Guillain-Barré-Syndrom

Nach Zika-Ausbruch GBS-Inzidenz versechsfacht

Dass eine Zika-Virus-Infektion neurologische Komplikationen wie ein Guillain-Barré-Syndrom (GBS) verursacht, legt nun auch eine brasilianische Studie nahe. Die GBS-Inzidenz hatte sich während des Ausbruchs vervielfacht.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Das Zika-Virus kann auch dem Nervensystem von vollständig entwickelten Menschen zusetzen.

Das Zika-Virus kann auch dem Nervensystem von vollständig entwickelten Menschen zusetzen.

© tacio philip / Fotolia

RIO DE JANEIRO. Das Zikavirus ist ja vor allem bei Schwangeren gefürchtet: Etwa jede siebte Infektion einer werdenden Mutter im ersten Trimester führt beim Nachwuchs zu einem "angeborenen Zika-Syndrom". Die Kinder leiden dann häufig unter einer Mikrozephalie sowie anderen schweren neurologischen Komplikationen.

Doch nicht nur Ungeborene sind gefährdet, das Virus kann auch dem Nervensystem von vollständig entwickelten Menschen zusetzen. So häufen sich Berichte, dass im Laufe des Zika-Ausbruchs in Lateinamerika und Polynesien die Zahl der Patienten mit Guillain-Barré-Syndrom (GBS) und anderen schweren akuten neurologischen Erkrankungen deutlich anstieg.

Daten aus Kolumbien und Brasilien

In einer 2016 veröffentlichten Lancet-Studie konnte belegt werden, dass von 42 GBS-Kranken in Französisch-Polynesien 41 IgG- oder IgM-Antikörper gegen Zika aufwiesen. 37 litten zudem etwa eine Woche vor Beginn der Autoimmunkrankheit an einem Infekt.

Und nach Daten von Ärzten aus Kolumbien hatte sich dort die Zahl der GBS-Fälle am Höhepunkt der Zika-Epidemie von zuvor 20 auf rund 90 im Monat erhöht. Zika-Antikörper oder -Viren waren aber nur bei etwa einem Drittel der Betroffenen nachgewiesen worden, die Untersuchungen erfolgten vermutlich häufig zu spät, wie Dr. Laura Muñoz von der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore auf dem Kongress der US-Neurologengesellschaft AAN in Boston erläutert hatte.

Nun legen, wie bereits kurz berichtet, brasilianische Ärzte nach: Auch sie fanden eine rund vierfach erhöhte Inzidenz für schwere neuroinflammatorische Erkrankungen, und bei neun von zehn Betroffenen ergaben sich Hinweise auf eine Zika-Virus-Infektion (JAMA Neurol 2017; online 14. August). Im Gegensatz zu den kolumbianischen Daten stammen die Patienten jedoch nur aus einem Zentrum, einer Spezialklinik für neurologische Erkrankungen in Rio de Janeiro.

Sie decke den Großraum der Metropole ab und erhält aus anderen Kliniken Patienten, bei denen gravierende neurologische Symptome beobachtet werden, berichten Experten um Dr. Ivan Rocha Ferreira da Silva von der Universität in Rio de Janeiro.

Zika-Infekt bei fast allen Patienten

Allerdings konnten die brasilianischen Ärzte im Gegensatz zu ihren kolumbianischen Kollegen bei allen Betroffenen umfangreiche Antikörper- und PCR-Analysen vornehmen.

Ergebnisse von Studien konsistent

  • Von den GBS-Patienten in der brasilianischen Studie waren 27 (93 Prozent) Zika-positiv.
  • Der Anteil der GBS-Patienten lag somit in der brasilianischen Studie ähnlich hoch wie in der polynesischen Untersuchung.
  • Die Zeit von den Zika-Symptomen bis zu den neurologischen Beschwerden war ebenfalls mit der Studie in Polynesien und mit der in Kolumbien vergleichbar, sodass sich mittlerweile ein recht konsistentes Bild ergibt: Danach erhöht sich die Inzidenz von GBS und Enzephalitiden während einer Zika-Epidemie um den Faktor vier bis fünf, die Komplikationen treten in der Regel ein bis zwei Wochen nach Beginn der Zika-Symptome auf.

Die Ärzte hatten zum Höhepunkte der Zika-Epidemie zwischen Dezember 2015 und Mai 2016 insgesamt 45 Patienten mit Verdacht auf GBS behandelt, bei 40 von ihnen konnten sie eine gründliche Untersuchung vornehmen, die übrigen willigten dazu nicht ein oder ein GBS-Verdacht ließ sich rasch ausschließen.

Zum Vergleich: Im entsprechenden Vorjahreszeitraum kamen nur zehn Patienten mit GBS-Verdacht in die Klinik, also etwa ein Viertel so viele. Der Anstieg ist damit weitgehend kongruent mit den kolumbianischen Daten.

Ein GBS diagnostizierten die Ärzte aus Rio bei 29 ihrer Patienten aus dem Zeitraum 2015/16, sieben hatten eine Enzephalitis, drei eine transverse Myelitis und einer eine chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP). Im Vorjahreszeitraum sahen die Neurologen um da Silva fünf GBS-Patienten, zwei mit Enzephalitis und drei mit transverser Myelitis. Die Zahl der GBS-Patienten hatte sich also fast versechsfacht, die der Enzephalitis-Kranken mehr als verdreifacht.

Bei 35 der 40 Patienten (88 Prozent) ergaben sich Hinweise auf eine Zika-Infektion. Von einer solchen gingen die Ärzte aus, wenn sie das Virus per PCR direkt oder indirekt über Antikörper-Assays nachweisen konnten. Ein direkter PCR-Nachweis gelang nur bei drei Patienten, bei 29 enthielten sowohl Serum als auch Liquor IgM-Antikörper gegen Zika, bei vier nur das Serum.

Auf Dengue-Virus überprüft

Da Antikörper gegen andere Flaviviren mit dem Zika-IgM-Test kreuzreagieren können, prüften die Forscher auch auf Dengue-Virus, das häufigste in Brasilien zu Infekten führende Flavivirus. Bei zwei der Patienten fanden sie tatsächlich Antikörper gegen Dengue im Serum, nicht aber im Liquor, der IgM-Test auf Zika war in den Liquor- sowie auch in den Serumproben positiv.

Die Ärzte schlossen daraus, dass sich auch diese Patienten mit Zika-Viren infiziert hatten. 90 Prozent der Zika-positiven Patienten berichteten über Symptome der Erkrankung wie Fieber und Ausschlag. Diese traten im Median 10 Tage vor den neurologischen Komplikationen auf.

Von den GBS-Patienten waren 27 (93 Prozent) Zika-positiv. Der Anteil lag damit ähnlich hoch wie in der polynesischen Untersuchung. Die Zeit von den Zika-Symptomen bis zu den neurologischen Beschwerden war ebenfalls mit der in Polynesien und Kolumbien vergleichbar, sodass sich mittlerweile ein recht konsistentes Bild ergibt: Danach erhöht sich die Inzidenz von GBS und Enzephalitiden während einer Zika-Epidemie um den Faktor vier bis fünf, die Komplikationen treten in der Regel ein bis zwei Wochen nach Beginn der Zika-Symptome auf.

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