Virostatikum

Warum die Hülle von Phagen Influenza-Forscher interessiert

Schon seit langem gibt es die Idee, mit Bakteriophagen gegen Viren vorzugehen. Berliner Forscher melden gegen Influenzaviren erste Erfolge.

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Eine modifizierte Phagenhülle dockt an und inhibiert das Influenza-Virus.

Eine modifizierte Phagenhülle dockt an und inhibiert das Influenza-Virus.

© Barth van Rossum, FMP

Berlin. Ein modifiziertes Phagen-Kapsid könnte Influenzaviren ausschalten. Das ist die Hoffnung von Forschern aus Berlin. Die Idee: Modifizierte Q-beta-Phagen-Kapside binden sich an trivalente Hämagglutinin-Rezeptoren auf der Virushülle, umschließen es und verhindern so die Infektion von Zellen im Lungengewebe, heißt es in einer Mitteilung des Leibniz-Forschungsinstituts für Molekulare Pharmakologie (FMP) zur Veröffentlichung der Studie (Nanotechnology 2020, online 30. März).

Dafür bestückten die Forscher eine leere, nicht infektiöse Q-beta-Phagenhülle mit Zuckermolekülen, die als Liganden dienen. „Unser multivalentes Gerüstmolekül ist nicht infektiös und besteht aus 180 identischen Proteinen, die genau den gleichen Abstand aufweisen wie die trivalenten Rezeptoren des Hämagglutinins auf der Virusoberfläche“, wird der Erstautor Dr. Daniel Lauster von der Freien Universität Berlin in der Mitteilung zitiert. Die vollständige Umhüllung mit Kapsiden habe man auch mittels Kryo-Elektronenmikroskopie und -Tomographie nachgewiesen, heißt es in der Mitteilung.

Erfolgreich in menschlichem Lungengewebe

Die Bindungsstärke und das Hemmpotenzial der Phage konnten die Forscher in Tiermodellen und Zellkulturen beobachten, darunter auch bei menschlichem Lungengewebe. Als die Forscher ein mit Influenzaviren infiziertes Gewebe mit Phagen behandelten, habe sich das Virus nicht mehr vermehren können.

An dem Projekt forscht ein interdisziplinäres Team von den drei Berliner Universitäten HU, Freie Universität Berlin und TU, dem Robert Koch- Institut, der Charité und nicht zuletzt dem FMP. Die Forscher um Lauster sehen in dem Ansatz großes Potenzial. Dennoch seien weitere präklinische Untersuchungen notwendig. Unklar sei bisher etwa, ob das Phagen-Kapsid eine Immunantwort provoziert oder ob die Wirkung bei wiederholter Anwendung nachlässt.

In den bisherigen Tests konnten die Forscher die Wirkung gegen saisonale Influenza- und Vogelgrippeviren beobachten. Das Prinzip lasse sich grundsätzlich auch auf andere Viren und möglicherweise sogar Bakterien anwenden. Naheliegenderweise denken die Forscher auch an eine Anwendung gegen das Corona-Virus. Ein etwaiger Wirkstoff müsse sich bereits im Rachenraum und den nachfolgenden Atemwegen an Coronaviren binden. (eb)

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