THERAPIE

Spezifische Therapien für Alzheimer-Kranke

Eine frühe Therapie mit Antidementiva lohnt sich für Alzheimer-Patienten: Ihre kognitiven Fähigkeiten bleiben länger erhalten als bei einem späten Therapie-Start, und sie kommen besser im Alltag zurecht. Doch Antidementiva können noch mehr: Sie lindern auch Verhaltensauffälligkeiten und senken den Pflegeaufwand.

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Nicht nur der Gedächtnisverlust ist bei Alzheimer-Patienten ein Problem. Im fortgeschrittenen Stadium kommen neuropsychiatrische Störungen wie Angst, Unruhe und Aggressivität hinzu, die den Patienten und auch den Angehörigen zu schaffen machen. Eine Therapie mit Antidementiva wirkt sich auf all diese Symptome günstig aus, und zwar in jedem Krankheitsstadium.

So ist inzwischen gut belegt, dass Antidementiva positive Effekte auf Kognition, die Alltagskompetenz, den Pflegeaufwand, Verhaltensauffälligkeiten und die Belastung der Angehörigen haben. Viele Studien haben auch schon Hinweise darauf ergeben, dass durch eine frühe Antidementiva-Therapie die Zeit bis zur Pflegeheim-Aufnahme verzögert werden kann. Damit helfen diese Medikamente bei einem der wichtigsten Wünsche der Betroffenen: möglichst lange in der vertrauten häuslichen Umgebung zu bleiben.

Beginnen sollte man mit einer Therapie, sobald die Alzheimer-Diagnose steht. Denn bei einer frühen Therapie sind die Chancen für eine vorübergehende Besserung am größten. Neu erkannte Patienten haben nach Angaben des Gerontopsychiaters Professor Lutz Frölich aus Mannheim meist schon eine moderate, mittelschwere Demenz - sie erreichen im Mini-Mental-Status-Test (MMST) 10 bis 20 von maximal 30 Punkten. Sie können dann oft nicht mehr alleine telefonieren und vergessen die Namen von guten Bekannten. Bei diesen Patienten ist eine Therapie mit Cholinesterase-Hemmern oder Memantine möglich.

Die drei Cholinesterase-Hemmer Donepezil (Aricept®), Galantamin (Reminyl®) sowie Rivastigmin (Exelon®) sind auch bei leichter Alzheimer-Demenz zugelassen (MMST etwa 20 bis 24 Punkte), es gibt zudem Daten, dass sie auch bei schwerer Demenz gut wirken. So konnte Donepezil in einer aktuellen Studie die kognitive Funktion bei schwerer Alzheimer-Demenz um mindestens sechs Monate stabilisieren (Neurology 69, 2007, 459).

Memantine (Axura®, Ebixa®) ist außer bei moderater auch bei schwerer Alzheimer-Demenz (MMST von 10 Punkten und weniger) zugelassen. Für die Arznei gibt es inzwischen auch Daten zu einer guten Wirksamkeit bei leichter Demenz.

Sowohl mit Cholinesterase-Hemmern als auch mit Memantine lässt sich primär die Progression der Demenz verzögern. Die zum Zeitpunkt der Diagnose bestehenden kognitiven Leistungen können dabei unter der Therapie bis etwa ein Jahr lang besser als zu Beginn sein. Danach werden sie - trotz fortgesetzter Therapie - schlechter, und zwar ungefähr in dem Maße, wie es von Beginn an in Studien bei Patienten mit Placebo der Fall ist. Doch Antidementiva wirken nicht nur günstig auf die Kognition:

  • In einer Studie mit 252 Patienten mit fortgeschrittener Alzheimer-Demenz gingen Unruhe und Aggressivität bei 55 Prozent der Patienten mit Memantine, aber nur bei 36 Prozent derjenigen mit Placebo zurück. Zudem waren bei Patienten mit fortgeschrittenem M. Alzheimer mit Memantine in Studien pro Monat statt 450 Stunden nur etwa 400 Stunden Betreuung und Pflege nötig.
  • Mit Donepezil ließen sich in Studien bei Alzheimer-Patienten Verhaltensstörungen wie motorische Unruhe und Halluzinationen deutlich mindern, und die Aufnahme in ein Pflegeheim ließ sich im Schnitt um 21 Monate hinauszögern. Patienten, die mit Donepezil behandelt werden, brauchen im Schnitt im Jahr 400 Stunden weniger Pflege als Patienten mit Placebo.
  • Galantamin konnte in einer Placebo-kontrollierten Studie bei 825 Alzheimer-Patienten den Betreuungsaufwand um knapp eine Stunde pro Tag senken, und in einer Studie mit über 1000 Patienten Verhaltensauffälligkeiten deutlich lindern. Nach Daten von drei Studien mit knapp 600 Patienten zögert Galantamin zudem die Aufnahme in ein Heim hinaus.
  • Auch Rivastigmin mindert deutlich Angst, Wahnvorstellungen, Agitiertheit und Halluzinationen. Der positive Effekt bleibt langfristig erhalten. Noch nach zweijähriger Therapie traten in einer Studie Stimmungsstörungen und Halluzinationen bei Patienten mit Rivastigmin seltener auf als mit Placebo. (mal/mut)


Kurze Tests erleichtern die Diagnose

Kurze psychometrische Tests helfen bei der Demenz-Diagnose:

  • Der DemTect etwa dauert 7 bis 10 Minuten. Bei den fünf Untertests müssen zehn vorgelesene Worte wie "Teller" oder "Apfel" sofort auswendig wiederholt werden. Zudem sollen die Patienten in einer Minute möglichst viele Waren aus dem Supermarkt aufzählen.
  • Der TFDD (Test zur Früherkennung von Demenzen mit Depressionsabgrenzung) dauert 5 bis 10 Minuten und enthält Untertests zum Demenz-Screening sowie Untertests, mit denen sich Demenz von Depression durch Fremd- und Selbstbeurteilung abgrenzen lässt.

Infos zu Demenz-Tests gibt es bei Antidementiva-Herstellern. 

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