Deutscher Psychotherapie-Kongress

Psychotherapeuten beklagen „massives Versorgungsproblem“

2,7 Millionen Menschen waren zuletzt in psychotherapeutischer Behandlung. Der Bedarf wäre noch größer – und wächst weiter. Fachleute mahnen auf dem Kongress in Berlin konkrete politische Schritte an.

Veröffentlicht:
Darstellung einer Psychotherapie

Die Wartezeit auf eine psychotherapeutische Behandlung liegt inzwischen bei durchschnittlich 25 Wochen.

© New Africa / stock.adobe.com

Berlin. Psychisch erkrankte Menschen müssen nach Einschätzung von Fachleuten weiterhin zu lange auf Behandlung warten. Schon vor der Corona-Zeit sei die Versorgungslage „nicht in Ordnung“ gewesen, durch die Pandemie habe sie sich deutlich verschärft, sagte die Präsidentin der Bundespsychotherapeutenkammer, Andrea Benecke, am Mittwoch in Berlin. Sie äußerte sich beim Deutschen Psychotherapie-Kongress.

Die Zahl der Anfragen sei während der Pandemie um 48 Prozent gestiegen, so Benecke. Inzwischen liege die Wartezeit bei durchschnittlich 25 Wochen. Besonders dringend sei der Bedarf in ländlichen Regionen. Wenn diese Regionen vergessen würden, berge dies auch politischen Sprengstoff, warnte die Expertin. Zudem müsse der Übergang von Klinikaufenthalten in ambulante Versorgung verbessert werden.

Nach Angaben der Deutschen Psychotherapeuten-Vereinigung gab es im Jahr 2020 wöchentlich pro Praxis 4,9 Anfragen nach psychologischer Hilfe; im Jahr 2022 waren es bereits 6,9. Laut Hochrechnungen könnte der Bedarf bis 2035 um weitere 20 Prozent steigen.

Weiterbildung bleibt heißes Eisen

Das „massive Versorgungsproblem“ könnte also noch größer werden, warnte Heike Winter, zweite Vorsitzende von Unith, dem Verbund universitärer Ausbildungsgänge für Psychotherapie. Die Weiterbildung, die im Anschluss an das Studium vorgesehen ist, um als Psychotherapeut arbeiten zu dürfen, müsse gesichert werden. Praktische Erfahrungen unter Anleitung seien unabdingbar, betonte Winter: „Einem Medizinstudenten sagt man auch nicht, schneid mal auf, irgendwo findest du schon den Blinddarm.“ Benecke warnte vor einem absehbaren „Fachkräftemangel von morgen“.

Studierende übergaben 3.000 Unterschriften für dieses Anliegen an Silke Heinemann, Abteilungsleiterin im Bundesgesundheitsministerium. Sie war in Vertretung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vor Ort, der Schirmherr des Kongresses ist.

Lesen sie auch

Mentale Gesundheit hat viele Facetten

Die Psychologin Eva-Maria Brakemeier mahnte, es gelte, die psychische Gesundheit aller im Blick zu behalten – etwa auch von Migranten und anderen verletzlichen Gruppen. Global gesehen sei Deutschland auch in Sachen Klimaschutz gefragt, da es ohne eine gesunde Umwelt keine gesunden Menschen gebe, so die Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychologie.

Kongresspräsident Thomas Ehring und Kongresspräsidentin Nina Heinrichs wiesen auf das Motto der Veranstaltung hin, bei der bis Samstag über 1.500 Fachleute, Politiker und Studierende diskutieren: „Licht und Schatten“. Nicht alle Themen erhielten die Aufmerksamkeit, die sie verdienten. So brauche es etwa mehr Wertschätzung für Pflegefamilien, die Kinder aufnähmen, in deren Ursprungsfamilie psychische Probleme vorlägen, eine Sensibilisierung für rassistische Erfahrungen in der Psychotherapie oder mehr Unterstützung für Betroffene von sogenannten dissoziativen Störungen. (KNA)

Jetzt abonnieren
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

© Aleksandr | colourbox.de

Fatal verkannt

Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

© polkadot - stock.adobe.com

Vitamin-B12-Mangel

Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
B12-Mangel durch PPI & Metformin

© Pixel-Shot - stock.adobe.com

Achtung Vitamin-Falle

B12-Mangel durch PPI & Metformin

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
Sexuelle Dysfunktion unter Antidepressiva!

© zoranm | gettyimages (Symbolbild mit Fotomodellen)

Metaanalyse

Sexuelle Dysfunktion unter Antidepressiva!

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Photosensibilisierung: So schützen Sie Ihre Patienten

© Studio4 | iStock (Symbolbild mit Fotomodell)

Sommer, Sonne, Nebenwirkung?

Photosensibilisierung: So schützen Sie Ihre Patienten

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Prognostizierbares Therapieansprechen?

© Stockbyte | gettyimages (Symbolbild mit Fotomodellen)

Antidepressiva

Prognostizierbares Therapieansprechen?

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Abb. 2: AIOLOS-Studie: Therapieabbrüche nach Gründen

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [3]

Aktive schubförmige Multiple Sklerose

Ofatumumab: Wachsende Evidenz stützt frühe hochwirksame Therapie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Novartis Pharma GmbH, Nürnberg
Abb. 1: Alle Kinder hatten B-Zell-Werte im altersspezifischen Normbereich

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [5]

MS-Therapie in Schwangerschaft und Stillzeit

Ocrelizumab: einfache und flexible Therapie in jeder Lebensphase

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Roche Pharma AG, Grenzach-Wyhlen
Abb. 1: CHAMPION-NMOSD – Zeit bis zum ersten bestätigten Schub bei Patientinnen und Patienten mit NMOSD (primärer Endpunkt)

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [7]

Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen

Mit Ravulizumab Schubfreiheit erreichen

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: Alexion Pharma Germany GmbH, München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Transplantation von Beta-Zellen

Neue Zelltherapie-Optionen bei Diabetes

Lesetipps
Kommunikationsexperte Sven Blumenrath

© Michaela Schneider

Gegen unerwartete Gesprächssituationen gewappnet

Tipps für MFA: Schlagfertigkeit im Praxisalltag

Die Ärzte Zeitung hat jetzt auch einen WhatsApp-Kanal.

© prima91 / stock.adobe.com

News per Messenger

Neu: WhatsApp-Kanal der Ärzte Zeitung