1c-Vorgaben für ältere Diabetiker in praktisch allen Leitlinien gelockert wurden.

In der Nationalen Versorgungsleitlinie wird für sie generell ein HbA1c-Zielbereich von 7 bis 8 Prozent empfohlen. Bei gutem Allgemeinzustand und kurzer Diabetesdauer soll dies eher in Richtung 7 bis 7,5 Prozent gehen, bei Multimorbidität und kürzerer Lebenserwartung werden dagegen auch Werte über 8 Prozent als tolerabel angesehen.

Rückenwind erhalten diese Empfehlungen aus einer Studie, die den Zusammenhang zwischen HbA1c und Mortalität im Alter ab 65 in zwei großen US-amerikanischen Kohorten analysiert hat.

Wie die Studienautoren um Priya Palta von der Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health in Baltimore berichten, ließ sich bei Werten über 8 Prozent insgesamt eine signifikante Zunahme der Sterblichkeit feststellen. Dies galt besonders bei begleitender kardiovaskulärer Erkrankung, jedoch nicht im Alter über 75.

Die Mediziner haben die Daten von 7333 Teilnehmern über 65 Jahren der Kohorten NHANES III und Continous NHANES ausgewertet, darunter 1279 mit einem diagnostizierten Diabetes (Diabetes Care 2017; 40: 453–460). Während der Beobachtungszeit von median knapp neun Jahren starben 4729 Teilnehmer.

Deutlich höheres Risiko

Im Vergleich zu Diabetikern mit einem HbA1c< 6,5 Prozent hatten Patienten ab einem Wert von 8 Prozent ein deutlich erhöhtes Risiko, während des Follow-up zu sterben: Bei 8,0–8,9 Prozent war ein Plus von 60 Prozent, ab 9,0 Prozent von 80 Prozent zu verzeichnen. Die kardiovaskuläre Mortalität stieg dagegen erst ab Werten über 9,0 Prozent, und zwar um 150 Prozent.

In der Altersgruppe von 65 bis 74 war das Sterberisiko bei HbA1c-Werten von 8,0 bis 8,9 Prozent und > 9,0 Prozent jeweils doppelt so hoch wie bei einem Wert < 6,5 Prozent. Dagegen hatte im Alter ab 75 Jahren selbst ein HbA1c> 9 Prozent keinen Einfluss auf die Mortalität.

Besonders ausgeprägt war die HbA1c-abhängige Steigerung der Gesamtmortalität bei Frauen und bei kardiovaskulärer Komorbidität, mit einer Verdrei- beziehungsweise Vervierfachung des Risikos bei einem HbA1c zwischen 8,0 und 8,9 Prozent.

Im Vergleich zu Nichtdiabetikern mit einem HbA1c von 5,0 bis 5,6 Prozent war bei Diabetikern mit sich verschlechternder Blutzuckerkontrolle ein kontinuierlicher Anstieg des Sterberisikos festzustellen: Bei HbA1c-Werten von < 6,5 Prozent, 6,5–6,9 Prozent, 7,0–7,9 Prozent, 8,0–8,9 Prozent und > 9,0 Prozent lag es um 30, 60, 60, 120 und 160 Prozent höher. Die kardiovaskuläre und die Krebssterblichkeit waren auch in diesem Vergleich erst ab Werten von 9,0 beziehungsweise 8,0–8,9 Prozent erhöht (+220 und +170 Prozent).

Glykämische Kontrolle wichtig

"Unsere Ergebnisse stützen die Vorstellung, dass eine bessere glykämische Kontrolle wichtig ist, um die Sterblichkeit zu senken", schreiben Palta und Kollegen. Dementsprechend sei es sinnvoll, bei gesünderen älteren Diabetikern einen HbA1c unter 8 Prozent anzustreben.

Angesichts der differierenden Ergebnisse in verschiedenen Patientensubgruppen und der widerspüchlichen Datenlage bestehe allerdings auch die Notwendigkeit, das Therapieziel in Abhängigkeit von Restlebenserwartung und Begleiterkrankungen individuell anzupassen.

Ihr Newsletter zum Thema
Lesen sie auch
Mehr zum Thema

Zwei Phase-III-Studien gescheitert

Semaglutid offenbar wirkungslos gegen Alzheimer

Einteilung in fünf Gruppen

Diabetes: Risiken für Komorbiditäten vom Subtyp abhängig

Diabetes mellitus

Bempedoinsäure: Benefit für Hochrisiko-Kollektive

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Daiichi Sankyo Deutschland GmbH, München
Das könnte Sie auch interessieren
Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

© Aleksandr | colourbox.de

Fatal verkannt

Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

© polkadot - stock.adobe.com

Vitamin-B12-Mangel

Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
B12-Mangel durch PPI & Metformin

© Pixel-Shot - stock.adobe.com

Achtung Vitamin-Falle

B12-Mangel durch PPI & Metformin

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Abb. 1: Risikoreduktion durch Bempedoinsäure gegenüber Placebo in der CLEAR-Outcomes-Studie für den primären 4-Komponenten-Endpunkt (A) und den sekundären 3-Komponenten-Endpunkt (B) stratifiziert nach Diabetes-Status

© Springer Medizin Verlag

Diabetes mellitus

Bempedoinsäure: Benefit für Hochrisiko-Kollektive

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Daiichi Sankyo Deutschland GmbH, München
Porträts: [M] Feldkamp; Luster | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

© Portraits: [M] Feldkamp; Luster | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

„ÄrzteTag extra“-Podcast

Die Schilddrüse tickt in jedem Lebensalter anders

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, Frankfurt am Main
Abb. 1: Studie DECLARE-TIMI 58: primärer Endpunkt „kardiovaskulärer Tod oder Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz“ in der Gesamtkohorte

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [4]

Diabetes mellitus Typ 2

Diabetes mellitus Typ 2 Präventiv statt reaktiv: Bei Typ-2-Diabetes mit Risikokonstellation Folgeerkrankungen verhindern

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Übersichtsarbeit zu Grippeimpfstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Lesetipps
Sieht lecker aus und schmeckt — doch die in Fertigprodukten oft enthaltenen Emulgatoren wirken proinflammatorisch. Ein No-Go für Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen.

© mit KI generiert / manazil / stock.adobe.com

Emulgatoren in Fertigprodukten

Hilfreich bei Morbus Crohn: Speiseeis & Co. raus aus dem Speiseplan!