Kolumne „Hörsaalgeflüster“
Junger Blick auf alte Debatten – warum Studierende den Ärztetag bereichern
Mit kreativen Ideen und frischem Blick auf künftige Herausforderungen wollen sich die Studierenden des bvmd einbringen.
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Mit großer Mehrheit votierten die Delegierten beim Ärztetag in Leipzig dafür, einen Abbruch im ersten Trimenon der Schwangerschaft aus dem Strafgesetzbuch herauszunehmen. Schon 2019 forderte die bvmd in einem Positionspapier die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen.
© Christian Glawe-Griebel / helliwood.com
Unserer Leserschaft wird es wohl kaum entgangen sein, dass die medizinische Ausbildung eines unserer Kernthemen ist, selbstverständlich, denn wir als Vertretung der Medizinstudierenden erleben nun mal die Ausbildungsbedingungen täglich am eigenen Leib und sehnen Reformen herbei.
Aber natürlich ist da noch mehr. Die bvmd ist ein Verein, der nicht nur die Vielfalt und damit auch Themen der Medizinstudierenden versucht abzubilden, sondern auch in seinen eigenen Vereinsstrukturen so viel mehr ist als nur Interessensvertretung. Ein wenig davon durften die Teilnehmenden des Deutschen Ärztetages in Leipzig in unserer Delegation erleben. In diesem zweiten Teil unseres DÄT-Rückblicks wollen wir daher beleuchten, was uns abseits unserer in der vergangenen Woche beleuchteten „bread and butter“ AO-Forderungen in Leipzig bewegt hat.
Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen
Schon 2019 forderte die bvmd in einem Positionspapier die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Dementsprechend energisch sprachen wir uns auch gegenüber den Delegierten für entsprechende Anträge aus und begrüßen ausdrücklich, dass sich der 129. Deutsche Ärztetag unserer Forderung anschließt. Eine Mehrheit des Plenums hinter dieser Forderung versammelt zu sehen ist für uns ein wichtiger Schritt.
Nun liegt es am BÄK-Vorstand und der versammelten Ärzteschaft diese Forderung entschlossen, in den gesellschaftlichen Diskurs einzubringen, und in die medizinische Ausbildung zu integrieren: Eine fundierte, ethisch sensible Beratung auch zu herausfordernden Themen wie dem Schwangerschaftsabbruch muss selbstverständlicher Teil ärztlicher Kompetenz sein.
Darüber hinaus brachten wir uns mit großem Engagement in Diskussionen zur Vereinbarkeit von Selbstbestimmung bei Genderdysphorie und ärztlicher Verantwortung ein. Dass hier ein Beschluss gefasst wurde, der wissenschaftlich begründete konzeptuelle Einordnungen fordert, klingt nach einer Selbstverständlichkeit, ist aber tatsächlicheine wichtige Trendumkehr im Vergleich zu anderslautenden Beschlüssen des 128. Ärztetages in Mainz.
Es ist Zeit für das faire PJ
Unsere Delegation, die übrigens zum größeren Teil aus nicht-männlichen Personen bestand, wurde von fast allen Landesärztekammern oder anderen Gruppierungen zu Gesellschaftsabenden oder anderen Diskussionsforen eingeladen. Für diese Möglichkeiten möchten wir uns sehr herzlich bedanken.
Das Interesse an unseren Einschätzungen war und ist groß, was uns ermöglichte, noch einige weitere Punkte in Debatten oder teils sogar Anträgen zu platzieren: Die Finanzierung unseres traditionsreichen Austauschprogramms, übrigens eine ganz zentrale Säule unserer vielfältigen Vereinsstruktur, muss sichergestellt werden. Das PJ muss eine gute Ausbildung ermöglichen, ohne Studierende auszubeuten: Es ist Zeit für das faire PJ. Digitale Staatsexamina müssen ermöglicht werden, weil Patientenfälle nicht in Einzelfragen abbildbar sind und Schnittbildgebung so fürchterlich schlecht auf ein Blatt Papier passt. Und: Medizinische Ausbildung muss bei aktuellen gesundheitspolitischen Disruptionen zentral mitgedacht werden - im Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) ebenso wie bei KI-gestützter Versorgung.
So blicken wir zurück auf einen erfolgreichen Deutschen Ärztetag. Wir bedanken uns bei der Bundesärztekammer und allen Delegierten für den regen Austausch und die intensiven Debatten, bei denen wir viel voneinander lernen konnten.
Wir Studierenden genießen den Austausch mit erfahrenen politischen Akteur*innen und lernen neue Facetten kennen - aber auch umgekehrt sind wir überzeugt: Studierende bereichern den ärztlichen Diskurs – mit kreativen Ideen und frischem Blick auf die Herausforderungen der Zukunft.
Moritz Wimmer, ist Bundeskoordinator für Gesundheitspolitik bei der Bundesvertretung der Medizinstudierenden. Er studiert Medizin in Heidelberg.