Schilddrüse

Hyperthyreose macht die Knochen spröde

Studien liefern Informationen, wie sich ein Zuviel oder ein Zuwenig an Schilddrüsenhormonen auf die Knochen auswirkt. Sicher ist: Ein Zuviel lässt sie mehr brechen – viermal so oft treten Frakturen auf.

Dr. Marlinde LehmannVon Dr. Marlinde Lehmann Veröffentlicht:
Hüftfraktur: Inwieweit ist der Knochenverlust infolge einer Hyperthyreose reversibel, wenn eine Therapie erfolgt?

Hüftfraktur: Inwieweit ist der Knochenverlust infolge einer Hyperthyreose reversibel, wenn eine Therapie erfolgt?

© Springer Medizin Verlag GmbH

Egal, ob es sich um eine latente oder eine manifeste Hyperthyreose handelt: In beiden Fällen haben betroffene Patienten ein erhöhtes Risiko für Hüft- und Wirbelkörperfrakturen. Liegt bei latenter Hyperthyreose der Steigerungsfaktor zwischen dem 2- und 3,5-Fachen, ist bei manifester Erkrankung von einem etwa 4-fach erhöhtem Risiko für Frakturen auszugehen, berichten Dr. Elena Tsourdi und Dr. Franziska Lademann, beide Uniklinikum Dresden, sowie Professor Heide Siggelkow, MVZ Endokrinologikum Göttingen (Der Internist 2018; 7: 661-666).

Die drei Kolleginnen stützen sich bei ihren Angaben auf aktuelle Studien und Metaanalysen, die sie für eine Bestandsaufnahme zu Auswirkungen von Schilddrüsenfunktionsstörungen auf den Knochen gesichtet haben. Die Gesamtinterpretation aller Ergebnisse, betonen die Kolleginnen, sei dabei schwierig. Der Grund: heterogene Studiendesigns, patientenspezifische Faktoren sowie unterschiedliche Endpunktanalysen und Nachbeobachtungsintervalle.

Zumindest die Ursache des bei latenter und manifester Hyperthyreose erhöhten Risikos für Hüft- und Wirbelkörperfrakturen ist aber gesichert: „Eine Hyperthyreose steigert den Knochenumsatz, indem sie die Aktivität der Osteoblasten, aber vor allem der Osteoklasten fördert und folglich in einem vermehrten Knochenabbau resultiert“, fassen Tsourdi, Lademann und Siggelkow zusammen.

Die Hyperthyreose gehöre zu den gut etablierten Ursachen einer sekundären Osteoporose beziehungsweise von Fragilitätsfrakturen, erinnern sie. Und: Eine nicht diagnostizierte Hyperthyreose stelle nach wie vor einen großen Risikofaktor für osteoporosebedingte Frakturen dar.

Kann Therapie Knochenverlust umkehren?

Inwieweit ist der Knochenverlust infolge einer Hyperthyreose reversibel, wenn eine Therapie erfolgt? Auch dazu gibt es bereits Daten aus Studien, die Ergebnisse seien aber heterogen, schreiben Tsourdi, Lademann und Siggelkow . Eine Metaanalyse habe zum Beispiel ergeben, dass die Knochenmineraldichte (BMD, bone mineral density) ein bis vier Jahre nach Behandlung der altersentsprechender Kontrollen ähnlich war.

Eine andere Studie habe dagegen keine vollständige Reversibilität ergeben. „Bei den meisten Patienten mit manifester oder latenter Hyperthyreose führt die Wiederherstellung einer euthyreoten Situation zu einer Normalisierung der BMD“, resümieren die drei Kolleginnen.

Für die Situation der Unterfunktion der Schilddrüse – ob latent oder manifest – existierten bis dato keine guten prospektiven Daten, welche die skeletalen Konsequenzen bei Erwachsenen belegten, so Tsourdi, Lademann und Siggelkow in ihrer Übersichtsarbeit.

Histomorphometrische Analysen aus Beckenkammknochen-Biopsien hätten ergeben, dass hypothyreote Patienten einen geringen Knochenumsatz mit verminderter Knochenbildung und Knochenresorption haben, der mit einer Zunahme der sekundären Mineralisierung einhergeht.

Nachuntersuchungen erforderlich

Da diese Prozesse sehr langsam verlaufen, wäre eine langfristige prospektive Nachuntersuchung von Patienten mit unbehandelter Hypothyreose erforderlich, um solide Schlussfolgerungen über Veränderungen der BMD und des Frakturrisikos ziehen zu können. In retrospektiven Populationsstudien sei über ein bei Hypothyreose erhöhtes Frakturrisiko berichtet worden, merken die drei Kolleginnen an.

Eine besondere Patientengruppe sind Patienten mit einem differenzierten Schilddrüsenkarzinom, deren Tumorzellen ja den TSH-Rezeptor exprimieren und deshalb durch TSH zur Proliferation, Jodaufnahme und Thyreoglobulinsekretion stimuliert werden. Eine Therapie mit T4 zur Suppression von TSH kann sich hier in puncto Tumorrezidive und krankheitsspezifische Mortalität positiv auswirken.

Bei prämenopausalen Frauen hat eine TSH-suppressive Therapie nach den Ergebnissen zweier Metaanalysen keinen Effekt auf die BMD an Femur, Lendenwirbel und Radius, wie Tsourdi, Lademann und Siggelkow berichten. Bei postmenopausalen Frauen hätten zwei Metaanalysen dagegen eine Reduktion der BMD um sieben Prozent an der Lendenwirbelsäule und um fünf Prozent am Femur ergeben.

Bei postmenopausalen Frauen mit erhöhtem Frakturrisiko, die wegen eines differenzierten Schilddrüsen-Ca eine langfristige TSH-Suppressionstherapie benötigen, könnten deshalb Bisphosphonate genutzt werden, um einem Knochenverlust vorzubeugen.

Mehr zum Thema

„ÄrzteTag extra“-Podcast

Die Schilddrüse tickt in jedem Lebensalter anders

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, Frankfurt am Main
Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Maximale Vitamin-C-Blutspiegel nach oraler (blau) und parenteraler (orange) Tagesdosis-Gabe.

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Infusion

Parenterale Gabe erzielt hohe Plasmakonzentrationen an Vitamin C

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Porträts: [M] Feldkamp; Luster | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

© Portraits: [M] Feldkamp; Luster | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

„ÄrzteTag extra“-Podcast

Die Schilddrüse tickt in jedem Lebensalter anders

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, Frankfurt am Main
Abb. 1: Studie DECLARE-TIMI 58: primärer Endpunkt „kardiovaskulärer Tod oder Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz“ in der Gesamtkohorte

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [4]

Diabetes mellitus Typ 2

Diabetes mellitus Typ 2 Präventiv statt reaktiv: Bei Typ-2-Diabetes mit Risikokonstellation Folgeerkrankungen verhindern

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg
Porträt: Dr. Jörg Sandmann | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

© Porträt: Dr. Jörg Sandmann | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

„ÄrzteTag extra“-Podcast

Der hypogonadale Patient in der Hausarztpraxis

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Besins Healthcare Germany GmbH, Berlin
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Für die Einarbeitung sollten Neulinge eine feste Ansprechpartnerin im Team haben. (Motiv mit Fotomodellen)

© Manu Reyes / Stock.adobe.com

Willkommenskultur

Neu im Team? Was Praxen beim Onboarding beachten sollten

Menschen laufen am Strand

© KOTO - stock.adobe.com

Nicht-medikamentöse Behandlung

Sport bei Kniegelenksarthrose? Move it or loose it!

Impfung gegen Gelbfieber: Ist eine Auffrischung nötig?

© Porträt: privat | Spritze: Fied

Sie fragen – Experten antworten

Impfung gegen Gelbfieber: Ist eine Auffrischung nötig?