"Bilder, nicht Zahlen vermitteln das Grauen"

FRANKFURT/MAIN (Smi). Bis zu 300 000 Menschen sind bei dem Erdbeben in Haiti ums Leben gekommen. Eine unvorstellbare Zahl. Und doch eine, die abstrakt bleibt wie jede andere Zahl.

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Die Massen-Impfungen für Kinder gegen Diphtherie und Tetanus dauern sechs Wochen nach dem Beben auf Haiti weiter an. © dpa

Die Massen-Impfungen für Kinder gegen Diphtherie und Tetanus dauern sechs Wochen nach dem Beben auf Haiti weiter an. © dpa

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"Man kann das nicht anhand der Zahlen begreifen", sagt Dr. Inga Osmers. "Nur anhand der Bilder." Drei Wochen lang ist die Berliner Unfallchirurgin für die Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" in Port-au-Prince gewesen. Ein Einsatz in "apokalyptischer Atmosphäre".

Leichen, die in Lastwagen abtransportiert werden, verwaiste Kinder, die durch die Straßen irren, Menschen, die sich inmitten ihrer zerstörten Stadt mit Trümmerstücken Areale abgrenzen, in denen sie schlafen, leben, vegetieren: Was Inga Osmers während ihres zweiten Einsatzes für "Ärzte ohne Grenzen" (MSF) in Haiti erlebt hat, verfolgt sie zwar nicht bis in ihre Träume - "aber es sind Eindrücke, die ich mein Leben lang nicht vergessen werde".

Drei Wochen lang hat die 36-jährige Ärztin unter primitivsten Bedingungen versucht, Menschenleben zu retten. Ohne Strom und ohne fließend Wasser. "Anfangs lagen die Patienten im Dreck", erzählt Inga Osmers, "überall Fliegen, es war heiß, die Menschen kamen mit schwer infizierten Wunden, die schon eine Woche alt waren, ich habe in meinem Leben noch nie so viel amputiert wie in diesen Tagen."

Das Team von MSF hatte seine provisorische Klinik zunächst in den Ruinen eines ehemaligen Krankenhauses errichtet und nahm in der ersten Woche 210 Operationen vor. Inga Osmers und ihre Kollegen arbeiteten von sieben Uhr morgens bis spät in die Nacht. Es sei ein "exzellentes Team" gewesen, sagt die Berliner Chirurgin im Rückblick. "Ich habe selten so eng und effizient mit Kollegen zusammengearbeitet".

In der dritten Woche konnte die Ärztin schon unter einem Zeltdach operieren und Wunden versorgen, ihre Patienten lagen in Betten, für Strom und Wasser war gesorgt. Da habe sich schon gezeigt, dass man trotz der katastrophalen Umstände, "die alles andere als aseptisch waren", beste Ergebnisse erzielt habe, "das hat mich wirklich überrascht", sagt Osmers im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

Seit kurzem wieder daheim in Berlin, geht die Unfallchirurgin wie gewohnt ihrem Alltag nach. In Haiti, so sagt sie, gehe es derzeit hauptsächlich um die postoperative Versorgung. Die Schwerpunkte dabei lägen in der pflegerischen und physiotherapeutischen Nachversorgung sowie in der psychologischen Betreuung der Erdbebenopfer. Ein Trauma, das die Hauptstadt vereint. Inga Osmers: "Das haben wirklich alle erlebt."

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Eine schon bald vergessene Region?

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