Kinder mit Diabetes

Diese Kinder haben schlechte Karten

Kinder mit Migrationshintergrund schneiden bei der Diabetesversorgung schlechter an als deutsche Gleichaltrige. Das zeigt eine aktuelle Studie.

Von Veronika Schlimpert Veröffentlicht:

BERLIN. Die Versorgung von an Diabetes erkrankten Kindern mit Migrationshintergrund weist große Lücken auf. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Analyse von Dr. Nicole Prinz vom Zentralinstitut für Biomedizinische Technik an der Universität Ulm, die auf dem Kongress der Deutschen Diabetesgesellschaft (DDG) vorgestellt wurde.

Mit ihrer Arbeitsgruppe hatte Prinz die Daten von 27.643 Kindern und Jugendlichen unter 20 Jahre aus dem DPV-Register (Diabetes-Patienten-Verlaufsdokumentation ausgewertet. In diesem sind demografische und klinische Daten von aktuell 454.572 Diabetespatienten dokumentiert. Die zentralen Ergebnisse der Auswertung:

BMI und HbA1c-Werte: Kinder, deren Väter oder Mütter aus der Türkei stammen, haben einen signifikant höheren Body Mass-Index Standard Deviation Score (BMI-SDS) und HbA1c als Kinder ohne Migrationshintergrund. Der Wert lag hier bei 0,58 im Vergleich zu 0,31 bzw. 69,7 im Vergleich zu 66,6 mmol/mol. Ebenfalls einen geringfügig höheren BMI wiesen Kinder mit Eltern aus Süd- oder Osteuropa auf (0,40 und 0,37); deren HbA1c-Werte hingegen unterschieden sich nicht wesentlich.

Eine Insulinpumpentherapie wiederum wird allen Kindern mit Migrationshintergrund - egal aus welchem Herkunftsland - signifikant seltener zuteil (bei 27, 28 bzw. 33 Prozent der Kinder aus der Türkei, Süd- bzw. Osteuropa im Vergleich zu 38 Prozent der einheimischen Kinder.

Akute Komplikationen: Hier ergibt sich ein uneinheitliches Bild. Hypoglykämien traten bei Kindern mit Migrationshintergrund nicht wesentlich häufiger auf, mit Ausnahme von Kindern aus Osteuropa; diabetische Ketoazidosen hingegen kamen bei Kindern mit Müttern aus der Türkei oder Südeuropa häufiger vor.

Versorgung: Kinder aus der Türkei sind häufiger stationär oder ambulant vorstellig geworden. Im Schnitt habe ein Patient aus der Türkei vier Kontakte pro Jahr mehr im Vergleich zu Patienten ohne Migrationshintergrund.

Der sozioökonomische Status spielt in der Auswertung jedoch eine entscheidende Rolle: So wiesen in einer Subgruppenanalyse des DPV-Registers Kinder und Jugendliche mit niedrigeren und mittleren Sozialstatus einen signifikant schlechteren HbA1c auf als Kinder, deren Eltern einer hohen Schicht angehören. "Man kann also nicht sagen, dass alle Kinder mit Migrationshintergrund eine andere Therapie bekommen und schlechtere Therapieergebnisse erzielen", schlussfolgerte Prinz. "Migrant ist also nicht gleich Migrant."

Die Ursachen für die generell schlechtere Diabeteseinstellung von Kindern mit Migrationshintergrund sind nach Ansicht von Prinz vielfältig. Barrieren innerhalb des Deutschen Gesundheitssystems könnten für Migranten schwerer zu überwinden sein als für Nicht-Migranten, etwa Sprach- und Verständnisprobleme. "Sehr häufig fehlen auch migrationssensible Schulungs- und Therapieangebote, gerade für aktuell ankommende Flüchtlinge", so Prinz.

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