Alternative zur CT?

COVID-19-Diagnostik mit Dunkelfeld-Technik

Um COVID-19-typische Lungenschäden zu erkennen, soll in München jetzt die Dunkelfeld-Bildgebung mit Röntgenlicht zum Einsatz kommen. Ist die Technik eine Alternative zur CT?

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Prinzip der Dunkelfeld-Bildgebung mit Röntgenlicht. Drei so genannte Gitter, die das Röntgenlicht passieren muss, machen es möglich, den gestreuten Anteil des Röntgenlichts zu nutzen.

Prinzip der Dunkelfeld-Bildgebung mit Röntgenlicht. Drei so genannte Gitter, die das Röntgenlicht passieren muss, machen es möglich, den gestreuten Anteil des Röntgenlichts zu nutzen.

© TUM

München. Forscher der Technischen Universität München (TUM) haben ein neues Röntgenverfahren für die Lungendiagnostik entwickelt. Die Technik soll nun in einem der ersten Einsätze bei COVID-19-Patienten getestet werden. Sie könnte die für die Erkrankung typischen Veränderungen in der Lunge deutlich sichtbar machen und wäre dabei mit einer erheblich geringeren Strahlendosis verbunden als die gegenwärtig genutzte Computertomografie (CT), teilt die TUM mit. Das Bundesamt für Strahlenschutz habe jetzt die für die Tests nötige Genehmigung erteilt.

Fokus auf gestreutes Röntgenlicht

Im Gegensatz zur konventionellen Röntgen-Bildgebung, die auf der Abschwächung des Röntgenlichts auf dem Weg durch das Gewebe beruht, bestimmt die Dunkelfeld-Methode den kleinen Anteil des Röntgenlichts, der gestreut, also von seinem geraden Weg abgelenkt wird, erklärt die TUM das neue Diagnostik-Verfahren. Beim konventionellen Röntgen bleibe dieses gestreute Röntgenlicht unbeachtet.

Die neue Methode nutze damit das physikalische Phänomen der Streuung auf ähnliche Weise wie die schon länger bekannte Dunkelfeldmikroskopie mit sichtbarem Licht. Diese macht es möglich, weitgehend transparente Objekte deutlich abzubilden, die dabei im Mikroskop als helle Strukturen vor einem dunklen Hintergrund erscheinen, was der Methode auch ihren Namen verleiht.

Dunkelfeld-Bildgebung mit Röntgenlicht

  • Drei so genannte Gitter, die das Röntgenlicht passieren muss, machen es möglich, den gestreuten Anteil des Röntgenlichts zu nutzen.
  • Diese Gitter sind Anordnungen feiner Linien, die für Röntgenlicht abwechselnd unterschiedlich gut durchlässig sind.
  • So entsteht am Detektor zusätzlich zum konventionellen Röntgenbild ein Streifenmuster.
  • Die Streuung schwächt dieses zusätzliche Muster ab, so dass es in den Teilen des Bildes schwächer erscheint, die Körperbereiche zeigen, in denen viel Licht durch Streuung abgelenkt wird.

Quelle: TU München

Regionen mit kollabierten Alveolen abgrenzbar

„Die Streuung ist beispielsweise an Grenzflächen zwischen Luft und Gewebe besonders stark“, wird Professor Franz Pfeiffer, Lehrstuhl für Biomedizinische Physik an der TUM zitiert. Dadurch ließen sich in einem Dunkelfeldbild der Lunge Bereiche mit intakten, luftgefüllten Alveolen klar von Regionen unterscheiden, in denen die Lungenbläschen kollabiert oder mit Flüssigkeit gefüllt sind.

Zur Erinnerung: Bei einer COVID-19-Pneumonie bilden sich in der Lunge Strukturen, die von der Form her zunächst an Watte oder Spinnweben erinnern und sich zunehmend in der Lunge ausbreiten und mit Flüssigkeit füllen. In Verbindung mit weiteren typischen Symptomen gelten sie als eindeutiges Zeichen für COVID-19. Die Veränderungen in der Lunge gehen mit einer Schädigung der Alveolen einher, die in den Dunkelfeld-Bildern deutlich erkennbar sein könnte.

„Eine für die Medizin neuartige Untersuchungsmethode“

Die Dunkelfeld-Bildgebung mit Röntgenlicht sei eine für die Medizin völlig neuartige Untersuchungsmethode, die Pfeiffer mit seinem Team in über zehn Jahren von Grund auf entwickelt habe, so die TUM in ihrer Mitteilung. Im Jahr 2008 habe er den grundlegenden Ansatz vorgestellt, der es ermöglicht, dafür konventionelle Röntgenröhren einzusetzen, wie sie in Arztpraxen verwendet werden.

„Bis dahin konnte das Verfahren nur mit Röntgenlicht hoher Qualität genutzt werden, wie es nur an Synchrotronlichtquellen – aufwendigen Großforschungsanlagen – verfügbar ist“, berichtet die TUM. Seit den ersten Laborversuchen habe Pfeiffer zusammen mit Mitarbeitern sowie in enger Kooperation mit Ärzten die Methode so weiterentwickelt, dass nun ein für die Patientenuntersuchung geeignetes Gerät zur Verfügung steht.

Geringe Strahlendosis

Eine Untersuchung mit der Dunkelfeld-Technik wäre mit einer deutlich geringeren Strahlendosis verbunden als die heute verwendete CT. Denn sie erfordert nur eine einzelne Aufnahme pro Patient, während für die CT viele Einzelaufnahmen aus verschiedenen Richtungen erstellt werden müssen. In einem konventionellen zweidimensionalen Röntgenbild lassen sich die für COVID-19 typischen Veränderungen hingegen nicht eindeutig erkennen.

Mit der nun vorliegenden Zustimmung des Bundesamtes für Strahlenschutz können die Tests in den kommenden Wochen beginnen. Dafür wollen die Forscher Patienten, die am Klinikum rechts der Isar mit CT auf COVID-19 untersucht werden, anbieten, sich auch mit dem Dunkelfeld-Verfahren untersuchen zu lassen.

Ein Ziel: Geräteentwicklung beschleunigen

Pfeiffer hofft, mit diesen Tests die Durchführung von klinischen Studien und die Entwicklung marktfähiger Geräte zu beschleunigen, die die Dunkelfeld-Methode nutzen. „Es würde sicher über ein Jahr dauern, bis solche Geräte verfügbar sind. Wir können aber davon ausgehen, dass der Bedarf nach kostengünstiger, zuverlässiger und schonender COVIID-19-Diagnostik für längere Zeit erhalten bleibt,“ so Pfeiffer in der Mitteilung der TUM. (eb)

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