Personalisierte Medizin

genomDE gestartet: Genommedizin soll Teil onkologischer Regelversorgung werden

Vor allem Patienten mit seltenen und onkologischen Erkrankungen könnten zunächst von der neuen Initiative genomDE profitieren. Geplant ist der Aufbau einer bundesweiten Plattform zur medizinischen Genomsequenzierung.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Die Genomsequenzierung gilt als Schlüssel für die Personalisierte Medizin. In der Onkologie wird sie teils schon praktiziert.

Die Genomsequenzierung gilt als Schlüssel für die Personalisierte Medizin. In der Onkologie wird sie teils schon praktiziert.

© ktsimage / Getty Images / iStock

Berlin. Vor Kurzem ist die Plattform „genomDE“ an den Start gegangen. Das vom ehemaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) initiierte Format soll die wichtigsten bundesweiten Initiativen zur Datennutzung und Sequenzierung in der Medizin mit führenden Wissenschaftlern aus unterschiedlichen Bereichen zusammenbringen – zur Stärkung der Personalisierten Medizin.

Konkret hat die Initiative genomDE das Ziel, die Genommedizin in die Regelversorgung zu implementieren. Dafür soll sie Standards für den klinischen Einsatz von Genomdiagnostik, die qualitätsgesicherte Sequenzierung und die interdisziplinäre Auswertung der Sequenzdaten etablieren.

Neben (sicherheits-)technischen Herausforderungen liegen vor allem auch ethische, regulatorische und gesellschaftliche Herausforderungen vor dem Konsortium. Koordiniert wird genomDE von der TMF – Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung. Die TMF ist die Dachorganisation für die medizinische Verbundforschung in Deutschland.

Verknüpfung mit EU-Initiative „1+Million-Genomes“

Für die vorgesehene Laufzeit von drei Jahren wird genomDE vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) finanziert. Da ähnliche Strategien bereits in anderen europäischen Ländern gestartet sind, beinhalten die Förderziele des BMG auch eine Verknüpfung von genomDE mit der EU-Initiative „1+Million-Genomes“.

Im Januar 2020 ist Deutschland als 21. EU-Mitgliedstaat „1+ Million Genomes“ beigetreten, die sich zum Ziel gesetzt hat, über eine Million Genome zu sequenzieren und damit die Gesundheitsversorgung zu verbessern. Gerade bei seltenen Erkrankungen reichen die regional oder national vorhandenen Patientenzahlen oft nicht für aussagekräftige wissenschaftliche Untersuchungen aus.

Aber auch für andere Erkrankungen gilt: Je mehr Daten zur Verfügung stehen, desto besser und belastbarer sind die Erkenntnisse. Durch die europäische Initiative sollen deshalb Daten europaweit systematisch zusammengeführt werden – unter der strengen Beachtung von Datenschutz und Datensicherheit.

Im Januar 2023 Startschuss für Modellvorhaben

Die labortechnischen Möglichkeiten der Humangenomforschung haben sich in den letzten Jahren rasant weiterentwickelt. Die Analyse des einzelnen menschlichen Genoms spielt seither auch für medizinische Versorgungskonzepte im Sinne der Personalisierten Medizin eine immer bedeutendere Rolle, so die TMF. Aktuell ist die klinische Anwendung der Genomsequenzierung auf seltene erbliche Erkrankungen und Krebs beschränkt.

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Im Juli 2021 hat das BMG schließlich ein Modellvorhaben zur Genomsequenzierung im §64e SGB V verankert. Am Aufbau der dort vorgesehenen genommedizinischen Dateninfrastruktur unter Beteiligung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und des Robert Koch-Instituts (RKI) wird sich genomDE ebenfalls unterstützend beteiligen. Im Januar 2023 soll dann der Startschuss für das Modellvorhaben fallen.

Onkologen erwarten Synergieeffekte

Wie Professor Nisar Malek, Ärztlicher Direktor, Innere Medizin I, Universitätsklinikum Tübingen, hinweist, würden mittlerweile bei praktisch allen fortgeschrittenen Krebserkrankungen genomische Analysen für individuelle Therapieangebote genutzt, insbesondere wenn die Standardoptionen ausgeschöpft sind.

Die Zentren für personalisierte Medizin, die sich im Deutschen Netzwerk für personalisierte Medizin (DNPM) zusammengeschlossen haben, böten hier ein bundesweit zugängliches und qualitätsgesichertes Versorgungsangebot. „Die Vernetzung unter dem Dach von genomDE erlaubt es, die Erkenntnisse einzelner Zentren rasch in eine flächendeckende, wissensbasierte Versorgung zu überführen und so einen realen medizinischen Mehrwert für den individuellen Patienten zu erzeugen“, verdeutlicht Malek.

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„Von einer molekular gesteuerten Präzisionstherapie können schon jetzt 30 Prozent der Patienten mit fortgeschrittenem Lungenkrebs mit einer um Jahre verlängerten Überlebenszeit bei guter Lebensqualität profitieren“, ergänzt Professor Jürgen Wolf, Ärztlicher Leiter Centrum für Integrierte Onkologie, Universitätsklinikum Köln. Im nationalen Netzwerk Genomische Medizin Lungenkrebs (nNGM) würden die hierzu notwendige molekulare Diagnostik und Therapie allen in Frage kommenden Patienten in Deutschland zugänglich gemacht und kontinuierlich evaluiert, so dessen Sprecher.

Hoffen auf weitere Meilensteine

Professor Stefan Fröhling, Geschäftsführender Direktor des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg, erinnert an die bereits erreichten Meilensteine in der Krebstherapie und hofft auf weitere Impulse für die künftige onkologische Versorgung.

Fröhling: „Seit die individuellen Eigenschaften bösartiger Tumoren bei der Behandlung der Betroffenen berücksichtigt werden, hat sich die Krebsmedizin grundlegend gewandelt. Insbesondere die Kenntnis der für eine Krebserkrankung verantwortlichen erworbenen und erblichen genetischen Faktoren ermöglicht eine ‚personalisierte‘ Auswahl der richtigen Therapie zum richtigen Zeitpunkt. Um diesen Weg konsequent weiterzugehen, begrüßen wir außerordentlich die Bestrebung, durch genomDE die Analyse vollständiger Tumorgenome in der Routineversorgung von Krebspatienten zu verankern.“

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