Neu im Lehrplan

Schauspieler bringen jungen Ärzten im Saarland Videosprechstunde bei

Nebeneffekt des Corona-Sommersemesters: Medizinstudenten im Saarland lernen künftig online mit Schauspielern, wie ein richtig gutes Video-Gespräch mit Patienten geht. In weiteren Rollen: Hunde, Lärm und Bierflaschen.

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Video-Training: Angehende Mediziner sollen sich vor allem in der Fragetechnik üben.

Video-Training: Angehende Mediziner sollen sich vor allem in der Fragetechnik üben.

© daniilvolkov / stock.adobe.com

Saarbrücken. Wie lässt sich eine zielführende Videosprechstunde abhalten? Und auf welche Feinheiten ist im Vergleich zum Präsenzgespräch zu achten? Das können Medizinstudenten an der Universität des Saarlandes jetzt in Seminaren mit Simulationspatienten trainieren. Dabei ist das neue Trainingsformat eher aus der Not heraus entstanden, wie die Uni berichtet.

Seit 2007 ermöglicht die Uni angehenden Ärzten bereits im Rahmen des „Homburger Kommunikations- und Interaktionstrainings (HOM-KIT)“ in Präsenzseminaren mit Schauspielern Gesprächssituationen zu üben, um auf den Versorgungsalltag besser vorbereitet zu sein. Doch die Corona-Pandemie machte den Organisatoren in diesem Sommersemester einen Strich durch die Rechnung. So wurde aus der bei den Studenten beliebten Präsenzveranstaltung eine Online-Sprechstunde. 69 Studentinnen und Studenten kamen in den Genuss dieses Pilotprojektes.

Was beim Videogespräch wichtig ist

Das Feedback ist positiv. Die Studenten hätten klar signalisiert, dass sie beide Formate, Präsenz- und Video-Sprechstunde, weiter behalten und üben wollten, berichtet der Psychologe Roberto D’Amelio, der das HOM-KIT-Curriculum mitbegründet und das Konzept für das Online-Training erarbeitet hat.

Der wohl wichtigste Unterschied zur „normalen Sprechstunde“: Statt Körperpartien abzutasten, müssen die angehenden Ärzte lernen, alles zu erfragen und den Patienten dazu zu bewegen, seine Symptome möglichst genau und detailliert zu beschreiben.

Gleichzeitig haben sie aber die Chance, im häuslichen Umfeld eventuell auch mehr Dinge wahrzunehmen. So sah eine Szene aus dem Kommunikationstraining in diesem Corona-Sommersemester laut der Uni wie folgt aus: Der Patient saß vor der Kamera des Computerbildschirms und hat dem Medizinstudenten am anderen Ende der Videoleitung seine Situation geschildert. Dabei klagte er über Herz-Kreislauf-Beschwerden und sprach über seine derzeitige persönliche Situation (drohende Arbeitslosigkeit, daraus resultierenden Stress, familiäre Belastungen). „Und ganz unvermittelt greift er neben sich zur Bierflasche und nimmt einen kräftigen Schluck“, so der Studienmanager der Medizin, Fabio Lizzi, der an der Klinik für Innere Medizin IV arbeitet. „Der wollte mal sehen, wie der Student darauf reagiert.“

Falls der Student nicht selbst darauf kommt, erhält er von erfahrenen Medizinern direkt ein Feedback, was er besser machen könnte. Etwa nach den Trinkgewohnheiten des Patienten zu fragen, wenn er wie hier mitten im Gespräch zur Bierflasche greift.

„Da sind lauter kleine Bühnen“, sagt auch Urban Sester, der einer der verantwortlichen Professoren für die Simulationssprechstunde ist. Trainiert wird aber auch, Nebenkulissen möglichst abzustellen. „Der Hund rennt ständig durchs Bild, oder durchs geöffnete Fenster dringt Baulärm herein und stört das Gespräch“, nennt Sester Beispiele. „Wir wollen dann sehen, wie die Studentinnen und Studenten darauf reagieren und ob sie die Schauspieler-Patienten beispielsweise bitten, das Fenster zu schließen oder den Hund von jemand beaufsichtigen lassen, während Arzt und Patient miteinander sprechen.“

Die Tücken beim Blickkontakt

Wichtig ist zudem, dass der Blickkontakt in der Videosprechstunde anders funktioniert, als wenn man dem Patienten im Sprechzimmer direkt gegenübersitzt. Dazu müsse man ganz bewusst in die Kameralinse schauen statt auf den Computerbildschirm, so Lizzi. Denn schaue man einfach auf den Bildschirm, erwecke es beim Gegenüber den Eindruck, als schaue man an der Person vorbei, mit der man redet.

Die Schauspieler werden von den Medizinern des Universitätsklinikums des Saarlandes (UKS) intensiv auf ihre Rollen vorbereitet, damit sie medizinisch fundiert ihre Leiden vorspielen können. Dabei werden die HOM-KIT-Seminare im vorklinischen und im klinischen Studienabschnitt angeboten. Während es im vorklinischen Abschnitt vor allem um das Trainieren des Anamnese-Gesprächs geht, werden im klinischen Abschnitt auch herausfordernde Situationen wie das Überbringen lebensbedrohlicher Diagnose geübt. (reh)

Weitere Infos zum Kommunikationstraining der Universität des Saarlandes.

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