Das "Schatzkästchen" des Morphin-Entdeckers

Eine alte Holztruhe mit bislang unbekannten Unterlagen des Morphin-Entdeckers Friedrich Wilhelm Sertürner hat das Deutsche Apotheken-Museum in Heidelberg erworben und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Von Marion Lisson Veröffentlicht:
Briefe in der Truhe.

Briefe in der Truhe.

© C. Sachße, Deutsches Apotheken-Museum

HEIDELBERG. Stolz präsentiert Dr. Elisabeth Huwer vom Heidelberger Apothekermuseum ihre Neuerwerbung: Die kleine Holztruhe mit Schriften, Briefen und Zeichnungen sowie Zeugnissen und Diplomen über den Apotheker und Morphin-Erfinder Friedrich Wilhelm Sertürner ist etwas Besonderes.

Forscher und Wissenschaftler versprechen sich jetzt neue Erkenntnisse über das Leben und die Arbeit des 1783 geborenen Pharmazeuten.

Friedrich Wilhelm Sertümer hatte zu Beginn des 19. Jahrhunderts den Wirkstoff Morphin erstmals aus Opium isoliert.

"Mit der Auffindung des zentralen Mittels der Schmerztherapie und einer ganz neuen Klasse von Pflanzenstoffen, der Alkaloide, hat er damit die Grundlage der modernen Arzneimittelforschung gelegt", erklärt Museumsdirektorin Huwer. Mit den Alkaloiden seien die ersten schmerzfreien Operationen möglich geworden.

"Sertürner war jedoch ein Mann, der Jahrzehnte um seine Anerkennung kämpfen musste", ergänzt Hermann Vogel, Vorstandsvorsitzender der Deutsche-Apotheken-Museum-Stiftung bei einer Pressekonferenz in Heidelberg.

Zeichnungen vom Wolkenatom-Modell

Auch Vogel würdigte Sertürners Verdienste um die Entdeckung des Morphins im Jahr 1804 im Labor der Hof-Apotheke Paderborn, mit der ein neues Kapitel in der Geschichte des Arzneimittels begann.

In schneller Folge seien weitere Alkaloide entdeckt worden. Der Apothekerberuf habe sich grundlegend gewandelt, denn als Folge der aufwendigen Gewinnung der Wirkstoffe hätten sich einzelne Apotheker auf deren Isolierung spezialisiert. "Die pharmazeutische Industrie entstand", so Vogel.

Die Truhe wurde sehr wahrscheinlich bereits zu Sertürners Lebzeiten zur Aufbewahrung seiner wichtigsten Unterlagen genutzt. Sie enthält rund 70 Belege seiner wissenschaftlichen Arbeit, darunter etwa 300 bis 400 Manuskriptseiten.

Es sind Entwürfe, Reinschriften, korrigierte Druckfahnen - vielfach bislang unveröffentlichtes Material.

Auch wurden in der Truhe einige Zeichnungen -  unter anderem die "Wolkenatom-Modelle"-  und ein Skizzenbuch mit Versuchsaufbauten gefunden.

Die Diplome galten als verschollen

Dazu zählt auch ein Schnitt durch die erste "Zündmaschine" der Welt, das sogenannte Döberein'sche Feuerzeug. Dieses hatte Apotheker Johann Wolfgang Döbereiner (1780-1849) im Jahr 1823 erfunden.

Der Werdegang vom Apothekerlehrling bis zum Doktortitel lässt sich mit Sertürners Lehrzeugnis von 1803, einem Zeugnis zur Lehr- und Gehilfenzeit vom Paderborner Hofapotheker Cramer von 1806 sowie mit der Doktorurkunde der Universität Jena aus dem Jahr 1817 nachzeichnen.

Rund zehn Mitgliedsurkunden der führenden wissenschaftlichen Gesellschaften Europas sind ebenfalls im Nachlass erhalten. Dazu zählt die Aufnahme als auswärtiges Mitglied in die "Societät für die gesamte Mineralogie zu Jena".

Vorsitzender des Gremiums war kein geringerer als Johann Wolfgang Goethe. Die Diplome von Sertürner galten bislang als teilweise verschollen.

In der hölzernen Kiste liegt auch einiges an Korrespondenz, darunter das Schreiben des "Institut du France" mit der endgültigen Zuerkennung der Erstentdeckung des Morphins an Sertürner aus dem Jahr 1831.

Jede Seite ist ihren Preis wert

Auch ein anerkennendes Schreiben von Christoph Wilhelm Hufeland (1762-1836) vom Jahr 1826 lag in der Truhe. Hufeland war unter anderem Leibarzt der königlichen Familie Friedrich Wilhelm III.

Auch zwei schwärmerische Briefe Sertürners an seine Verlobte Eleonore von Rettberg vom November 1820 sind dabei. Mehrere Entwürfe zu Briefen an hochstehende Persönlichkeiten wie Fürst Metternich zeigen Sertürners Streben nach weiterer Anerkennung seiner Leistungen und Förderung seiner Forschung.

Die Nachkommen Sertürners, das Geschwisterpaar Dr. Malte und Wernhera Peters, hatten die Holztruhe mit den Dokumenten ihres Vorfahren verwahrt, wollten die Dokumente jetzt aber der Öffentlichkeit zugänglich machen.

Über den Preis dieses erworbenen Nachlasses wollten die drei Stiftungen, die den Kauf für das Heidelberger Apothekenmuseum finanzierten, keine Auskunft geben.

Doch jede Seite sei ihren Preis wert, ist man sich bei der Kulturstiftung der Länder (Berlin), der August und Dr. Anni Lesmüller-Stiftung (München) und dem Förderverein Deutsches Apotheken-Museum einig.

Besucher des Museums können das "Schatzkästchen" mit ersten Dokumenten bereits ab sofort in den Museumsräumen unter dem Dach des Heidelberger Schlosses bestaunen. Eine große Präsentation des Nachlasses ist zum 175. Todestag von Sertürner für 2016 geplant.

www.deutsches-apotheken-museum.de; geöffnet täglich zwischen 10 Uhr und 18 Uhr; Eintritt: 5 Euro

Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Hörsaalgeflüster

Südkorea: Klinikalltag im Ausland

Gelistet als Best-Practice-Intervention

Psychische Gesundheit: OECD lobt deutsches Online-Programm iFightDepression

Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

© HL

Herbstsymposium der Paul-Martini-Stiftung

Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Willkommenskultur

Neu im Team? Was Praxen beim Onboarding beachten sollten

Lesetipps
Impfung gegen Gelbfieber: Ist eine Auffrischung nötig?

© Porträt: privat | Spritze: Fied

Sie fragen – Experten antworten

Impfung gegen Gelbfieber: Ist eine Auffrischung nötig?

Mammografie-Screening bei einer Patientin

© pixelfit / Getty Images / iStock

Prävention

Mammografie-Screening: Das sind Hindernisse und Motivatoren