Hnweise

Wachstumshormone und der Schlaganfall-Verdacht

Kinder mit einer wachstumsfördernden Therapie haben als Erwachsene offenbar ein erhöhtes Schlaganfallrisiko, zeigt eine französische Studie. Ob das an der Hormontherapie liegt, ist aber noch unklar.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Vor einer Verordnung von Wachstumshormon sind die Risiken gegen die Vorteile abzuwägen.

Vor einer Verordnung von Wachstumshormon sind die Risiken gegen die Vorteile abzuwägen.

© Gina Sanders / fotolia.com

PARIS. Der Hinweis ist sehr schwach, doch falls eine Therapie mit Wachstumshormon (Somatropin) tatsächlich das Schlaganfallrisiko erhöhen sollte, müssten Ärzte in Zukunft noch sorgfältiger als bisher abwägen, ob und welchen Kindern sie eine Hormontherapie bei Kleinwüchsigkeit empfehlen.

Noch besteht allerdings kein großer Handlungsbedarf: Epidemiologen um Dr. Amélie Poidvin haben lediglich eine erhöhte Schlaganfallrate bei Kleinwüchsigen festgestellt, die eine Hormonbehandlung bekommen haben (Neurology 2014; ePub 13. August 2014).

Ob die Ursache dafür die Kleinwüchsigkeit selbst oder die Hormonbehandlung ist, lässt sich mit den bisherigen Daten nicht klären.

Für ihre Analyse verwendeten Poidvin und Mitarbeiter Daten von Kindern, die zwischen 1985 und 1996 in Frankreich Wachstumshormon erhalten hatten. Die Aufnahme in ein Register war für diese Kinder Pflicht, dadurch sollten Langzeiteffekte der Therapie zuverlässig erfasst werden.

Befürchtet wurde vor allem ein erhöhtes Krebsrisiko unter der proliferationsfördernden Therapie. Dieses konnte bislang aber nicht nachgewiesen werden.

Dagegen hatte eine vor zwei Jahren veröffentlichte Auswertung eine erhöhte Sterberate der behandelten Patienten als junge Erwachsene nahegelegt. Vor allem die kardiovaskuläre Mortalität schien erhöht.

Nachbeobachtung über 17 Jahre

Da Patienten mit Akromegalie unter dem Einfluss erhöhter Somatropin-Konzentrationen zu zerebralen Gefäßmissbildungen neigen und vermehrt Aneurysmen ausbilden, könnte die Therapie mit dem Hormon möglicherweise Hirnblutungen begünstigen. Dieses Risiko wollten die Forscher nun genauer untersuchen.

Insgesamt bewertete das Team um Poidvin Angaben von rund 10.300 Patienten. Davon siebten sie 3400 aus, die aufgrund diverser Begleiterkrankungen schon bei Therapiebeginn schlechte Karten hatten. Nur die übrigen 6900 mit einem vergleichsweise niedrigen Sterbe- und Krankheitsrisiko wurden für die weitere Analyse berücksichtigt.

Diese Personen waren im Schnitt vier Jahre mit Wachstumshormon behandelt worden. In der Regel begann die Therapie im Alter von elf Jahren. Die Nachbeobachtung dauerte im Schnitt 17 Jahre.

In dieser Zeit erlitten elf Personen erstmals einen Schlaganfall - fünf hatten eine Subarachnoidalblutung, drei eine intrazerebrale Blutung und drei einen ischämischen Insult.

Auf dieser Basis kalkulierten sie die altersadjustierte Schlaganfallinzidenz. Diese verglichen sie anschließend mit der Inzidenz aus einem französischen und einem britischen Bevölkerungsregister.

Wie sich herausstellte, war die Schlaganfallinzidenz bei den Personen mit Wachstumsstörungen im Vergleich zum französischen Register um den Faktor 2,2 und im Vergleich zum britischen Register sogar um den Faktor 5,3 erhöht. Hämorrhagische Insulte traten knapp sechs- und siebenfach häufiger auf, als die Forscher erwartet hatten.

Elf Ereignisse

Allerdings ist die normale Population keine geeignete Vergleichsgruppe, schließlich haben Kinder mit Wachstumsstörungen oft eine Reihe von Komorbiditäten. Ob diese alle zuverlässig ausgesiebt werden konnten, darf bezweifelt werden. Auch wurden kardiovaskuläre Risikofaktoren nicht erfasst.

Es ist also unklar, ob die Personen im Hormontherapie-Register häufiger Bluthochdruck, Übergewicht oder erhöhte Lipidwerte hatten. Zu guter Letzt sollte man bei einer Zahl von elf Ereignissen vorsichtig mit Schlussfolgerungen sein. Hier kann es sich auch um reinen Zufall handeln.

Trotz dieser Schwächen rät die Neurologin Dr. Rebecca Ichord von der Universität in Philadelphia ihren Kollegen, Eltern auf das möglicherweise erhöhte Schlaganfallrisiko bei einer Hormontherapie hinzuweisen.

So sollten die Eltern vermehrt auf das Gewicht ihrer Kinder und genügend Bewegung achten, um das Risiko gering zu halten. Solche Empfehlungen sind zum Glück nie falsch.

Mehr zum Thema

Umfrage zur Vitamin D-Versorgung

Was tun bei Unterversorgung an Vitamin D?

Kooperation | In Kooperation mit: P&G Health
Das könnte Sie auch interessieren
PAP senkt Mortalität signifikant

© ResMed

Lancet: Neue Meta-Analyse

PAP senkt Mortalität signifikant

Anzeige | ResMed Germany Inc.
Wie UKPS den Weg zurück in die Therapie öffnet

© ResMed

PAP scheitert oft

Wie UKPS den Weg zurück in die Therapie öffnet

Anzeige | ResMed Germany Inc.
Schlafstörungen als Warnsignal

© shapecharge | iStock

Früherkennung Demenz

Schlafstörungen als Warnsignal

Anzeige | ResMed Germany Inc.
Grippeschutz in der Praxis – Jetzt reinhören!

© DG FotoStock / shutterstock

Update

Neue Podcast-Folgen

Grippeschutz in der Praxis – Jetzt reinhören!

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Herz mit aufgemalter Spritze neben Arm

© Ratana21 / shutterstock

Studie im Fokus

Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Prävention durch Influenzaimpfung?

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Junge Frau spricht mit einer Freundin im Bus

© skynesher | E+ | Geytty Images

Update

Impflücken bei Chronikern

Chronisch krank? Grippeimpfung kann Leben retten

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
SCD-PROTECT-Studie-- Frühe Phase nach Diagnose einer Herzinsuffizienz – deutlich höheres Risiko für den plötzlichen Herztod als in der chronischen Phase.

© Zoll CMS

SCD-Schutz in früher HF-Phase

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: ZOLL CMS GmbH, Köln

Chronisch kranke Kinder

Mangelernährung frühzeitig erkennen und konsequent angehen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Danone Deutschland GmbH, Frankfurt/Main
Abb. 1: Risikoreduktion durch Bempedoinsäure gegenüber Placebo in der CLEAR-Outcomes-Studie für den primären 4-Komponenten-Endpunkt (A) und den sekundären 3-Komponenten-Endpunkt (B) stratifiziert nach Diabetes-Status

© Springer Medizin Verlag

Diabetes mellitus

Bempedoinsäure: Benefit für Hochrisiko-Kollektive

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Daiichi Sankyo Deutschland GmbH, München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Systematisches Review und Metaanalyse

Antidepressiva absetzen: Welche Strategie ist am wirksamsten?

„ÄrzteTag“-Podcast

Wie erkenne ich Schmerzen bei Menschen mit Demenz, Professorin Miriam Kunz?

Lesetipps
Übersichtsarbeit: Wie wirken Hochdosis-, rekombinante und mRNA-Vakzinen verglichen mit dem Standardimpfstoff?

© Sasa Visual / stock.adobe.com

Übersichtsarbeit zu Grippeimpfstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Serotoninkristalle, die ein Muster ergeben.

© Michael W. Davidson / Science Photo Library

Für wen passt was?

Therapie mit Antidepressiva: Auf die Nebenwirkungen kommt es an

Eine MFA schaut auf den Terminkalender der Praxis.

© AndreaObzerova / Getty Images / iStockphoto

Terminservicestellen und Praxen

116117-Terminservice: Wie das Bereitstellen von TSS-Terminen reibungsloser klappt