Unkontrollierter Griff zum Schmerzmittel

BERLIN (hak). Die Therapie von Patienten mit Kopfschmerzen bleibt für Vertragsärzte eine große Herausforderung. Weiterhin greifen die Betroffenen zu häufig zur Selbstmedikation und riskieren gravierende Folgeschäden und sogar, dass sich Dauerkopfschmerzen manifestieren.

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Das ist Ergebnis des DAK-Gesundheitsreports, der jetzt in Berlin vorgestellt worden ist. Danach versuchen sich überdurchschnittlich viele Patienten bei Kopfschmerzen oder Migräne selbst zu therapieren. Laut einer repräsentativen Umfrage der DAK unter 3 000 Versicherten nehmen 62 Prozent der Kopfschmerz-Patienten und 54 Prozent der Migräne-Patienten rezeptfreie Schmerzmittel. Dagegen vertrauen nur neun Prozent der Kopfschmerz- und 44 Prozent der Migräne-Betroffenen ärztlichen Verordnungen.

Unzufriedenheit mit der ärztlichen Verordnung

Auffällig ist, dass fast jeder dritte Migräne-Patient, der verschreibungspflichtige Medikamente einnimmt, parallel auch rezeptfrei Schmerzmittel einsetzt. Bei Kopfschmerz-Patienten liegt dieser Anteil sogar noch höher. "Dies könnte darauf hindeuten, dass diese Betroffenen mit der ärztlich verordneten medikamentösen Therapie nicht ausreichend zufrieden sind", heißt es im DAK-Report.

Patienten sollten maximal an zehn Tagen pro Monat Migräne- oder Kopfschmerz-Medikamente einnehmen. Diese Regel wird aber vielfach durchbrochen, sagt der Ärztliche Direktor der Schmerzklinik Kiel Professor Hartmut Göbel. 2,2 Prozent der Frauen und 1,6 Prozent der Männer nähmen sogar täglich Kopfschmerzmittel, so Göbel.

Glaubt man den Aussagen der Patienten, wurden viele nicht ausreichend über die Folgen übermäßigen Schmerzmittelkonsums aufgeklärt. 40,4 Prozent der Kopfschmerz- und 23,3 Prozent der Migräne-Patienten gaben in der DAK-Umfrage an, ihr Arzt habe sie nicht vor dem unkontrollierten Griff zum Schmerzmittel gewarnt.

Auch bei der Diagnostik vermutet die DAK. Laut Gesundheitsrepor wurde bei 41,5 Prozent aller Kopfschmerzpatienten keine spezifische Ursache für die Beschwerden festgestellt. Bei 42 Prozent wurde Migräne diagnostiziert. Spannungskopfschmerzen, unter denen erfahrungsgemäß eigentlich jeder zweite Kopfschmerzpatient leidet, wurde dagegen nur bei 7,5 Prozent der DAK-Patienten festgestellt. Professor Göbel hält diese Zahlen für einen Beweis gravierender Fehler in der Diagnostik. "In Deutschland herrscht ein gewisser Analphabetismus beim Kopfschmerz", sagt er.

Migräne-Patienten glauben nicht an Therapiechancen

Häufig lassen sich Ärzte bei der Anamnese nicht genug Zeit, sagt Göbel. Auf die Frage "Haben Sie vor Beginn Ihrer Behandlung mit Ihrem behandelnden Arzt ausführlich über Ihre Kopfschmerzen/Migräne gesprochen?" antworteten knapp 20 Prozent der Kopfschmerz-Patienten und fast zwölf Prozent der Migräne-Patienten mit Nein.

Als bedenklich wird im DAK-Report aber auch eingestuft, dass sich viele Migränepatienten offenbar einfach ihrer Krankheit ergeben. So glauben 15 Prozent der Betroffenen nicht, dass es überhaupt wirkungsvolle Behandlungsmethoden gibt. "Vor dem Hintergrund, dass es gerade im Bereich der Migräne durch den Einsatz (...) von Triptanen große Fortschritte in der Akuttherapie von Mitgräne-Attacken gegeben hat, ist dieser Befund bedenklich", heißt es im Gesundheitsreport.

Lesen Sie dazu auch: Kopfschmerzen - eine teure Volkskrankheit

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