Gewalt an Schulen

Manchmal werden Lehrer auch von Eltern angegriffen

Die Schule – ein Ort des Respekts? Das mag, wenn überhaupt, früher einmal so gewesen sein. Die Zeiten ändern sich: Heute sind Angriffe gegen Lehrer keine Einzelfälle mehr, sagt der Verband Bildung und Erziehung. Genaue Zahlen zu den Vorfällen gibt es allerdings nicht.

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Prügelszene in der Schule (gestellt). Offenbar werden auch Lehrer häufiger zu Opfern.

Prügelszene in der Schule (gestellt). Offenbar werden auch Lehrer häufiger zu Opfern.

© Norbert Michalke / imageBROKER /

Berlin. Beleidigungen, Drohungen oder sogar Schläge gegen Lehrer nehmen einer Umfrage unter Schulleitern zufolge zu. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) stellte die Ergebnisse einer repräsentativen Forsa-Befragung im Januar und Februar dieses Jahres vor.

Jede dritte Schulleitung (34 Prozent) in Deutschland gab demnach an, dass es in den vergangenen fünf Jahren an ihrer Einrichtung zu Fällen kam, in denen Lehrer körperlich angegriffen wurden. Bei der gleichen Befragung 2018 sagten noch 26 Prozent der Schulleiter, es habe solche Fälle in den vergangenen fünf Jahren gegeben.

Deutlich mehr Schulen berichteten im Vergleich zu 2018 auch von Beschimpfungen, Drohungen, Beleidigungen, Belästigungen oder Mobbing gegen Lehrkräfte. 61 Prozent gaben an, es habe in den vergangenen Jahren entsprechende Fälle gegeben. 2018 sagten das 48 Prozent.

Die Zahl der Befragten, die von Angriffen und Belästigungen über das Internet berichteten, nahm ebenfalls zu (2020: 32 Prozent, 2018: 20 Prozent).

Es gibt keine valide Statistik

Allerdings lässt sich keine sichere Aussage treffen, ob es tatsächlich eine Zunahme von Angriffen auf Lehrer gab und wie diese im Einzelnen aussahen, da keine Zahlen und näheren Angaben zu den eigentlichen Vorfällen vorliegen. Dies zu erheben sei Aufgabe der Politik, sagte der VBE-Vorsitzende Udo Beckmann.

Man wolle mit den Schulleiterbefragungen den notwendigen Druck dafür erzeugen. Er forderte, dass an den Schulen entsprechende Vorfälle statistisch erfasst und an die Kultusministerien gemeldet werden sollten.

Kritik an der Methodik der Studie äußerte der Deutsche Lehrerverband, weil dabei die Ergebnisse zweier Umfragen verglichen werden, die im Abstand von zwei Jahren gemacht wurden – bei denen aber jeweils nach Vorfällen in den vergangenen fünf Jahren gefragt wurde.

Auch Hiebe von Eltern

Dennoch stellte sich der Lehrerverband hinter die Aussagen: „Grundsätzlich kann aufgrund der von unseren Mitgliedern eingegangenen Rückmeldungen das Ergebnis der VBE-Umfrage bestätigt werden, dass die meist verbale, nicht selten auch körperliche Aggressivität gegen Lehrkräfte von Seiten von Schülern und Eltern zugenommen hat“, so der Verbandspräsident Heinz-Peter Meidinger.

Bei der Mehrheit der Meldungen ging es nach VBE-Angaben um Angriffe von Schülern. Beckmann sprach im Bereich körperliche Gewalt von „Schlagen, Schütteln, Stoßen, Boxen, Treten, mit Gegenständen werfen, an den Haaren ziehen“.

Zwar wird seinen Angaben zufolge über das Thema jetzt mehr gesprochen, was auch zu einem anderen Meldeverhalten durch die Schulen führe. „Wir warnen aber davor, den deutlichen Anstieg darauf zurückzuführen.“

Grundschulen im Fokus

Ein überraschendes Ergebnis zeigt sich beim Blick auf die einzelnen Schultypen: Körperliche Angriffe auf Lehrer werden am häufigsten von Grundschulen gemeldet. Dort berichteten 40 Prozent der Schulleitungen von entsprechenden Vorfällen in den vergangenen fünf Jahren (2018: 32 Prozent). „Jüngere Kinder können ihre Emotionen noch nicht so gut kontrollieren und wissen sich manchmal nicht anders zu helfen“, sagte Beckmann.

Beleidigungen oder Drohungen sowohl im Schulalltag als auch übers Internet werden dagegen am häufigsten von Haupt-, Real- und Gesamtschulleitern gemeldet. 73 Prozent (Schulalltag) beziehungsweise 52 Prozent (Internet) der Schulen dieses Typs gaben an, dass es solche Fälle in den vergangenen Jahren gegeben habe.

An Gymnasien geht es vergleichsweise am friedlichsten zu, aber auch hier meldeten mehr Schulleitungen als noch 2018 Vorfälle von psychischer und physischer Gewalt gegen Lehrkräfte.

Lehrerhetze bei WhatsApp

Lehrerverbandspräsident Meidinger sagte, Hass und Aggressivität gegen Lehrkräfte mit persönlichen Angriffen und Beleidigungen, vielfach in sozialen Netzwerken, seien „eindeutig“ zu einem großen Problem geworden.

Das reiche von Youtube-Videos mit illegal aufgenommenen Unterrichtsmitschnitten und den entsprechenden Kommentaren bis hin zu Lehrerhetze in WhatsApp-Gruppen ganzer Klassen. Viele Eltern verstünden sich zudem grundsätzlich als Anwälte ihrer Kinder und deckten deren Verhalten.

Der VBE forderte vor dem Hintergrund der Umfrageergebnisse die Einrichtung von kleineren Lerngruppen an den Schulen, die darüber hinaus auch durch Fachkräfte aus Sozialarbeit, Sozialpädagogik und Psychologie unterstützt werden.

„Die beste Prävention ist ein Umfeld, in dem Konflikte vermieden werden, und wenn sie dann doch auftreten, möglichst professionell begleitet und verarbeitet werden können“, sagte Beckmann. (eb/dpa)

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