Neue Leitlinien

So geht Wiederbelebung heute

Die neuen europäischen Leitlinien zur Wiederbelebung liegen jetzt auf Deutsch vor. Empfohlen werden darin bewährte Standards zur Reanimation - aber auch einige Neuerungen.

Veröffentlicht:
Manuelle Reanimation ist genauso effektiv wie mechanische Reanimationshilfen.

Manuelle Reanimation ist genauso effektiv wie mechanische Reanimationshilfen.

© annems / fotolia.com

NEU-ISENBURG. Zu mehr als 100.000 Todesfällen pro Jahr in Deutschland kommt es durch plötzlichen Herztod oder Kreislaufstillstand aufgrund einer anderen Ursache, berichtet der Deutsche Rat für Wiederbelebung (GRC) in einer Mitteilung.

Es handele sich somit um die dritthäufigste Todesursache nach bösartigen Neuerkrankungen und Herzkreislauferkrankungen anderer Genese. "Ein Zustand, der deutlich verbessert werden könnte", so Professor Bernd W. Böttiger, GRC-Vorsitzender und Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin der Universitätsklinik Köln.

Wichtige Impulse geben hier die neuen Leitlinien zur kardiopulmonalen Reanimation des European Resuscitation Council (ERC).

Der GRC hat die Empfehlungen übersetzt und jetzt ins Internet gestellt. "Gemeinsam 10.000 Leben zusätzlich pro Jahr in Deutschland retten!", hat sich die Organisation dabei zum Ziel gesetzt.

Es werden nur zwei Hände benötigt

Mit den neuen Empfehlungen setzen die Experten auf die manuelle Reanimation. "Diese ist mindestens genauso effektiv wie mechanische Reanimationshilfen", erläutert Böttiger. In einigen Studien habe sich sogar ein schlechteres neurologisches Ergebnis bei Verwendung solcher Systeme gefunden.

Reanimationshilfen führten unvermeidlich zu einer Unterbrechung der Thoraxkompressionen, die so kurz wie möglich sein müssten. In den neuen Leitlinien werden daher solche Geräte nur in besonderen Situationen empfohlen, etwa bei Reanimationen während eines Transports, bei sehr langer Reanimation und im Herzkatheterlabor.

Zur Reanimation bei Kreislaufstillstand empfehlen die Experten eine Drucktiefe von ungefähr fünf und nicht mehr als sechs Zentimeter. Die Frequenz soll bei 100 bis 120 pro Minute liegen. "Pausen von über zehn Sekunden führen zu einer Verschlechterung der Prognose des Patienten und müssen daher vermieden werden", wird Dr. Burkhard Dirks, Altvorsitzender des GRC, in der Mitteilung zitiert.

Adrenalin wird weiterhin empfohlen. Experten sollen eine Intubation vornehmen - wenn möglich, ohne dabei die Herzdruckmassage zu unterbrechen. Als Alternativen gelten supraglottische Atemwegshilfen.

Die Kapnographie ist obligat. Innerklinisch sollten Notfallteams etabliert werden, die bei definierten Zuständen alarmiert werden und so einen Kreislaufstillstand verhindern können. Mögliche reversible Ursachen eines Kreislaufstilstandes müssen immer mit bedacht werden.

Optimal: Transport in ein Cardiac Arrest Center

Nach prähospitalem Kreislaufstillstand sind die Überlebenschancen höher, wenn die Patienten - im Einzelfall sogar unter laufender Reanimation - in spezielle Zentren (Cardiac Arrest Center) eingeliefert werden.

Diese haben durch eine höhere Fallzahl, mehr Erfahrung und die Möglichkeit zur akuten Koronarintervention. Mehr als jeder zweite Kreislaufstillstand ist die Folge eines Herzinfarkts. Werden die für den Infarkt ursächlichen Koronarien binnen maximal zwei Stunden dilatiert, verbessert dies deutlich die Prognose.

Die neuen Leitlinien enthalten auch eine Empfehlung für das Temperaturmanagement: Nach Kreislaufstillstand bewusstlose Patienten sollen unabhängig vom initialen Herzrhythmus für mindestens 24 Stunden auf 33 oder 36 Grad gekühlt werden.

Fieber müsse ebenso wie Hyperoxie jedem Fall für 72 Stunden vermieden werden. Eine Prognostizierung erscheint, so die Empfehlungen, frühestens nach 72 Stunden sinnvoll.

Ruf nach Telefonreanimation in Leitstellen

Leitstellendisponenten sollen Laien am Notruftelefon in Herzdruckmassage instruieren. "Das ist extrem effektiv - man muss es siebenmal machen, um ein Leben zusätzlich zu retten!", erklärt Professor Karl Heinrich Scholz vom St. Bernward-Krankenhaus in Hildesheim in der Mitteilung.

In Deutschland wird die Telefonreanimation von immer mehr Leitstellen durchgeführt, so der stellvertretende GRC-Vorsitzende. In Bayern ist sie bereits landesweit verpflichtend. Auch intelligente Gesamtsysteme, in denen Ersthelfer in der Nähe per Smartphone gleichzeitig mit dem Rettungsdienst alarmiert werden, können Vorteile bringen.

Die meisten Kreislaufstillstände passieren zu Hause. "Nach drei bis fünf Minuten fängt das Gehirn an zu sterben", so Scholz. Der Notarzt trifft aber meist erst nach acht bis zwölf Minuten ein. Der sofortige Beginn der Reanimation durch Laien kann daher entscheidend helfen.

Bei Erwachsenen reichen in den ersten Minuten alleinige Thoraxkompressionen meist völlig aus. Laien sollten verstärkt in Wiederbelebung ausgebildet werden, so die Empfehlungen der neuen Leitlinie. Dazu gehören die Herzdruckmassage und die Beatmung im Verhältnis 30 zu 2. Besonderer Wert wird auf die Ausbildung von Schülern gelegt.

Eine Doppelstunde pro Jahr ab der siebten Klasse sei ausreichend. Die Schüler können von speziell ausgebildeten Lehrern unterrichtet werden. Entsprechende Empfehlungen werden von der Kultusministerkonferenz 2014 und seit diesem Jahr auch von der WHO unterstützt. Ein Ausbildungskonzept dazu gibt es vom GRC. (eb/eis)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

2. Preis Charity Award 2025

Keine Ahnung von Reanimation? Studierende vermitteln Kompetenz

Sommer- und Winterzeit

Neue Analyse: Zeitumstellung offenbar doch ohne kardiale Folgen

Das könnte Sie auch interessieren
Grippeschutz in der Praxis – Jetzt reinhören!

© DG FotoStock / shutterstock

Update

Neue Podcast-Folgen

Grippeschutz in der Praxis – Jetzt reinhören!

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Herz mit aufgemalter Spritze neben Arm

© Ratana21 / shutterstock

Studie im Fokus

Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Prävention durch Influenzaimpfung?

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Junge Frau spricht mit einer Freundin im Bus

© skynesher | E+ | Geytty Images

Update

Impflücken bei Chronikern

Chronisch krank? Grippeimpfung kann Leben retten

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Abb. 1: Studie DECLARE-TIMI 58: primärer Endpunkt „kardiovaskulärer Tod oder Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz“ in der Gesamtkohorte

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [4]

Diabetes mellitus Typ 2

Diabetes mellitus Typ 2 Präventiv statt reaktiv: Bei Typ-2-Diabetes mit Risikokonstellation Folgeerkrankungen verhindern

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg
Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

© Springer Medizin Verlag

Unternehmen im Fokus

Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Advanz Pharma GmbH, München
Kardiologie und Hausärzteschaft im Dialog

© Springer Medizin Verlag

Kardiologie und Hausärzteschaft im Dialog

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Puren Pharma GmbH & Co. KG, München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Lungensurfactant

Warum Seufzen der Atmung gut tut

Lesetipps
Der Rücken eines Mannes mit Gürtelrose zeigt Vesikel.

© Chinamon / stock.adobe.com

Alter für Indikationsimpfung herabgesetzt

STIKO ändert Empfehlung zur Herpes zoster-Impfung