Flüchtlingsversorgung

Studenten auf kultureller Tuchfühlung

Die TU Dresden macht ihre angehenden Mediziner fit für die Herausforderung der Versorgung von Flüchtlingen. Im Wahlpflichtfach geht es um viel mehr als nur die Barriere Sprache.

Von Luise Poschmann Veröffentlicht:
Stephanie Taché (links) und Suzan Al-Gburi beim Gespräch in der Flüchtlingsambulanz in Dresden.

Stephanie Taché (links) und Suzan Al-Gburi beim Gespräch in der Flüchtlingsambulanz in Dresden.

© Luise Poschmann

DRESDEN. Die Flüchtlingsambulanz der KV Sachsen in Dresden ist stets gut besucht. Männer, Frauen und Kinder aus allen erdenklichen Ländern warten auf den Besuch beim Arzt; verschiedene Sprachen hallen über die Flure.

Mehr als ein halbes Jahr gibt es die Einrichtung mittlerweile. Seit Kurzem ist auch Suzan Al-Gburi regelmäßig auf den Fluren der Ambulanz anzutreffen.

Neues Wahlpflichtfach "Flüchtlingsversorgung"

Die 23-Jährige ist aber keine ehrenamtliche Helferin. Sie hat im Rahmen ihres Medizinstudiums an der TU Dresden das neue Wahlpflichtfach "Flüchtlingsversorgung" (wir berichteten kurz) belegt, für das in einem Modellvorhaben zunächst zehn Studenten ausgewählt wurden.

Sie sollen in Theorie und Praxis erlernen, welche Besonderheiten die medizinische Versorgung von Flüchtlingen mit sich bringt.

Die Betreuung von Patienten, die kein Deutsch sprechen und aus anderen Kulturkreisen kommen, werde "in Zukunft zum Arbeitsalltag" der Mediziner gehören, ist Professor Antje Bergmann überzeugt. Sie ist die Leiterin des Bereichs Allgemeinmedizin an der medizinischen Fakultät der TU Dresden und Mitinitiatorin des neuen Wahlpflichtfachs.

Wenn es nach ihr ginge, würde die Flüchtlingsversorgung so schnell wie möglich in die Pflichtlehre für die kommende Generation der Ärzte überführt werden.

Arbeit mit einem Dolmetscher

Denn ungewohnte Herausforderungen gibt es viele. Offensichtlich ist die Sprachbarriere: Die Arbeit mit einem Dolmetscher macht die Kommunikation zwar möglich, allerdings beeinflusst die dritte Person im Raum das Verhältnis zwischen Arzt und Patient.

Außerdem bringen einige Menschen Krankheiten aus ihren Heimatländern mit, mit denen Medizinern hierzulande nur selten zu tun haben. Viele haben auch psychische Probleme aufgrund ihrer traumatisierenden Erfahrungen, erläutert die Leiterin der Ambulanz, MD Stephanie Taché, die ebenfalls Mitinitiatorin des Wahlpflichtfachs ist.

"Viele haben Gewalt erlebt und Menschen gesehen, die gestorben sind", sagt sie. Auch die Situation in den Erstaufnahmeeinrichtungen sei oft belastend.

Nicht zu unterschätzen sind auch religiöse und kulturelle Besonderheiten. Das reicht bis hin zu der Frage, ob die vom Arzt verordnete Medikamenteneinnahme mit den Gebetszeiten kollidiert. Der kultursensible Umgang mit Menschen aus anderen Ländern sei besonders wichtig, sagt Taché, die schon in San Francisco in einer Flüchtlingsambulanz gearbeitet hat.

"Das hilft übrigens auch bei der Behandlung von Migranten, die nicht geflüchtet sind." In einem Einführungsseminar erhalten die Studenten einige Hintergrundinformationen, zum Beispiel über das Gesundheitssystem in den Herkunftsländern.

In der Ambulanz werden sie dann in den Alltag integriert. Sie begleiten die Ärzte und tragen ihre über das Semester hinweg gesammelten Erkenntnisse in einem Abschlussseminar zusammen.

Eigene Erfahrung als Flüchtling

Die Studentin Al-Gburi ist schon nach wenigen Einsätzen in der Ambulanz davon überzeugt, dass das Medizinstudium künftig nicht an der Lehre über kultursensible Versorgung vorbeikommen wird. Für sie ist die Arbeit in der Ambulanz aber auch eine persönlich wichtige Erfahrung.

"Ich habe auch eine Zeit lang als Flüchtling in Deutschland gelebt", erklärt die 23-Jährige, die im Alter von zehn Jahren aus dem Irak gekommen ist. "Das Ankommen war teilweise schwierig, aber viele Menschen haben uns geholfen." Da sei sie froh, dass sie nun so viele Jahre später etwas zurückgeben könne, sagt Al-Gburi.

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