Arzt vor Gericht

Neuer Prozess um Brechmittel-Tod

Der Tod eines mutmaßlichen Drogendealers nach einem Brechmitteleinsatz beschäftigt zum dritten Mal das Bremer Landgericht. Der Prozess hat am Dienstag gegen einen ehemaligen Polizeiarzt begonnen.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
"Ipecacuanha" - an diesem Brechmittel starb der mutmaßliche Drogendealer.

"Ipecacuanha" - an diesem Brechmittel starb der mutmaßliche Drogendealer.

© dpa

BREMEN. Der Prozess um den Tod eines mutmaßlichen Kleindealers in Bremen im Jahr 2005 wird nach zwei Freisprüchen für den angeklagten Arzt auf Geheiß des Bundesgerichtshofes erneut aufgerollt.

Der Arzt hatte dem gefesselten Laye-Alama Condé (35) im Gefängnis durch einen Schlauch zwangsweise Wasser und Brechmittel in den Magen gepumpt, um ihn mutmaßlich verschluckte Drogen erbrechen zu lassen. Darauf fiel der Mann aus Sierra Leone ins Koma und starb elf Tage später.

Das Bremer Gericht wird nun prüfen, ob der Arzt dem Gefangenen auch dann noch Wasser eingeflößt hat, als er bereits ohnmächtig war. Außerdem will das Gericht erneut ermitteln, woran Condé tatsächlich gestorben ist.

Zwei Freisprüche

Chronologie des Bremer Falls

Ende 2004 hatte der damals 41-jährige Gerichtsmediziner im Polizeiauftrag einem mutmaßlichen Dealer Brechsirup und literweise Wasser mit einem Nasen-Magen-Schlauch eingeflößt. Der Mann fiel ins Koma.

Anfang 2005: Elf Tage nach dem Brechmitteleinsatz starb Laye-Alama Condé.

2008 sprach das Landgericht Bremen den Arzt vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung frei. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil 2010 auf.

2011 entschied eine andere Kammer des Landgerichts, dass dem Arzt nicht mit letzter Sicherheit eine Schuld nachzuweisen sei. Dieses Urteil kassierte der BGH im Juni 2012.

Zwei Mal, 2008 und 2011, hatte das Bremer Landgericht den Arzt vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung bereits freigesprochen.

Im ersten Verfahren hieß es, der Arzt sei überfordert gewesen und könne deshalb nicht belangt werden. Es war für den Mediziner der erste Einsatz dieser Art gewesen. Dieses Urteil hat der Bundesgerichtshof kassiert.

Im zweiten Verfahren konnten sich die Gutachter nicht einigen - war Condé am literweise eingeflößten Wasser quasi ertrunken oder litt der Afrikaner an einem Herzfehler und ist daran gestorben?

Wegen dieser Unklarheit hatte das Landgericht Bremen erneut entschieden, dass der Arzt nicht verurteilt werden könne.

Das Gericht ging schließlich davon aus, der Afrikaner sei an seiner Panik und seiner Herzkrankheit gestorben. Gegen die zweite Entscheidung legten die Staatsanwaltschaft und die Angehörigen des Toten Revision ein.

Seit 2006 kein Brechmittel-Einsatz

Der Bundesgerichtshof glaubt, der Arzt habe sich der Körperverletzung mit Todesfolge schuldig gemacht. Die Bundesrichter kritisierten außerdem das Beweissicherungsverfahren und forderten seine juristische Überprüfung.

Der Tod des Afrikaners hatte 2005 bundesweit zum Streit über Brechmitteleinsätze bei mutmaßlichen Drogendealern geführt. Der Europäische Gerichtshof hat die Brechmittelvergabe als erniedrigend und unwürdig kritisiert.

Seit 2006 wird das Verfahren in Deutschland nicht mehr angewendet. Condé hat im Zuge der Prozedur ein halbes Gramm Kokain erbrochen.

Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Berufsbedingte Schäden

Wenn Musikmachen Muskeln, Sehnen und Gelenke krank macht

Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

© HL

Herbstsymposium der Paul-Martini-Stiftung

Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Für wen passt was?

Therapie mit Antidepressiva: Auf die Nebenwirkungen kommt es an

Übersichtsarbeit zu Grippeimpfstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Lesetipps
Eine MFA schaut auf den Terminkalender der Praxis.

© AndreaObzerova / Getty Images / iStockphoto

Terminservicestellen und Praxen

116117-Terminservice: Wie das Bereitstellen von TSS-Terminen reibungsloser klappt

Bei Grenzentscheidungen (z.B. kürzlich stattgehabte Operation) gelte es, Rücksprache mit der entsprechenden Fachdisziplin zu halten, betont Dr. Milani Deb-Chatterji.

© stockdevil / iStock

Eine schwierige Entscheidung

Schlaganfall: Das sind Grenzfälle der Thrombolyse