Bericht zur Situation Geflüchteter in Deutschland

Psychosoziale Zentren beklagen Zugangsbarrieren für Folteropfer

Nachteile für Geflüchtete? Fachleute, die Flüchtlinge und Folteropfer begleiten, drängen darauf, dass diese Menschen eine elektronische Gesundheitskarte und einen gesetzlichen Anspruch auf Sprachvermittlung erhalten.

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Blick auf das Flüchtlingslager Karama in Syrien in einer Aufnahme vom Februar dieses Jahres.

Blick auf das Flüchtlingslager Karama in Syrien in einer Aufnahme vom Februar dieses Jahres.

© Omar Albam/AP/dpa

Berlin. Die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF) kritisiert in einem am Montag vorgestellten Papier Nachteile für geflüchtete Menschen bei der öffentlichen Gesundheitsversorgung.

Deutschland komme seinen nach internationalen Verträgen bestehenden Verpflichtungen nicht angemessen nach. „Überlebende von Krieg, Folter und Flucht müssen mit ihren Erfahrungen bisher größtenteils alleine zurechtkommen“, sagt Lukas Welz, Geschäftsleiter der Arbeitsgemeinschaft. Knapp 10.000 Personen hätten allein im Jahr 2020 vergeblich versucht, Hilfe in den Psychosozialen Zentren (PSZ) zu erhalten, da die Kapazitäten nicht ausgereicht hätten, heißt es in dem Bericht.

„Erhebliche Zugangsbarrieren“

Die Arbeitsgemeinschaft spricht von „erheblichen Zugangsbarrieren“ zum öffentlichen Gesundheitssystem. Sie fordert, Flüchtlingen müsse von Anfang an in allen Bundesländern eine Krankenkassenkarte zur Verfügung stehen. So könnten diese das öffentliche Gesundheitssystem ebenso wie gesetzlich Versicherte nutzen.

Auch Sprachbarrieren verhindern laut BAfF oft den Zugang zu medizinischer Versorgung. Die Arbeitsgemeinschaft will daher einen gesetzlichen Anspruch auf Sprachvermittlung im gesundheitlichen sowie rechtlichen und sozialen Bereich für Menschen ohne Deutschkenntnisse.

Kranken und traumatisierten Menschen fehlt es dem Papier zufolge an Möglichkeiten, ihre Erfahrungen aufzuarbeiten oder diesen Bedarf rechtlich geltend zu machen. Gerade für Menschen mit traumatischen Erlebnissen sei es schwierig, sich von ihren körperlichen und psychischen Beschwerden zu erholen, wenn sie jahrelang in Massenunterkünften leben und unklare Bleibeperspektiven haben, so die BAfF. Sie fordert daher in allen gesellschaftlichen Bereichen bessere Teilhabemöglichkeiten für geflüchtete Menschen.

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Berichte aus 47 Psychosozialen Zentren

Der Bericht „Flucht und Gewalt“ stützt sich auf die Erfahrungen von 47 Psychosozialen Zentren. Knapp 20.000 Klienten wurden den Angaben zufolge im Jahr 2020 in den Zentren dabei unterstützt, für ihre Rechte einzutreten und mit den psychosozialen Folgen von Flucht, Gewalt und Folter umzugehen. Der eigentliche Bedarf liege weit darüber und werde durch die aktuelle Fluchtbewegung aus der Ukraine noch deutlicher, so die BAfF.

Knapp 14 Prozent von ihnen sei minderjährig gewesen. Zu den häufigsten Herkunftsländern gehörten laut Bericht Afghanistan, Syrien und Russland.

Die Arbeitsgemeinschaft beschreibt die Finanzierung der PSZ als „prekär“. Sie stütze sich vor allem auf zeitlich begrenzte Fördermittel, die insbesondere aus Landesmitteln (43,3 Prozent), vom Bund (8,9 Prozent) und den Kommunen (9,6 Prozent) stammten. (KNA)

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