"Ottawa COPD Risk Scale"

Neue Skala für den COPD-Notfall

Wann muss ein Patient mit akut exazerbierter COPD in die Klinik und wann kann man ihn guten Gewissens wieder nach Hause schicken? Ein neues Punktesystem aus Kanada könnte Ärzten die Entscheidung leichter machen.

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Sauerstoff!

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OTTAWA. Eine Fehleinschätzung kann bei Patienten mit akut exazerbierter COPD fatal sein. Wie kanadische Forscher berichten, gibt es immer wieder COPD-Patienten, die wegen Atemnot in die Notaufnahme kommen, von dort nach kurzer Abklärung direkt nach Hause geschickt werden - und dann binnen kurzer Zeit versterben.

Dies zu verhindern, hat sich das Team um Professor Ian Stiell von der Abteilung für Notfallmedizin an der Universitätsklinik Ottawa vorgenommen (CMAJ 2014; online 18. Februar).

Die Wissenschaftler trugen hierzu Daten aus sechs kanadischen Lehrkrankenhäusern zusammen. 945 Patienten im Alter von durchschnittlich etwa 73 Jahren gingen in die Bewertung ein. Sie alle hatten sich wegen Atemnot im Gefolge einer akuten COPD-Exazerbation in einer Notaufnahme vorgestellt.

Um in die Studie aufgenommen zu werden, mussten die Patienten langjährige Raucher sein (mindestens 15 Packungsjahre) und eine zumindest mäßige Atemwegsobstruktion in der Vorgeschichte aufweisen.

74 Patienten (acht Prozent) entwickelten nach ihrem Besuch in der Notaufnahme ein akutes Ereignis. Dazu zählten Tod, Intensivbetreuung, Intubation, nicht invasive Beatmung oder auch ein Herzinfarkt. Für die Forscher alarmierend: 36 Zwischenfälle - also knapp die Hälfte - waren bei Patienten aufgetreten, die man von der Notaufnahme aus direkt wieder nach Hause geschickt hatte.

Zwei Patienten waren kurz darauf (innerhalb von 30 Tagen) verstorben, 34 mussten innerhalb von vierzehn Tagen doch noch stationär aufgenommen werden.

Patienten mit hohem Score gleich in eine Spezialklinik?

Aus den klinischen Untersuchungsergebnissen sowie der Vorgeschichte der betroffenen Patienten entwickelten Stiell und Kollegen nun ein Punktesystem, an dem man das Risiko für einen COPD-assoziierten Zwischenfall ablesen soll - die "Ottawa COPD Risk Scale".

Die Skala besteht aus zehn Risikofaktoren, die unterschiedlich gewichtet werden. So erhält ein Patient beispielsweise zwei Punkte für eine Intubation aufgrund einer Atemwegserkrankung in der Vorgeschichte, einen Punkt für einen bestehenden koronaren Bypass, jeweils zwei Punkte für eine Herzfrequenz von mehr als 110/min bei Ankunft in der Notaufnahme oder einer arteriellen Sauerstoffsättigung (SaO2) von weniger als 90 Prozent.

Drei Punkte zusätzlich werden zum Beispiel für einen Hämoglobinwert unter 100 g/l vergeben, zwei Punkte für Anzeichen einer akuten Ischämie im EKG und ein Punkt für eine Harnstoffkonzentration von mindestens 12 mmol/l.

Insgesamt reicht die neu kreierte Risikoskala von 0 bis 16 Punkten. Ein geringes Risiko liegt nach Berechnung der Forscher bei 0 Punkten vor, ein bis zwei Punkte entsprechen einem mittleren Risiko (ab 4 Prozent), drei bis vier Punkte einem hohen (ab 12,5 Prozent) und alle Punktzahlen darüber einem sehr hohen Risiko (ab 32,9 Prozent) eines akuten Zwischenfalls.

Die Forscher spielten nun mehrere Modelle mit verschiedenen Schwellenwerten durch, ab denen man sich für die stationäre Aufnahme entscheidet. Läge die Schwelle bereits beim Punktwert 1, hätte man 57,6 Prozent der Patienten aufnehmen müssen. Bei 2 läge der Anteil bei 43,2 Prozent, bei 3 wäre nur noch jeder fünfte Patient in die Klinik gekommen. Tatsächlich betrug die Aufnahmerate bei den Studienteilnehmern 37,5 Prozent.

"Schon ein relativ bescheidener Anstieg bei den Einweisungen, beispielsweise auf etwa 50 Prozent, würde das Patientenmanagement deutlich sicherer machen", schreiben Stiell et al.

Die Skala könne helfen, die richtigen Patienten herauszufiltern, nämlich die mit dem höchsten Risiko für einen schweren Verlauf. Es stehe zu überlegen, ob man diese gleich in Einrichtungen überweisen sollte, die auf COPD spezialisiert sind. (EO)

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