Modellprojekt in Hessen

Corona-Früherkennung in der Kläranlage

Im Abwasser kann die Entwicklung der SARS-CoV-2-Pandemie früher vorhergesagt werden als über Tests. Wissenschaftler fordern seit langem, die Methode auch einzusetzen. In Hessen läuft das jetzt an.

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Infizierte scheiden möglicherweise Fragmente des Coronavirus über Fäkalien aus.

Infizierte scheiden möglicherweise Fragmente des Coronavirus über Fäkalien aus. Abwasser könnte daher Aufschluss über die Zahl der Coronafälle in der Bevölkerung geben.

© Andreas Arnold / picture alliance

Wiesbaden/Darmstadt. Hessen erprobt landesweit die Corona-Früherkennung über das Abwasser. Mit der Methode könne das Infektionsgeschehen bis zu 14 Tage schneller abgebildet werden als über die Testung von Einzelpersonen, teilte das Wirtschaftsministerium am Montag in Wiesbaden mit. Zudem könnten neue Mutationen sowie lokale Cluster früher erfasst werden.

„Mit der Erprobung eines landesweiten Monitorings in Abwässern startet Hessen als erstes Bundesland in eine neue Phase der Pandemiebekämpfung“, erklärte Wissenschaftsministerin Angela Dorn (Grüne). Hessen könne damit „auf ein neues, hoch effektives Instrument zurückgreifen“.

Das Projekt liegt in den Händen von Wissenschaftlern der Technischen Universität (TU) Darmstadt um Professor Susanne Lackner. Das Land unterstützt es mit rund 1,5 Millionen Euro. Acht Monate sollen rund 200 Proben von hessischen Kläranlagen untersucht werden – das Abwasser von mehr als 40 Prozent der Einwohner. Die Analyse ist technisch anspruchsvoll und zeitlich aufwändig – ein mobiles Labor soll die Kläranlagen dabei unterstützen.

Noch keine Parameter für epidemiologische Bewertung

Die Methoden hätten sich bewährt, sagte Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne). Was aktuell noch fehle, seien Parameter für die epidemiologische Bewertung der Daten. Diese Lücke werde aber bald geschlossen. „Das standardisierte Konzept für ein ganzheitliches abwasserbasiertes Corona-Monitoring wird sich als Referenz für eine Umsetzung auf Bundesebene anbieten.“

Die Messungen könnten auch wichtige Erkenntnisse für andere Krankheitserreger liefern, sagte Lackner, „beispielsweise andere Viren oder antibiotikaresistente Keime, um damit zukünftigen Pandemien vorzubeugen oder sie schneller in den Griff zu bekommen“. Das Projekt sei „ein gelungenes Beispiel dafür, wie Innovationen aus der Forschung Möglichkeiten zur Bearbeitung gesellschaftlicher Herausforderungen aufzeigen“, sagte Professor Tanja Brühl, Präsidentin der TU Darmstadt.

In Rheinland-Pfalz läuft bereits seit Juni ein regionales Pilotprojekt, an dem zunächst die Kläranlage Mainz und das Hauptklärwerk in Trier beteiligt sind. Auch dort wollen Wissenschaftler mit Hilfe von Abwasserproben ein Frühwarnsystem zur Pandemiebekämpfung aufbauen. (dpa)
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