HINTERGRUND

Tübinger Forscher machen Gendoping-Sündern mit einem neuen DNA-Test das Leben schwer

Von angela Speth Veröffentlicht:

Noch vor einem halben Jahr, beim 2. Symposium zu Gendoping in Stockholm, überwog Pessimismus: Eingeschleuste Gene, deren Produkte, also Eiweißmoleküle, die Muskelleistung steigern, würden nie nachweisbar sein. Nun hat sich das Blatt gewendet: Ein Molekularbiologe aus Tübingen hat ein Verfahren vorgestellt, mit dem sich hochsensitiv geringste Mengen fremder DNA aufspüren lassen.

Routine-Test ist in absehbarer Zeit möglich

In absehbarer Zeit könne die Methode zu einem Routine-Test ausgebaut werden, sagte Dr. Perikles Simon zur "Ärzte Zeitung". "Es war mir aber wichtig, sie bereits jetzt bekannt zu machen: zur Abschreckung potentieller Betrüger", so der Wissenschaftler von der Abteilung Sportmedizin der Universität Tübingen.

Schon seit geraumer Zeit befürchtet man im Spitzensport, daß in die Körperzellen Gene eingeschleust werden könnten, deren Eiweißprodukte die Muskelkraft erhöhen. Für solche Gene gibt es ungefähr 15 Kandidaten, darunter die für Erythropoetin oder den Wachstumsfaktor IGF-1 (Insulin-like Growth Factor). Eigentlich sind sie zur Gentherapie bei Patienten mit Muskelerkrankungen gedacht, etwa mit Duchennescher Muskeldystrophie.

Kurze DNA-Stücke machen den Unterschied erkennbar

Die Skeptiker argumentierten, Gendoping-Sünder blieben unentdeckt: Die als Genfähren genutzten Viren würden innerhalb von zwei Tagen abgebaut, und die eingeschleuste DNA selbst sei genau identisch mit der natürlichen. "Genau identisch ja - außer den Introns, und das reicht!", betonte Simon. Die Idee, diesen Unterschied als Basis eines Tests zu nutzen, sei ihm vor etwa einem halben Jahr gekommen.

Introns sind Gensequenzen, die keine relevante Information tragen. Sobald das Gen abgelesen ist, werden aus der entstehenden Boten-RNA die Introns entfernt. Künstlich hergestellte, transgene DNA aber enthält keine Introns, weil sie sich sonst nicht gut ins Erbgut einfügen ließe oder die zusätzliche Last für die Virentaxis zu schwer wäre.

Mit einem Trick hat Simon jetzt erreicht, daß eine in der Reproduktionsmedizin gängige Form der Polymerasekettenreaktion (single cell PCR) nur die künstlichen, nicht aber die körpereigenen DNA-Abschnitte vermehrt. Doch noch eine weitere Voraussetzung für einen Nachweis muß erfüllt sein: daß nämlich die in den Muskel eingeschleuste DNA überhaupt im Blut auftaucht. Wäre das nicht der Fall - welcher Athlet würde schon einer Biopsie zustimmen?

DNA-Spuren ließen sich bei Doping-Sündern lange verfolgen

Doch nach den Erfahrungen bei Tieren, denen man für eine Fleischmast etwa 300 Milliarden Kopien von Erythropoietin-Genen in die Muskeln spritzt, sind davon durchschnittlich fünf pro zehn Milliliter Blut wiederzufinden. "Bei Sportlern, deren Muskulatur sich ja ständig im Umbau befindet, dürfte es sich ähnlich verhalten", sagte Simon. Mit dem neuen Verfahren werden Fahnder die Spuren des Dopings bei einem Sportler vermutlich lange verfolgen können - über Jahre.

Allerdings erfordert ein routinemäßig anwendbarer Test noch einiges an Grundlagenarbeit, zum Beispiel um die wenigen vorhandenen Moleküle im Blut zu stabilisieren. Eine weitere Herausforderung besteht darin, mehrere relevante Gene gleichzeitig aufzuspüren.

Noch halten Gefahren Sportler vom Gendoping ab

Daß zur Zeit schon Gendoping praktiziert wird, hält der Forscher wegen der damit verbundenen Gefahren, etwa die Integration des Gens ins Erbgut, für unwahrscheinlich. Am anfälligsten seien wohl vorläufig weniger Leistungssportler, sondern eher Bodybuilder mit dem Zwang, sich Muskelberge anzutrainieren. Über den Sport hinaus kann man den Test ausweiten auf alle Gebiete, wo ein genetischer Eingriff bei Menschen oder Tiere in Frage kommt. Simon: "Das Verfahren ist eine Investition in die Zukunft, denn damit läßt sich die Frage beantworten: Ist es noch die ursprüngliche Person, oder ist es ein genmanipuliertes Zwitterwesen?"

Skandal um Bluttransfusionen

Das Thema Gendoping bietet seit Jahren Stoff für Diskussionen und Spekulationen. Bislang ist aber kein einziger Fall von Gendoping dokumentiert. Allerdings kochte das Thema vor wenigen Monaten hoch, als bekannt wurde, daß sich der inzwischen wegen der Weitergabe eines Dopingpräparats verurteilte Leichtathletik-Trainer Thomas Springstein im Internet auch über das Gendoping-Präparat Repoxygen informiert hatte.

Höhere Wellen schlägt derzeit ein Dopingskandal im spanischen Radsport. Bei einer groß angelegten Razzia waren in der vergangenen Woche in einer Wohnung des Teamarztes vom Rennstall Liberty Seguros, Eufemiano Fuentes, mehrere hundert Dosen anaboler Steroide und 200 Beutel für Bluttransfusionen gefunden worden. Fuentes, Teamchef Manolo Saiz und der Laborchef José Merino wurden festgenommen. In der Klinik von Merino wurden der spanischen Nachrichtenagentur Efe zufolge Bluttransfusionen für Radprofis und Athleten anderer Sportarten vorgenommen. Verbindungen habe es auch zu deutschen Sportlern gegeben.

Positive Nachrichten meldet der Fußball-Weltverband FIFA, der im Streit mit der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA eingelenkt hat und deren Anti-Doping-Codes annehmen will. Demnach soll es auch im bezahlten Fußball künftig eine Regelstrafe von zwei Jahren bei Dopingvergehen geben. Allerdings plädiert man weiter für Einzelfall-Prüfungen. (Smi) 

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