Reform der Krankenhauslandschaft

Sachsen-Anhalts Unikliniken wollen keine „Vollsortimenter“ mehr sein

Eine Studie empfiehlt der Landesregierung, die Kliniken in Sachsen-Anhalt neu aufzustellen. Der Universitätskliniken wollen mehr Verantwortung übernehmen – und sich mehr spezialisieren.

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Ein Schild mit der Aufschrift Notaufnahme steht vor dem Eingang zum Universitätsklinikum in Magdeburg.

Eine von zwei Unikliniken in Sachsen-Anhalt: Die Notaufnahme am Uniklinikum Magdeburg.

© Ronny Hartmann / dpa

Magdeburg. Die beiden Universitätskliniken Halle und Magdeburg stehen einer Reform der Krankenhauslandschaft in Sachsen-Anhalt offen gegenüber. „Das Universitätsklinikum Magdeburg wird zukünftig kein Vollsortimenter medizinischer Leistungen mehr sein können“, sagte der Kaufmännische Direktor Marco Bohn der Deutschen Presse-Agentur. „Wir sind bereit, Leistungen an andere Krankenhäuser abzugeben und konzentrieren uns dafür auf unseren Versorgungsauftrag mit universitären Eingriffen. Die Steuerung und Netzwerkbildung im Norden des Landes wollen wir übernehmen.“

Ähnlich ist die Einschätzung im Süden des Landes. Man müsse für die komplexen Leistungen „mehr Luft kriegen“, sagte der Ärztliche Direktor des Universitätsklinikums Halle, der Chirurg Professor Thomas Moesta. „Wir sind zurzeit in all unseren Behandlungskapazitäten ausgelastet.“

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In der vergangenen Woche war in Magdeburg ein Gutachten zur Zukunft der Krankenhauslandschaft in Sachsen-Anhalt vorgestellt worden, das die Landesregierung in Auftrag gegeben hatte. Die Experten empfehlen, die Basisversorgung wohnortnah zu organisieren und schwere Fälle stärker an großen Krankenhäusern zu konzentrieren. Die Universitätskliniken sollen künftig eine stärkere Steuerung der Versorgung übernehmen. Nötig sei eine „koordinierende Rolle und die Projektmanagementkompetenz“, hieß es.

Mehr Kooperationen

Erste Kooperationen gibt es bereits. So arbeitet die Uniklinik Halle mit dem Diakoniekrankenhaus in der Stadt zusammen, das Darmkrebszentrum wurde ausgelagert. In Magdeburg arbeitet die Uniklinik mit dem Städtischen Klinikum zusammen. Außerdem wurde eine Kooperation mit dem Altstadtquartier geschlossen, um dort ambulante Operationen durchzuführen.

Auch untereinander wollen die Universitätskliniken stärker Schwerpunkte bilden. Bei der Frage der Besetzung und der Ausrichtung von Lehrstühlen gibt es Abstimmungen. Zudem soll sich Halle bei Transplantationen laut Moesta auf Nieren konzentrieren und Magdeburg auf Lebern. Da müsse man sich insgesamt noch weiter entwickeln, so der Ärztliche Direktor aus Halle.

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Auch der Aufsichtsratsvorsitzende beider Institutionen, Wissenschaftsminister Armin Willingmann, macht Druck. „Angesichts der begrenzten Ressourcen müssen sich die Unikliniken spezialisieren und in Forschung wie Krankenversorgung Schwerpunkte bilden. Das sichert bestmögliche Wissenschaft und strahlt auf Ausbildung wie Krankenversorgung aus“, sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. „Wir wissen, dass unsere im deutschen Vergleich eher kleinen Universitätsklinika unbedingt qualitativ und quantitativ ein Mindestlevel erreichen müssen, wenn sie als Maximalversorger wie als Universitätsmedizin weiterhin Bestand haben wollen.“

In Sachsen-Anhalt leben rund 2,2 Millionen Menschen. Die Bevölkerungsentwicklung ist seit Jahren rückläufig, 1990 lebten dort noch knapp 3,0 Millionen Menschen.

„Kritische Masse“ an Fällen nötig

Universitätsmedizin bedeute die Entwicklung neuer Behandlungsmethoden und die Ausbildung des medizinischen Nachwuchses auf hohem Niveau, sagte Willingmann. „Insbesondere für Forschung und entsprechende Ausbildung braucht man eine kritische Masse an Fällen, um wissenschaftlich Medizin betreiben und forschen zu können.“

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Seit der Corona-Pandemie gibt es bei den Krankenhausbehandlungen jedoch einen Knick. „Wir haben einen signifikanten Rückgang der Fallzahlen – gegenüber 2019 war es im vergangenen Jahr ein Minus von fast 19 Prozent“, sagte Bohn. „In Sachsen-Anhalt werden zu viele Patienten in Kliniken versorgt, die dafür nicht adäquat ausgerüstet und qualifiziert sind.“

Dadurch könnten Kliniken, die die entsprechende Infrastruktur vorhielten, nur schwer wirtschaftlich arbeiten. Davon sei auch das Universitätsklinikum Magdeburg betroffen, so Bohn. „Somit ist es zwingend notwendig, dass medizinische Spezialleistungen an den Unikliniken und großen Kliniken konzentriert werden.“ (dpa/eb)

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