Klimaschädliche Narkosegase

Ländle will Inhalationsanästhetika reduzieren und filtern

Über 40.000 Narkosen gibt es jeden Tag in Deutschland – und jedes Mal wird ein bisschen das Klima geschädigt. Baden-Württemberg will das jetzt ändern.

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Klimaschutz im OP: Bei dieser Knie-TEP-Op kommt bereits das wesentlichen weniger klimaschädliche Sevofluran (gelb) zum Einsatz.

Klimaschutz im OP: Bei dieser Knie-TEP-Op kommt bereits das wesentlichen weniger klimaschädliche Sevofluran (gelb) zum Einsatz.

© Sven Hoppe / dpa

Stuttgart. Gegen den Klimawandel nimmt Baden-Württemberg jetzt die Operationssäle der Krankenhäuser in den Blick – insbesondere die Arbeitsplätze der Anästhesistinnen und Anästhesisten. Inhalationsanästhetika sollen dort künftig aus der Abluft der Krankenhäuser gefiltert werden, wie das Wissenschaftsministerium ankündigt.

Auch sollen sie teilweise ersetzt werden. Details zu dem Projekt will Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) am Dienstag, den 21. Juli, im Kabinett vorstellen. Zuerst hatte die Tageszeitung „taz“ darüber berichtet.

Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) werden in den deutschen Krankenhäusern jeden Tag über 40.000 Narkosen durchgeführt. Hinzu kommen Narkosen in ambulanten Einrichtungen.

15.000 Kilometer für eine 7-stündige Op

Die dabei eingesetzten Inhalationsanästhetika werden oft nicht aufgefangen, sondern in die Umwelt abgeleitet. Die volatilen Anästhetika, die Flurane gelten nach Angaben des Klimaprojekts „KLIK green“ als potente Treibhausgase. Eine Op von 7 Stunden Dauer mit Desfluran verusache klimaschädliche Emissionen, die denen einer Autofahrt von 15.000 Kilometern entspreche. Jede Narkose verursache rechnerisch bis zu 118 Kilogramm CO2-Äquivalente.

Die inhalativen Anästhetika machten nicht nur 35 Prozent der Klimaemissionen eines Krankenhauses aus, sie wirkten auch klimaschädlicher als CO2. Desfluran kommt den Angaben zufolge auf den Faktor 2540, Isofluran auf den Faktor 510, Lachgas (N2O) auf den Faktor 300. Sevofluran ist mit einem Faktor von 130 noch das „bessere“ Narkosegas.

KLIK empfiehlt deshalb unter anderem

  • statt Desfluran das weniger klimaschädliche Sevofluran zu verwenden,
  • alternative Verfahren wie die totale intravenöse Anästhesie (TIVA) etwa mit Propofol, sowie je nach Eingriff bevorzugt Lokal- und Regionalanästhesie,
  • Minimal-Flow-Narkose mit reduziertem Frischgasfluss, wodurch die Menge von Narkosegasen reduziert wird,
  • sowie den Einsatz von Narkosegasfiltern (Aktivkohlefilter) zum Recycling der Gase.

Über 300 „Langstreckenflüge“

Solche Einsparpotenziale will das Wissenschaftsministerium in Stuttgarten jetzt nutzen. Ministerin Bauer werde sich auch für ein bundesweites Verbot klimaschädlicher Gase ohne Filter einsetzen und bei privaten Krankenhäusern dafür werben, sagte sie. Die vier landeseigenen Unikliniken sollen nach ihren Angaben bis zum Jahresende mehrere der Möglichkeiten umsetzen.

„Wir waren bass erstaunt, was diese kleinen Stellschrauben für das Klima erreichen können“, sagte Bauer. Sie hofft, Jahr für Jahr rund 1250 Tonnen CO2 durch die Maßnahmen gegen Narkosegase einsparen zu können. „Das entspricht etwa 324 Langstreckenflügen von München nach New York, Rückflug inklusive“, hieß es.

Das Ministerium erwartet für die Umrüstung mit den Filtergeräten bei allen mehr als 200 Kliniken im Land Kosten von etwa 500.000 Euro, das sei „sehr überschaubar“, hieß es. Die Unikliniken könnten ihre Kosten aus den jährlichen Investitionsmitteln des Landes finanzieren. „Am Geld soll dieser dringliche Schritt nicht scheitern“, fügte Bauer hinzu. (dpa/nös)

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