DDG-Herbsttagung

Strenge Blutzuckereinstellung freut die Niere

Wie streng sollte bei Typ-2-Diabetikern der Blutzuckerwert eingestellt werden? Die umfangreiche ADVANCE-Studie konnte für Patienten mit laxer Zuckereinstellung keine Nachteile nachweisen. Bei Nierenkranken sieht die Sache aber offenbar ganz anders aus.

Philipp Grätzel von GrätzVon Philipp Grätzel von Grätz Veröffentlicht:
Blutzuckerkontrolle: Einheitliche Therapieziele für alle Patienten mit Typ-2-Diabetes wurden in den vergangenen Jahren verworfen.

Blutzuckerkontrolle: Einheitliche Therapieziele für alle Patienten mit Typ-2-Diabetes wurden in den vergangenen Jahren verworfen.

© Dmitry Lobanov / Fotolia.com

LEIPZIG. Anhänger einer strengen Blutzuckersenkung bei Patienten mit Typ-2-Diabetes sind in den vergangenen Jahren deutlich in die Defensive gekommen. Die im Oktober 2014 publizierte Langzeitauswertung der ADVANCE-Studie hat den Skeptikern einer starken Blutzuckersenkung weitere Munition geliefert.

An der Studie hatten sich ursprünglich 11.140 Patienten beteiligt. Es war eine multidimensionale Diabetesstudie. In der Untersuchten waren sowohl unterschiedliche Blutdrucktherapien als auch unterschiedliche intensive Blutzuckereinstellungen evaluiert worden.

Sechs Jahre Langzeit-Follow-up

Im Langzeit-Follow-up sechs Jahre nach Ende der ursprünglich fünfjährigen ADVANCE-Studie, für das immerhin 8494 Patienten zur Verfügung standen, gab es zwischen Patienten, bei denen damals eine intensivierte Glukosekontrolle erfolgte (HbA1c im Mittel 6,8 Prozent) und Patienten mit damals moderat eingestelltem Blutzucker (HbA1c im Mittel 7,5 Prozent) kaum Unterschiede.

Sowohl die Mortalität als auch die makrovaskuläre Ereignisrate waren in beiden Gruppen praktisch identisch (New Engl J Med 2014; 371: 1392).

Niereninsuffizienz-Rate ausgewertet

Bei der Jahrestagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) in Leipzig plädierte Privatdozent Jan Menne von der Klinik für Nieren- und Hochdruckerkrankungen der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) dennoch für eine differenzierte Beurteilung der Ergebnisse. So gebe es an einer Stelle doch einen hoch signifikanten Unterschied zwischen den Gruppen, nämlich bei der Häufigkeit des Auftretens einer terminalen Nierenerkrankung.

Eine solche Niereninsuffizienz trat in der Gruppe mit intensivierter Glukoseeinstellung fünf Jahre nach Studienende bei einem halben Prozent der Patienten auf. In der Gruppe mit laxerer Zuckereinstellung waren es doppelt so viele Patienten, ein statistisch hochsignifikanter Unterschied (p=0,007).

"Die Nieren scheinen also tatsächlich von einer intensiveren Blutzuckersenkung zu profitieren. Das ist für mich eine ganz entscheidende Botschaft dieser Studie", so Menne.

Nachbeobachtung zur kurz?

Möglicherweise sind die in vielen Studien kurzen Nachbeobachtungszeiten der Hauptgrund, warum es insgesamt bisher nur eine sehr schlechte Korrelation von Güte der Zuckereinstellung und Aufrechterhaltung der Nierenfunktion gibt.

Menne machte das am Beispiel der ACCORD-Studie fest, in der eine bessere Zuckereinstellung in keiner Weise mit Nierenversagen oder Verdopplung des Kreatininwerts korrelierte, wohl aber mit einer deutlichen Verbesserung der Albuminurie.

Dies lasse sich am besten dadurch erklären, dass vier bis sechs Jahre Nachbeobachtungszeit nicht ausreichten, um einen Effekt auf den Kreatininwert statistisch sicher zu zeigen.

Insgesamt sprechen die zur Verfügung stehenden Daten bei Typ-2-Diabetes-Patienten aus Mennes Sicht weiterhin für eine eher strenge Zuckerkontrolle zumindest bei jüngeren Patienten mit voraussichtlich langer Lebenserwartung.

Ihr Newsletter zum Thema
Lesen sie auch
Mehr zum Thema

Perioperative Komplikationen

Allgemeinchirurgie: HbA1c präoperativ bestimmen!

Das könnte Sie auch interessieren
Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

© Aleksandr | colourbox.de

Fatal verkannt

Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

© polkadot - stock.adobe.com

Vitamin-B12-Mangel

Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
B12-Mangel durch PPI & Metformin

© Pixel-Shot - stock.adobe.com

Achtung Vitamin-Falle

B12-Mangel durch PPI & Metformin

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Porträts: [M] Feldkamp; Luster | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

© Portraits: [M] Feldkamp; Luster | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

„ÄrzteTag extra“-Podcast

Die Schilddrüse tickt in jedem Lebensalter anders

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, Frankfurt am Main
Abb. 1: Studie DECLARE-TIMI 58: primärer Endpunkt „kardiovaskulärer Tod oder Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz“ in der Gesamtkohorte

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [4]

Diabetes mellitus Typ 2

Diabetes mellitus Typ 2 Präventiv statt reaktiv: Bei Typ-2-Diabetes mit Risikokonstellation Folgeerkrankungen verhindern

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg
Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

© Springer Medizin Verlag

Unternehmen im Fokus

Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Advanz Pharma GmbH, München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Lungensurfactant

Warum Seufzen der Atmung gut tut

Lesetipps
Der Rücken eines Mannes mit Gürtelrose zeigt Vesikel.

© Chinamon / stock.adobe.com

Alter für Indikationsimpfung herabgesetzt

STIKO ändert Empfehlung zur Herpes zoster-Impfung