Kommentar des Experten

Präthrombotischer Zustand bei Diabetes

Die meisten Diabetiker sterben an Gefäßerkrankungen - und damit letztlich auch an Gerinnungsstörungen. Dies erfordert angemessene Prävention.

Von Prof. Hellmut Mehnert Veröffentlicht:

Prof. Hellmut Mehnert

Arbeits­schwerpunkte: Diabetologie, Ernährungs- und Stoffwechselleiden. Diesen Themen widmet sich Prof. Hellmut Mehnert seit über 50 Jahren.

Erfahrungen: 1967 hat er die weltweit größte Diabetes-Früherfassungsaktion gemacht sowie das erste und größte Schulungszentrum für Diabetiker in Deutschland gegründet.

Ehrung: Er ist Träger der Paracelsus-Medaille, der höchsten Auszeichnung der Deutschen Ärzteschaft.

Die Blutgerinnung hat vier Regelkreise: 1. Plasmatische Flüssigphase - Gerinnung, 2. Fibrinolyse, 3. Korpuskuläre Blutphase und 4. Probleme der Gefäßwand. Hauptfunktion des Systems ist die Blutstillung im Bedarfsfall.

Beim Diabetes sind zelluläre und plasmatische Faktoren der Blutgerinnung Teil der Pathogenese. Diese Faktoren bestimmen letztlich auch den Verlauf der Krankheit sowie den Erfolg von Interventionen.

Beschrieben sind beim Diabetes die endotheliale Dysfunktion und die korpuskuläre Hyperreaktivität. Dabei wird vermehrt Thrombin gebildet und die Fibrinolyse vermindert. Dies ist wiederum die Grundlage eines präthrombotischen Zustandes, besonders in den Arterien.

Eine gute Diabeteseinstellung beeinflusst die thrombotische Situation zwar günstig, aber nicht entscheidend. Wichtig sind zudem Rauchverbot, körperliche Bewegung und gesunde Ernährung sowie die Arzneimittel-Prophylaxe in der Sekundär-und Tertiärprävention.

Zuckerspitzen nach dem Essen nachteilig?

Metformin hat als Antidiabetikum einen besonders günstigen Einfluß auf die Gefäße, wie die UKPD-Studie ergeben hat. Diskutiert werden pleiotrope Effekte von Metformin auf das Fibrinolysesystem, wobei es zu einer Senkung des PAI-I-Spiegels kommt.

Gerade PAI-I­Konzentrationen sind nach Studiendaten bei Typ-2-Diabetikern intrathrombozytär erhöht; die gesteigerte Freisetzung von PAI-I aktiviert die Thrombozyten, was wiederum die lokale Thrombogenese fördert. Immer wieder wird diskutiert, ob nicht gerade auch postprandiale Blutzuckerspitzen von Nachteil sind.

Die Insulinwirkung auf das Gerinnungssystem wird unterschiedlich diskutiert. Keinesfalls sollte man aber von einem schädigenden Einfluss ausgehen.

Eine Senkung von Triglyzeriden und Cholesterin wirkt sich offenbar günstig auf den präthrombotischen Zustand aus. Auch Antioxidantien sollen die Thrombozytenaggregationsstörung günstig beeinflussen.

Rotwein in kleinen Dosen womöglich nützlich

Bei Vitamin E gehen die Meinungen allerdings auseinander. So haben große prospektive klinische Studien (etwa HOPE) keine Vorteile durch das Vitamin ergeben. Rotwein ist "nicht nur für alte Knaben eine von den schönsten Gaben", sondern in kleinen Dosen offensichtlich auch als Antioxidans kardioproduktiv wirksam.

Antithrombotische Effekte sind für Sulfonylharnstoffe, alpha-Glukosidase-Hemmer, Glitazone und besonders Metformin beschrieben.

Für die Praxis wichtig sind Thrombozytenaggregationshemmer. In der Dauertherapie ist der Nutzen von "low-dose"-ASS (l00 mg pro Tag) belegt.

Das Gleiche gilt für Clopidogrel und ähnliche Substanzen, die möglicherweise besser verträglich sind als die mit gelegentlichen Magenbeschwerden belasteten kleinen ASS-Dosen. Ob die Substanzen auch plasmatische Faktoren wie PAI-I oder Fibrinogen beeinflussen, ist noch nicht geklärt.

Lyse hilft bei Diabetikern besonders

Eine thrombolytische Behandlung kann bei Diabetikern ohne erhöhtes Komplikations- oder Nebenwirkungsrisiko vorgenommen werden. Dies gilt auch für Diabetiker mit Retinopathie.

Bei Herzinfarkt, der Diabetiker bis zu viermal öfter trifft als Nichtdiabetiker, ist es anzustreben, den Blutfluss durch systemische Thrombolyse wiederherzustellen.

Diabetiker profitieren von der Lyse besonders stark, weil sie ein sehr hohes Sterberisiko bei Herzinfarkt haben. Das Nebenwirkungs-Spektrum ist bei Thrombolyse ähnlich wie bei Nichtdiabetikern. Selbst bei proliferativer Retinopathie ist eine Lysetherapie nicht kontraindiziert.

Da Typ-2-Diabetes mit metabolisch­vaskulärem Syndrom von vornherein Herz und Gefäße bedroht, wird immer wieder eine Primärprävention etwa mit ASS-Prophylaxe diskutiert.

Nach den vorliegenden Studiendaten sollte dies aber nur geschehen, wenn bei einem Patienten weitere Risikofaktoren, die über den Diabetes hinaus gehen, für eine solche Prävention sprechen.

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