Was Diabetiker wissen müssen, die eine Fernreise antreten

Bei entsprechender Vorbereitung kann jeder Diabetiker mit guter Einstellung Fernreisen unternehmen. Was dazu nötig ist, erläutert im Gespräch Professor Hellmut Mehnert.

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Ärzte Zeitung: Im Urlaub und auf Reisen sind Menschen meist aktiver als sonst. Was bedeutet das für die Diabetes-Therapie?

Professor Hellmut Mehnert: Wenn die körperliche Aktivität stark zunimmt, besteht bei gleich bleibender Medikation eine Unterzuckergefahr. Grundsätzlich kommen deswegen eine Erhöhung der Kohlenhydratzufuhr oder eine Verminderung der Insulin- oder/und Tablettentherapie in Betracht. Letzteres betrifft in der Regel nur die Sulfonylharnstoffe, während die ebenfalls insulinotropen Gliptine nicht zu Hypoglykämien führen. Die Nahrungszufuhr auf Reisen ist nicht so problematisch, wenn der Diabetiker seine Nahrungsmengen abzuschätzen gelernt hat und die richtigen Mengen an Lebensmitteln isst. Es gilt: Die Personenwaage ist wichtiger als die Küchenwaage. Entscheidend sind das diätetische Augenmaß und die Beachtung des Körpergewichtes.

Ärzte Zeitung: Insulintherapie und Fernreisen - wie verträgt sich das?

Mehnert: Insulin verliert auch in heißen Ländern nicht seine Blutzucker-senkende Wirkung. Allerdings sollte direkte Hitzeeinwirkung vermieden werden. In besonders heißen Gegenden ist die Aufbewahrung der Insulinpräparate in einer kleinen Kühltasche zu empfehlen. Sonst genügt es, die Einwirkung von Sonneneinstrahlung zu vermeiden.

Ärzte Zeitung: Wie verhält sich ein Diabetiker wegen des Insulins und der Spritzen bei Kontrollen, zum Beispiel am Flughafen?

Mehnert: Es empfiehlt sich immer, einen Diabetikerausweis mitzunehmen, der entsprechende Vermerke auch in Fremdsprachen enthält, die auf die Wichtigkeit der Insulinbehandlung hinweisen.

Ärzte Zeitung: Was ist bei den Reiseimpfungen zu beachten?

Mehnert: Auf die müssen gerade Diabetiker sorgfältig achten, weil eine Infektion für den Stoffwechsel verheerend sein kann.

Ärzte Zeitung: Was ist zu tun, um die gute Diabetes-Einstellung zu halten?

Mehnert: Probleme für die Diabeteseinstellung ergeben sich, wenn man an einem Tag mehrere Zeitgrenzen überfliegt und der Reisetag entsprechend kürzer oder länger ist. Prinzipiell gilt: Verlängert sich der Tag beträchtlich, braucht man mehr Insulin, eventuell eine zusätzliche Injektion. Umgekehrt verringert sich die Insulindosis - womöglich sogar um die ganze Abendinsulinmenge - wenn die Flugrichtung den Reisetag stark verkürzt. Im Falle einer Infektion ist es ganz besonders wichtig, Insulin oder andere Blutzucker-senkende Pharmaka nicht ganz wegzulassen, auch wenn man fast nichts isst. Natürlich benötigt auch der hungernde Organismus Basalinsulin, da sonst eine diabetische Ketazidose entstehen kann.

Jetzt zeigt sich, ob Diabetiker wirklich mit ihren Blutzuckerselbstkontrollen umgehen können. In Zweifelsfällen sollte man lieber besser steuerbare, kurz wirkende Insuline spritzen, um nicht unangenehme Hypoglykämien zu bekommen. Die Erfahrung lehrt aber: Wenn akute Zweiterkrankungen auftreten, ist die Blutzuckererhöhung die größere Gefahr als die Hypoglykämie.

Professor Hellmut Mehnert

Diabetologie, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten - diesen Themen widmet sich Professor Hellmut Mehnert seit über 50 Jahren. 1967 hat er die weltweit größte Diabetes-Früherfassungsaktion gemacht. Er hat auch das erste und größte Schulungszentrum für Diabetiker in Deutschland ins Leben gerufen. Mehnert ist Träger der Paracelsus-Medaille, der höchsten Auszeichnung der Deutschen Ärzteschaft.

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Lesen Sie dazu auch kurz notiert: Niedriger glykämischer Index bringt es Psychoedukation lindert Depressionen Hohes Erkrankungsrisiko nach Gestationsdiabetes Rauchen ist bei Typ-1-Diabetes verbreitet Große Diabetes-Tagung steht vor der Tür

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