Hypo- und Hyperthyreose

Im Alter tickt die Schilddrüse anders

Erhöhte TSH-Werte können bei Älteren lockerer gesehen werden. Sind diese jedoch niedrig und weisen auf eine Hyperthyreose hin, muss gehandelt werden.

Dr. Michael HubertVon Dr. Michael Hubert Veröffentlicht:
Im Alter tickt die Schilddrüse anders

© triocean / Getty Images / iStock

Acht bis 18% der Menschen über 65 Jahre haben einen erhöhten TSH-Wert. Diese rein laborchemische „latente Hypothyreose“ sei noch kein Krankheitszustand, sagte PD Dr. Stefan Karger. Damit sei keine generelle Gabe von Schilddrüsen-Hormonen gerechtfertigt. „Der TSH-Wert steigt mit dem Alter signifikant an“, erinnerte der niedergelassene Internist und Endokrinologe aus Leipzig. Die Befürchtung, dass dies mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko verbunden sei, habe sich nicht bewahrheitet. So wurden in eine Studie rund 4200 über 65-Jährige mit Euthyreose und rund 680 mit subklinischer (latenter) Hypothyreose eingeschlossen. Kein Teilnehmer erhielt Schilddrüsen-Medikamente. Im Beobachtungszeitraum von einem Jahr war weder die KHK-Rate, noch jene für Herzinsuffizienz oder Tod durch ein kardiovaskuläres Ereignis zwischen beiden Gruppen verschieden (J Clin Endocrinol Metab 2013; 98: 2267).

Karger präsentierte Daten einer weiteren Studie mit rund 740 Patienten mit subklinischer Hypothyreose, im Mittel 74 Jahre alt. Die eine Hälfte erhielt Levothyroxin, die andere Placebo (N Engl J Med 2017; 376:2534). Weder beim Symptomenscore noch bei den sekundären Endpunkten gab es Unterschiede zwischen den beiden Gruppen.

Zum Vorgehen zitierte Karger aus der Leitlinie der European Thyroid Association (ETA): Bei über 70-Jährigen mit TSH-Werten zwischen 7 und 10 mU/l solle beobachtet und der TSH-Wert nach sechs Monaten kontrolliert werden. Bei TSH-Werten über 10 mU/l und Symptomen oder kardiovaskulärem Risiko erfolge eine Thyroxin-Supplementation, beginnend mit 25-50 µg/d. „Schenken Sie einem einmalig erhöhten TSH-Wert keinen Glauben“, riet zudem der Internist beim Henning-Symposium in Heidelberg.

Ganz anders ist die Situation bei Senioren mit einer latenten Hyperthyreose. So sei bei TSH-Werten im unteren Referenzbereich (0,4 bis 4,0 mU/l) das Risiko für Vorhofflimmern verdoppelt (Arch Intern Med 2008; 168: 2219). Zudem sei bei Älteren eine latente Hyperthyreose mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und osteoporotische Frakturen assoziiert - im Vergleich zu Gleichaltrigen mit Euthyreose (J Clin Endocrinol Metab 2011;96:1344). Und auch das Risiko für eine Depression ist erhöht (J Clin Endocrinol Metab. 2014;99:1213). Eine latente Hyperthyreose sollte bei Senioren möglichst immer vermieden bzw. therapiert werden, so Kargers Schlussfolgerung bei der von Sanofi unterstützten Veranstaltung.

Ein Problem bestehe in Deutschland zudem bei Patienten mit Zustand nach Thyreoidektomie. Nur etwa 40% dieser Patienten erhielten mindestens einmal pro Jahr eine TSH-Kontrolle. Und bei etwa 40% liege der TSH-Wert unterhalb des Referenzbereichs (latente Hyperthyreose) oder im unteren Referenzbereich (Exp Clin Endocrinol Diabetes 2018; 126: 640). Hier müsse die Levothyroxin-Dosis angepasst werden. Sei der TSH-Wert unter 1 mU/l und die Levothyroxin-Dosis bei 100 µg/d würde er auf 75 µg/d reduzieren und nach drei Monaten den TSH-Wert kontrollieren, nannte Karger ein Beispiel für das Vorgehen. Die Folge zu hoher Dosen an Schilddrüsenhormon könnten kardiovaskuläre Ereignisse, Osteoporose oder kognitive Einschränkungen sein.

Mehr Infos zum Thema unter: www.infoline-schilddruese.de

Veranstaltung: Pressekonferenz 24. Henning-Symposium „Schilddrüse 2019“, 10. Oktober 2019, Heidelberg

Veranstalter: Sanofi (Henning)

Autor: Dr. Michael Hubert, Springer Medizin

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