Kammerversammlung in Brandenburg
Nonnemacher: Wir haben Rettungsschirme im Aufbau
Brandenburgs Gesundheitsministerin Nonnemacher war bei der Ärztekammerversammlung zu Gast. Niedergelassene sollen sich aktiv in die Uni Cottbus einbringen, warb sie. Sie zeigte aber auch ein offenes Ohr für die Sorgen der Praxen.
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„Niemand will den Arztberuf entwerten, aber der Fachkräftemangel zwingt uns zum Handeln“, sagte Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher mit Blick auf die Community Health Nurses. (Archivbild)
© Carsten Koall/picture alliance
Potsdam. Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) hat für eine Beteiligung der niedergelassenen Ärzte am geplanten Innovationszentrum Universitätsmedizin Cottbus geworben. Vor der Kammerversammlung der Brandenburger Landesärztekammer, die am Samstag in Potsdam stattfand, erklärte sie im Rahmen einer „berufspolitischen Stunde“, es sei für den Aufbau einer medizinischen Fakultät in der Lausitz „absolut erfolgskritisch, dass die Akteure vor Ort und allen voran die Ärzteschaft vom Projekt überzeugt und dabei sind.“
Anfang November hatten Nonnemacher und ihre Kollegin, Forschungsministerin Manja Schüle (SPD), mit der Ärztekammer, der Kassenärztlichen Vereinigung und anderen regionalen Akteuren ein „Memorandum of Understanding“ unterzeichnet, das die Unterstützung dieser Organisationen für das Projekt zum Ausdruck brachte. „Damit haben wir einen bedeutenden Meilenstein erzielt“, sagte Nonnemacher. „Mit dem Memorandum haben wir dem Wissenschaftsrat den Beweis erbracht, dass die wichtigsten Akteure der Region mit an Bord sind.“
Community Health Nurse: Keine Bedrohung, sondern Chance
Nonnemacher warb zudem für das Projekt der „Community Health Nurse.“ Die Ärzteschaft sollte das als Chance, nicht als Bedrohung sehen. „Niemand will den Arztberuf entwerten, aber der Fachkräftemangel zwingt uns zum Handeln“, sagte die Ministerin. Vor den versammelten Standesvertretern äußerte sie sich zudem positiv über die Medizinische Hochschule Brandenburg (MHB). Sie leiste einen wichtigen Beitrag zur Gewinnung junger Ärzte. „Der Klebeeffekt der in Neuruppin und Brandenburg ausgebildeten Ärzte ist entgegen meinen Befürchtungen hoch“, sagte Nonnemacher. „Und wenn ich im Land unterwegs bin, höre ich, wie gut die neuen Kollegen aufgenommen werden.“
In der Corona-Pandemie sieht Nonnemacher Deutschland auf dem richtigen Weg. Noch sei die Pandemie aber nicht beendet. „Wir können noch nicht aufatmen.“ Sie selbst sei für ihr vorsichtiges Agieren bekannt, betonte die Ministerin. „Hier bin ich ganz Ärztin, im Sinne des primum nil nocere oder des secundum cavere.“
Sorgen um steigende Preise
Die anschließende Debatte stellte einen Schnelldurchlauf durch die Sorgen und Nöte der Brandenburger Ärzteschaft dar. Der Radiologe PD Dr. Thomas Schulz, der vor acht Wochen eine Praxis übernommen hat, berichtete, dass er für die jährlich 164.000 Kilowattstunden, die seine Geräte verbrauchen, statt bislang 38.000 Euro künftig 92.000 Euro Stromkosten haben werde. Auch Mieten, Wartungskosten und Gehälter stiegen bei gleichbleibender Vergütung. „Wir werden hier ziemlich alleine gelassen“, sagte Schulz.
Nonnemacher konnte dem „nur beipflichten“, verwies aber auf die im Bund geplante Deckelung der Strom- und Gaspreise für kleine und mittelständische Unternehmen. Auch Arztpraxen würden davon profitieren. „Wir haben außerdem Rettungsschirme im Aufbau, die subsidiär sein sollen zu den Bundeshilfen“, sagte Nonnemacher.
Der Cottbuser Pädiater Dr. Albrecht Grunske verwies auf die „dramatische Situation“ in den Kinderkliniken. Sie seien vielerorts zu 100 Prozent belegt. Überall fehlten Pflegekräfte. „Wir sind nicht ausreichend auf die Krise vorbereitet“, sagte Grunske.
Nonnemacher: Wir müssen weg vom DRG-Finanzierungssystem
Nonnemacher bezeichnete die vom Bund geplanten 300 Millionen Euro Hilfen für die Kinder- und Jugendkliniken als „richtigen Schritt, aber es muss auch strukturelle Veränderungen in der Krankenhausfinanzierung geben.“ Man müsse weg vom DRG-Finanzierungssystem kommen. Das Land Brandenburg plane zudem die Schaffung eines Versorgungsnetzwerks zusammen mit Berlin.
Die Königs Wusterhausener Nephrologin Beatrix Kaltenmaier zeigte sich besorgt über die zunehmenden Aufkäufe von Arztsitzen durch investorengeführte Medizinische Versorgungszentren. Es gebe im Land eine „mordsmäßige Steigerung der Praxispreise“, zuweilen würden „Mondpreise“ gezahlt. „Niedergelassene, die mitbieten, stellt das vor eine immense Hürde“, sagte Kaltenmaier. Nonnemacher erklärte, das auch mit Sorge zu sehen. Schwierig sei auch, dass viele Investoren die Praxen schnell wieder verkaufen würden.
Hingegen erklärte das scheidende Vorstandsmitglied der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg, Andreas Schwark, dass im Süden des Landes Brandenburg 40 Prozent der Praxisinhaber über 60 Jahre alt seien. „Diese Praxen werden wir nicht wiederbesetzen können“, sagte Schwark. „Nicht alle Krankenhäuser werden in der Lage sein, ambulant alle Fachrichtungen zu bedienen.“ Ärzte, deren Praxis von Investoren gekauft werden, sollten deswegen darüber froh sein, so Schwark.