Spanien

Madrid versorgte bedürftige Kinder während Corona-Pandemie mit Fastfood

Begeisterte Kinder, entsetzte Eltern. Der Ersatz für das Schulessen bestand in der Region Madrid aus Pizza, Pommes, Hamburgern und Cola.

Manuel MeyerVon Manuel Meyer Veröffentlicht:
Konnten ihr Glück kaum fassen. Bedürftigen Kindern in der Region Madrid wurde als Ersatz für das Mensaessen in der Schule Fastfood geliefert.

Konnten ihr Glück kaum fassen. Bedürftigen Kindern in der Region Madrid wurde als Ersatz für das Mensaessen in der Schule Fastfood geliefert.

© Jasmin Merdan / stock.adobe.com

Madrid. Für viele spanische Kinder aus sozial schwachen Familien ist die tägliche warme Mahlzeit nur eine Selbstverständlichkeit, weil sie in den Schulkantinen Mittagessen bekommen. Doch seit Mitte März sind in Spanien wegen der Corona-Pandemie sämtliche Schulen und Kitas geschlossen und werden bis zum kommenden Schuljahr im Herbst auch wohl nicht mehr öffnen.

Wie viele andere spanische Regionen versprach auch die Madrider Regionalregierung den armen Familien in diesen schweren Zeiten Unterstützung und tägliche Gratisessen für die Kleinen. Alleine in Madrid sind 11.500 Kinder im Alter zwischen sechs und 13 Jahren auf diese Essensspenden angewiesen, um ein Mal pro Tag etwas warmes Essen zu können. Die Eltern sind dankbar.

Dennoch wollten viele ihren Augen nicht trauen, als sie den Speiseplan für die kommenden Wochen zugeschickt bekamen: Pizzen, Hamburger, Sandwiches, Pommes frites, Tiefkühl-Kroketten. Dazu gab es wahlweise Limonade oder Cola. Und das in einem Land, welches stolz auf seine gesunde Küche und mediterrane Diät ist.

Fastfood-Ketten gewannen die Ausschreibung

Die Kinder waren begeistert, die Eltern hingegen entsetzt. Was war passiert? Bei der öffentlichen Ausschreibung für die Produktion und Verteilung der Menüs hatten spanische Fastfood-Ketten wie Telepizza und der Sandwich-Hersteller Rodilla die günstigsten Angebote gemacht und den Zuschlag der Regionalregierung erhalten. Die gesundheitlichen Folgen ließen nicht auf sich warten.

Erste Studien zeigen, dass einige der betroffenen Kinder durch die einseitige, ungesunde Speisekarte und die sechs Woche lange totale Ausgangssperre bereits bis zu sechs Kilo zugelegt haben.

Elternverbände und renommierte Ernährungswissenschaftler schlugen Alarm. Die linke Opposition in Madrid machte das Thema zum Politikum. Sogar das spanische Gesundheitsministerium bat die Madrider Regionalregierung, den Speiseplan für die Kinder zu ändern.

Nach öffentlichem Druck werden die Verträge nicht verlängert

Am Donnerstag wurde der politische und soziale Druck so groß, dass Madrids Regionalpräsidentin Isabel Diaz Ayuso zurückruderte und ankündigte, die Verträge mit den drei Fastfood-Herstellern würden nicht verlängert. Ab dem 18. Mai würden die betroffenen Kinder altersgerechte und vor allem gesunde Menüs erhalten.

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Unterdessen trat am Donnerstagabend die Gesundheitsbeauftragte der Madrider Regionalregierung Yolanda Fuentes zurück. Grund waren aber nicht die Fastfood-Gratisessen für hilfsbedürftige Kinder, sondern der Beschluss von Madrids Regierungschefin Ayuso, früher als geplant bereits am kommenden Montag zur Lockdown-Lockerungsphase 1 überzugehen.

Fuentes, eine 46 Jahre alte Ärztin, weigerte sich, den Lagebericht zu unterschreiben, mit welchem die Hauptstadtregion beim spanischen Gesundheitsministerium das schnellere Fortschreiten im Corona-Exit-Fahrplan begründen wollte. Laut Fuentes stelle Madrid wirtschaftliche Motive über gesundheitliche. Madrid ist die am härtesten von der Pandemie betroffene Region des Landes.

Rund ein Drittel der rund 220 . 000 Infektions- und 26 . 000 Todesfälle in Spanien sind in der Hauptstadtregion aufgetreten. Spaniens Gesundheitsminister Salvador Illa dürfte deshalb den Antrag Madrids am heutigen Freitag ablehnen.
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