Jugendliche kündigen einen Suizid meistens an

HAMBURG (ugr). Selbstverletzendes und suizidales Verhalten ist unter Schülern weiter verbreitet als bislang gedacht. Mehr als jeder dritte 15-jährige hatte bereits Suizidgedanken, wobei knapp sieben Prozent schon einen Suizidversuch unternommen haben. Beinahe jeder sechste Jugendliche verletzte sich im vergangenen Jahr selbst.

Veröffentlicht:

"In einer Klasse mit 29 jugendlichen Schülern sitzen ein bis zwei, die bereits einen Suizidversuch unternommen haben", hat Dr. Paul Plener von der Uniklinik Ulm berichtet. Er hat 665 Schüler im Alter von 14 bis 17 Jahren mithilfe des Self-Harm Behavior Fragebogen (SHBQ) und der Allgemeinen Depressionsskala (ADS) zu Suizidgedanken, -drohungen und -versuchen befragt. Die Ergebnisse hat Plener jetzt auf einem Kongress in Hamburg vorgestellt.

Suizidale Gedanken wurden demzufolge von 239 Schülern (36 Prozent) berichtet. 104 Schüler (15 Prozent) erklärten, dass sie zumindest einmal in ihrem Leben damit gedroht hatten, sich umzubringen. Tatsächliche Suizidversuche hatten 43 Schüler (6,5 Prozent) unternommen. Bei ihnen waren die Werte auf der Depressionsskala ADS im Vergleich zu anderen Schülern deutlich erhöht.

Rauchende Mädchen verletzen sich oft selbst.

65 Prozent der Jugendlichen, die einen Suizidversuch unternommen hatten, hatten diesen zuvor angekündigt, sagte Plener. Solche Drohungen sollten daher immer Ernst genommen werden. Er riet dazu, bei Verdacht auf suizidales Verhalten unbedingt nachzuhaken. "Aktives Nachfragen triggert keinen Suizidversuch!" Insgesamt plädierte er dafür, Früherkennung und Prävention auch in der Schule zu implementieren.

Angst, Depressionen und eine hohe Problembelastung führen nicht nur zu Suizidgedanken - sie sind auch wesentliche Gründe, weshalb sich junge Menschen selbst verletzen. Privatdozent Romuald Brunner von der Uni Heidelberg stellte auf dem Kongress eine Stichprobe von Schülern der 9. Klassen des Rhein-Neckar-Kreises vor. Knapp 5800 Mädchen und Jungen (Durchschnittsalter 15 Jahre) haben an der anonymen Fragebogenaktion teilgenommen. Ein bis drei selbstverletzende Handlungen - also Schneiden, Kratzen oder Schlagen - haben demnach elf Prozent der Jugendlichen im vergangenen Jahr vorgenommen; vier Prozent gaben an, dies mehr als viermal innerhalb von zwölf Monaten getan zu haben.

Mädchen verletzten sich deutlich häufiger selbst; bei den gelegentlichen Selbstverletzungen beträgt das Verhältnis Mädchen/Jungen etwa 2:1, bei den wiederholten 3:1. Ein Grund dafür könnte im Elternhaus liegen: Probleme der Mädchen werden von Eltern viel seltener wahrgenommen als Probleme der Jungen, so Brunner. Besonders gefährdet seien junge Raucherinnen. "Von den täglich rauchenden Mädchen gaben 50 Prozent an, sich selbst zu verletzen." Auch hier sei eine bessere Früherkennung dringend erforderlich.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Offene Ohren verhindern Suizide

Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Weniger Rezidive

Hustenstiller lindert Agitation bei Alzheimer

Lesetipps
Ulrike Elsner

© Rolf Schulten

Interview

vdek-Chefin Elsner: „Es werden munter weiter Lasten auf die GKV verlagert!“

KBV-Chef Dr. Andreas Gassen forderte am Mittwoch beim Gesundheitskongress des Westens unter anderem, die dringend notwendige Entbudgetierung der niedergelassenen Haus- und Fachärzte müsse von einer „intelligenten“ Gebührenordnung flankiert werden.

© WISO/Schmidt-Dominé

Gesundheitskongress des Westens

KBV-Chef Gassen fordert: Vergütungsreform muss die Patienten einbeziehen