Forschung

Was intelligente Katheter für die Blutgefäße mit Einparkhilfen zu tun haben

Das Prinzip des Systems IntelliCath: Ein Katheter wird mit einer speziellen Glasfaser ausgerüstet, bestückt mit winzigen „Spiegeln“. Und: Akustische Signale geben Ärzten während eines Eingriffs am Gefäß Rückmeldung.

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Modell von Blutgefäßen: Intelligente Katheter sollen Operateuren helfen.

Modell von Blutgefäßen: Intelligente Katheter sollen Operateuren helfen.

© ustas / stock.adobe.com

BREMEN. Forscher des Fraunhofer MEVIS in Bremen wollen die Technik der Gefäßkatheter-Interventionen verbessern. Künftig soll dabei mit dem System IntelliCath (Intelligent Catheter Navigation) auf die zur Kontrolle nötige Röntgenstrahlung verzichtet werden.

„Außerdem zeigen die Röntgenbilder kein 3D-Bild, sondern nur eine 2D-Projektion, wodurch sich der Katheter nicht immer genau lokalisieren lässt“, wird Dr. Torben Pätz, Mathematiker am Fraunhofer-Institut für Digitale Medizin MEVIS, zitiert.

Das Prinzip von IntelliCath: Der Katheter wird mit einer speziellen Glasfaser ausgerüstet, bestückt mit winzigen „Spiegeln“. Wird Laserlicht durch diese Faser geschickt, reflektieren die Spiegel einen Teil des Lichts. Sobald die Glasfaser gebogen wird, verändert sich die Farbe des reflektierten Lichts, was durch Sensoren erfasst werden kann.

„Aus dem Signal dieser Sensoren lässt sich auf Stärke und Richtung der Biegung schließen“, erläutert Pätz in der Mitteilung des Instituts. „Die Faser weiß gewissermaßen, wie sie geformt ist.“

Um damit einen Katheter zielsicher durchs Gefäßsystem navigieren zu können, braucht es allerdings noch ein weiteres Element: Vor dem Eingriff erfolgt ein CT- oder MR-Scan des Patienten. Ausgehend von den Bilddaten rekonstruiert eine Software ein 3D-Modell des Gefäßsystems und stellt es auf einem Monitor dar.

In dieses Modell sollen während der Katheter-Intervention die Live-Daten aus der Glasfasernavigation eingespeist werden, heißt es in der Mitteilung. Als Ergebnis würden Ärzte auf dem Bildschirm beobachten können, wie sich der Katheter durch das Gefäßlabyrinth bewegt – in Echtzeit und 3D.

Lokalisation in Echtzeit

Die Machbarkeit des Verfahrens hätten die MEVIS-Fachleute bereits an einem Prototyp nachgewiesen, berichtet das Bremer Institut. „Wir haben mehrere Silikonschläuche zu einem gewundenen Labyrinth zusammengesteckt“, so Pätz. „In dieses Labyrinth haben wir unsere Glasfaser-Katheter eingeführt.“

Auf dem Bildschirm ließ sich dann in Echtzeit lokalisieren, wo sich der Katheter gerade befand – und zwar bis auf fünf Millimeter genau. Die Forscher haben hierzu bereits zwei Patente eingereicht, heißt es in der Mitteilung.

Mehrere Medizintechnik-Unternehmen sind ebenfalls an der Sache dran, aber: „Oftmals versuchen diese mit einem hohen technischen Aufwand, die gesamte Form des bis zu zwei Meter langen Katheters zu rekonstruieren“, so Pätz in der Mitteilung. „Unser Algorithmus hingegen kommt bereits mit einem Bruchteil der Daten aus, um den Katheter in dem ja bereits bekannten Gefäßsystem zu lokalisieren.“

Die Folge: Der MEVIS-Ansatz verspreche eine preiswertere Technik ohne teure Spezialfasern und Auswertesysteme und sei gleichzeitig robuster gegenüber Fehlerquellen als die bisherigen Verfahren, so das Bremer Institut. Als nächstes soll IntelliCath an einem Ganzkörper-Phantom des menschlichen Gefäßsystems getestet sowie an einer Schweinelunge erprobt werden.

2020, gegen Ende der derzeitigen Projektphase, soll ein Prototyp fertig sein, der die Grundlage für eine klinische Studie bildet.

„Wie die Einparkhilfe im Auto“

Zusätzlich entwickeln Pätz und sein Team eine akustische Rückmeldung, damit der Arzt während des Eingriffs nicht ständig auf den Bildschirm schauen muss, wie das Bremer Institut berichtet. Die Idee: Verschiedenartige Hinweistöne signalisieren, wohin der Katheter bei der nächsten Gefäßabzweigung navigiert werden muss und wie weit diese entfernt ist. „Das ist ähnlich wie die Einparkhilfe beim Auto“, erläutert Pätz. „Da erhält man ebenfalls einen akustischen Hinweis, wie weit das nächste Hindernis entfernt ist.“

IntelliCath ist Teil eines umfassenderen Projekts namens SAFE (Softwareunterstützung und Assistenzsysteme für minimal-invasive neurovaskuläre Eingriffe). Dabei geht es darum, die Röntgennavigation bei Katheter-Interventionen zu vereinfachen und dadurch die Mediziner zu entlasten.

Zum Beispiel soll eine Software Zusatzinformationen, die zuvor aus CT- oder MR-Aufnahmen extrahiert wurden, in das Röntgen-Livebild einblenden. Außerdem soll eine KI automatisch die Position des Katheters erkennen.

Die Projektpartner der Fraunhofer Projektgruppe für Automatisierung in der Medizin und Biotechnologie des Fraunhofer IPA arbeiten daran, den Kathetereingriff per intelligentem Assistenzsystem zu unterstützen – von der Hilfestellung bei der Handhabung des Katheters bis hin zur vollautomatischen Navigation. (eb)

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