Lebensmittelkennzeichnung

Appell für die Ampel

Deutschland hat sich dem Kampf gegen zu viel Salz, Zucker und Fett in Lebensmitteln verschrieben – allein der Weg dahin ist umstritten. Eine Studie von Foodwatch offenbart: Die Ampel Nutri-Score ist für Verbraucher die verständlichste Nährwertkennzeichnung.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
In Frankreich wird die Lebensmittelkennzeichnung via Nutri-Score bereits praktiziert.

In Frankreich wird die Lebensmittelkennzeichnung via Nutri-Score bereits praktiziert.

© Christophe Gateau / dpa / picture alliance

BERLIN. Quo vadis, Lebensmittelkennzeichnung? Diese Frage genießt in Deutschland im Moment große Aufmerksamkeit.

De facto gibt es allerlei Optionen, Lebensmittelverpackungen mit Informationen zum Salz-, Fett- und Zuckergehalt des betreffenden Produktes zu kennzeichnen. In verschiedenen Ländern rund um den Globus wird dies auch praktiziert.

In Deutschland hat Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) noch nicht Farbe dazu bekannt, welchem etablierten oder eventuell neu zu kreierendem System sie gesetzlich den Weg ebnen will.

Sie hat das Max-Rubner-Institut (MRI) beauftragt, die vorhandenen Optionen zu prüfen und bei Bedarf eine neue Alternative zu schaffen. Dieser Prozess könnte mehrere Jahre in Anspruch nehmen.

Klöckners Taktik hat die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch sowie viele Ärztevereinigungen auf den Plan gerufen. Angesichts einer zunehmenden Prävalenz von Adipositas in der Gesellschaft appellierten sie an die Ministerin, keine Zeit zu verlieren und den aus Frankreich stammenden Nutri-Score, den auch die SPD befürwortet, einzuführen. Dieser kennzeichnet Lebensmittel in einer Farbskala von Grün bis Rot entsprechend ihrem Nährwert.

Rückenwind bekommen Foodwatch und die Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) als Nutri-Score-Befürworter durch eine bevölkerungsrepräsentative Befragung zur Lebensmittelkennzeichnung, die die Verbraucherschutzorganisation am Mittwoch in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt hat.

Bei DANK handelt es sich um einen Zusammenschluss von 22 medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften, Verbänden und Forschungseinrichtungen, der sich für Maßnahmen zur Verhinderung von Krankheiten wie Adipositas, Diabetes, Krebs und Herz-Kreislaufkrankheiten einsetzt. Publiziert wurde die Studie in der Fachzeitschrift „Ernährungsumschau“.

Fünf Systeme in zwölf Ländern im Vergleich

Ergebnis: Die Lebensmittelampel Nutri-Score ist die verständlichste Nährwertkennzeichnung für Verbraucher in Deutschland.

Die Forschergruppe der Universitäten Paris-Nord und Curtin im australischen Perth hatte in insgesamt zwölf Ländern fünf Modelle zur Kennzeichnung von Nährwerten wie Zucker, Fett und Salz auf der Vorderseite von Lebensmittelverpackungen miteinander verglichen.

Neben Nutri-Score wurden die britische Lebensmittelampel („Multiple Traffic Lights“), das in Australien und Neuseeland verwendete „Health Star Rating System“, das chilenische Warnzeichen sowie die von der Industrie entwickelte und freiwillig eingesetzte GDA-Kennzeichnung („Guideline Daily Amount“) verglichen.

Die Studienteilnehmer hatten laut Foodwatch die Aufgabe, verschiedene Lebensmittel nach ihrer Nährwertqualität einzuordnen. Im Vergleich zu nicht gekennzeichneten Produkten erhöhten demnach alle getesteten Kennzeichnungsmodelle die Anzahl der korrekten Antworten, der Nutri-Score erwies sich jedoch als das effektivste Modell. Die Befragten konnten mit der Nutri-Score-Ampel am besten einordnen, wie ausgewogen verschiedene Lebensmittel sind.

Iglo wollte Nutri-Score verwenden

Wie ein Damoklesschwert schwebt über der deutschen Lebensmittelbranche allerdings die noch nicht rechtskräftige Entscheidung des Landgerichts Hamburg. Das hatte dem führenden deutschen Tiefkühlkostanbieter Iglo die Kennzeichnung seiner Produkte mit dem Nutri-Score auf Verpackungsvorderseiten via einstweiliger Verfügung untersagt. Zur Begründung nannte das Gericht das Wettbewerbsrecht.

In Berlin nahm Foodwatch angesichts des Urteils und der Studie die Ernährungsministerin am Mittwoch erneut in die Pflicht, regulatorisch zu handeln.

„Julia Klöckner ignoriert die überwältigende wissenschaftliche Faktenlage. Mit der Nutri-Score-Ampel erkennt jeder auf einen Blick, wie ausgewogen oder unausgewogen verarbeitete Lebensmittel sind. Es ist höchste Zeit, dass Ministerin Klöckner sich von der unbelehrbaren deutschen Süßwaren- und Junkfood-Industrie emanzipiert und dem besten Kennzeichnungsmodell für Europas Verbraucherinnen und Verbraucher auch in Deutschland zum Durchbruch verhilft“, wetterte Luise Molling von Foodwatch.

EU-weite Regelung noch nicht in Sicht

Die Verbraucherschützer zielen dabei – ohne das Kind beim Namen zu nennen – auf den Lebensmittelverband Deutschland. Dieser hatte jüngst – noch als Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) firmierend – ein eigenes, nach Verbandsangaben in der Branche weitgehend konsentiertes Kennzeichnungssystem ins Leben gerufen und Klöckner zur Kenntnis gegeben.

Der BLL/Lebensmittelverband Deutschland fungiert auch als Partner des runden Tisches, an dem sich die deutsche Lebensmittelbranche im vergangenen Jahr selbstverpflichtet hat, die von Klöckner in der nationalen Reduktionsstrategie festgelegten, niedrigeren Fett-, Salz- und Zuckerwerte vorwiegend in Fertiglebensmitteln bis 2025 zu erreichen.

Das Hickhack um den Nutri-Score ist unter anderem auch darauf zurückzuführen, dass bisher in der EU noch keine Richtlinie oder Verordnung zu welcher Lebensmittelampel auch immer in Sicht ist.

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