Münchner Forscher

Zellrezeptor für Harnsäurekristalle gefunden

Der Rezeptor Clec12a unterdrückt die Reaktion auf Harnsäurekristalle. Damit hat das Immunsystem offenbar einen Mechanismus entwickelt, um eine überschießende Reaktion auf die Kristalle zu verhindern.

Veröffentlicht:

MÜNCHEN. Wissenschaftler haben erstmals einen Rezeptor auf menschlichen Zellen identifiziert, der spezifisch Kristalle erkennt. Der neue Rezeptor kommt auf Immunzellen vor und bindet Harnsäurekristalle: Diese gelten als Auslöser für die Gicht, steuern aber auch Immunreaktionen.

Das Team, das von Forschern des Klinikums rechts der Isar an der Technischen Universität München (TUM) geleitet wurde, stellt seine Ergebnisse in der Zeitschrift Immunity (2014, online 13. März) vor.

Die Zellen des Immunsystems tragen auf ihrer Oberfläche ja eine Vielzahl von Rezeptoren, mit denen sie Krankheitserreger erkennen, erinnert die TU München in einer Mitteilung zur Veröffentlichung der Studie.

Sobald diese Rezeptoren aktiviert werden, kommt es zunächst zu einer Entzündung, die eine Abwehrreaktion des Körpers einleitet. Darüber hinaus gibt es auf Immunzellen Rezeptoren, die Immunreaktionen regulieren oder sogar eindämmen, um Schäden an eigenen Zellen zu vermeiden.

Auch körpereigene Stoffe werden erkannt

Manche Immunrezeptoren erkennen auch körpereigene Stoffe, die bei Gewebeschäden oder Zelltod freigesetzt werden. Damit kann sich der Organismus selbst dann wehren, wenn ein Krankheitserreger nicht direkt erkannt wird - dafür aber die Schäden, die er verursacht.

Mit dem Oberflächenmolekül Clec12a aus der Familie der C-Typ Lektin-Rezeptoren haben die Wissenschaftler um Professor Jürgen Ruland vom Klinikum rechts der Isar erstmals einen Immunrezeptor für Harnsäurekristalle entdeckt.

Harnsäure, ein Abbauprodukt von Nukleinsäuren wie der DNA, entsteht, wenn Zellen geschädigt werden. Wenn viele Zellen sterben, etwa bei einer Tumortherapie oder Infektion, steigt die Harnsäure-Konzentration, die Moleküle kristallisieren.

Immunreaktionen müssen reguliert werden

Harnsäurekristalle bilden sich auch bei Gewebeschäden und verstärken die Immunantwort. Allerdings regelt Clec12a die Immunreaktion herunter, anstatt sie anzuheizen, wie die TU München mitteilt. "Clec12a unterdrückt die Reaktion auf tote Zellen und Harnsäurekristalle", wird Ruland in der Mitteilung zitiert.

"Das Immunsystem hat offenbar einen Mechanismus entwickelt, um eine überschießende Reaktion auf die Kristalle zu verhindern."

Immunzellen können ausgesprochen toxische Substanzen produzieren, die neben Krankheitserregern auch das eigene Gewebe schädigen können. "Harnsäurekristalle und andere Stoffe aus geschädigten Zellen zeigen dem Immunsystem eine potenzielle Gefahr an", so Dr. Konstantin Neumann, Erstautor der Studie.

"Solange keine weiteren Anzeichen für eine echte Infektion gefunden sind, soll Clec12a wohl den Organismus vor Schäden durch das Immunsystem schützen."

Grundlegenden Mechanismus entdeck

tMit dem neu gefundenen Immunrezeptor für Harnsäurekristalle haben die Forscher einen grundlegenden Mechanismus aufgedeckt, wie das Immunsystem Kristalle erkennt.

Die Forscher werden untersuchen, ob weitere Clec12a-ähnliche Rezeptoren ebenfalls kristalline Strukturen erkennen.

"Möglicherweise gelingt es uns, in Zukunft Entzündungen mit Kristallbildungen besser zu regulieren, oder diese Mechanismen einzusetzen, um das Immunsystem zur Therapie von Tumor- oder Infektionserkrankungen gezielt zu manipulieren", so Ruland. (eb)

Mehr zum Thema

Blase, Niere, Prostata

Konsum von Cannabis erhöht Risiko für urologischen Krebs

„Das Blatt wendet sich“

RAS-Blocker präoperativ eher nicht absetzen?

Das könnte Sie auch interessieren
Was zur Prophylaxe wirklich nützt

© bymuratdeniz / Getty Images / iStock

Rezidivierende Harnwegsinfekte

Was zur Prophylaxe wirklich nützt

Kooperation | In Kooperation mit: Dermapharm AG
Fast jede Frau macht die Erfahrung einer Blasenentzündung. Häufigster Erreger ist E. coli.

© Kateryna_Kon / stock.adobe.com

Prophylaxe von Harnwegsinfekten

Langzeit-Antibiose nicht mehr First Line

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Dermapharm AG
Plädoyer für die Immunprophylaxe bei Harnwegsinfekten

Experten-Workshop

Plädoyer für die Immunprophylaxe bei Harnwegsinfekten

Kooperation | In Kooperation mit: Dermapharm AG
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Abb. 1: Reduktion von HWI-Rezidiven nach initialer Verordnung des Phytotherapeutikums im Vergleich zur initialen Verordnung eines Antibiotikums

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [1]

Real-World-Daten zu unkomplizierten Harnwegsinfektionen

Pflanzliches Arzneimittel: weniger Rezidive als unter Antibiotikum

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Repha GmbH Biologische Arzneimittel, Langenhagen
Abb. 1: Typische Laborbefunde bei paroxysmaler nächtlicher Hämoglobinurie (PNH)

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [1, 7, 8]

Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie

Unklare Hämaturie – auch an PNH denken

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Novartis Pharma GmbH, Nürnberg
Porträt: Dr. Jörg Sandmann | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

© Porträt: Dr. Jörg Sandmann | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

„ÄrzteTag extra“-Podcast

Der hypogonadale Patient in der Hausarztpraxis

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Besins Healthcare Germany GmbH, Berlin
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Berufsbedingte Schäden

Wenn Musikmachen Muskeln, Sehnen und Gelenke krank macht

Eine schwierige Entscheidung

Schlaganfall: Das sind Grenzfälle der Thrombolyse

Lesetipps
Sieht lecker aus und schmeckt — doch die in Fertigprodukten oft enthaltenen Emulgatoren wirken proinflammatorisch. Ein No-Go für Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen.

© mit KI generiert / manazil / stock.adobe.com

Emulgatoren in Fertigprodukten

Hilfreich bei Morbus Crohn: Speiseeis & Co. raus aus dem Speiseplan!

Checkliste Symbolbild

© Dilok / stock.adobe.com

Auswertung über Onlinetool

Vorhaltepauschale: So viele Kriterien erfüllen Praxen laut Honorarvorschau