Portrait eines Helmholtz-Gründungsdirektors

„Seuchenfahnder“ freut sich auf Feldarbeit vor der eigenen Haustür

Er war in Westafrika dem Ursprung der Ebola- Epidemie auf der Spur und hat auf einer WHO-Mission zur Herkunft der Corona-Pandemie geforscht: Künftig leitet Fabian Leendertz ein Institut, das im Kampf gegen Epidemien helfen soll.

Von Christopher Hirsch Veröffentlicht:
Fabian Leendertz ist Gründungsdirektor des Helmholtz-Instituts für One Health in Greifswald.

Fabian Leendertz ist Gründungsdirektor des Helmholtz-Instituts für One Health in Greifswald.

© Stefan Sauer/dpa

Greifswald/Berlin. Fabian Leendertz kam 2014 in Westafrika etwas zu spät. „Hätten sie den Baum nicht angezündet, hätte ich die richtigen Fledermäuse fangen können und wäre jetzt dermaßen berühmt“, erinnert sich der Biologe und Veterinärmediziner im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Damals war er zusammen mit anderen Wissenschaftlern dem Ursprung des größten Ebola-Ausbruchs in der Geschichte auf der Spur.

Er und sein Team hatten die Epidemie bis zu einem hohlen Baum zurückverfolgt, der bei Kindern als Spielort beliebt, aber auch eine Fledermaus-Kolonie war. Wahrscheinlich ist der Erreger dort auf den Menschen übergesprungen, sagt er. Es sei bis heute das plausibelste Szenario. Einheimische hätten allerdings nach Warnungen vor Fledermäusen den Baum angezündet und beweisen könne man den Ursprung ohne infizierte Fledermaus nicht, sagt der Gründungsdirektor des neuen Helmholtz-Instituts für One Health in Greifswald (HIOH).

Vom RKI in den Nordosten

One Health ist englisch für „eine Gesundheit“ und steht dafür, menschliche Gesundheit, Tiergesundheit und die Umwelt zusammen in den Blick zu nehmen. Unter Leitung von Leendertz soll das Institut in Mecklenburg-Vorpommern künftig etwa erforschen, unter welchen Bedingungen Erreger vom Tier auf den Menschen überspringen und wie man das verhindern kann. Auch bei der Corona-Pandemie wird von so einer Zoonose ausgegangen.

Der 48-Jährige leitete bisher eine Arbeitsgruppe am Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin und hat als Teil einer Mission der Weltgesundheitsorganisation zum Ursprung der Corona-Pandemie geforscht. Der schon als „Seuchenfahnder“ betitelte Wissenschaftler erforscht die Verbreitung von Erregern überall auf der Welt. „Wir benutzen alle Tools, die vorhanden sind.“ Anthropologen untersuchten die Verhaltensweisen von Menschen etwa im Umgang mit Tieren. Diese würden von Veterinärmedizinern in den Blick genommen. In Labors analysierten Wissenschaftler die DNA-Struktur von Erregern.

Privatdozent Dr. Fabian Leendertz

  • Biologe und Veterinärmediziner
  • Experte für Zoonosen
  • Leiter der RKI-Projektgruppe Epidemiologie hochpathogener Erreger
  • Gründungsdirektor des neu gegründeten Helmholtz-Instituts für One Health

Die Globalisierung trägt laut Leendertz dazu bei, dass sich Erreger schneller verbreiten. Er kenne Urwalddörfer, die man in der Vergangenheit kaum erreichen konnte. „Da ist der Erreger natürlich extrem schwer rausgekommen.“ Das habe sich geändert. Die Welt sei bis in den letzten Winkel hinein verknüpft. „Die Gefahr, dass etwas von einer kleinen Epidemie zu einer großen Epidemie oder gar zur Pandemie wird, ist wesentlich größer.“ Daher sei es auch im Interesse der hiesigen Bevölkerung, anderswo Gesundheitssysteme zu stärken.

Nicht nur Exotik ist gefragt

Die Arbeit des Helmholtz-Instituts soll sich aber nicht nur auf exotische Urwälder konzentrieren. Auch im Umkreis von Greifswald soll gearbeitet werden, etwa zusammen mit der SHIP-Studie. Im Rahmen der Study of health in Pomerania werden seit den 1990ern Tausende Menschen in Kohorten medizinisch untersucht, aber auch zu ihrem Lebenswandel befragt. „Da freue ich mich schon darauf, dass man die Feldarbeit ein bisschen vor der eigenen Haustür hat.“

Wenn es nach Leendertz geht, sollen nicht nur Wissenschaftler aus Europa etwa in Afrika forschen, sondern auch afrikanische Doktoranden in Vorpommern „über die Bauernhöfe ziehen und Mäuse beproben“.

Neben Infektionskrankheiten und Zoonosen soll ein Fokus des Instituts auch auf Resistenzen liegen, die etwa durch den Einsatz von Antibiotika bei Tieren und bei Menschen entstehen können.

Beginn der Arbeiten im Frühjahr

Mitte Oktober will der Wissenschaftler zusammen mit seiner Familie inklusive vier Kindern nach Greifswald ziehen. Mit dem Beginn der ersten Laborarbeiten rechnet er im kommenden Frühjahr. Die Planungen und Vorbereitungen für einen Institutsneubau laufen laut Leendertz. Bis es so weit ist, könne es aber noch fünf bis sechs Jahre dauern. Zunächst komme man in Büros und Laboren der Universität beziehungsweise der Unimedizin Greifswald unter.

Das HIOH soll außerdem auch eng mit dem nahe Greifswald gelegenen Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) zusammenarbeiten. FLI-Präsident Thomas Mettenleiter freut sich nach eigener Aussage auf die Zusammenarbeit. Das Thema One Health stehe am FLI schon seit Jahren ganz oben auf der Agenda. „Mit Fabian Leendertz als Gründungsdirektor ist aus unserer Sicht der richtige Fachmann am richtigen Ort.“ (dpa)

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